Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857."Ich lächelte nur über die Richtigkeit Ihrer Bemer- "Holla," rief der Zeichner, plötzlich aufspringend In der Dachwohnung über der meinigen drüben "Ich habe auf ihrem Schreibtische Blätter gesehen "Es würde eine dunkle Seite darin bilden," ant- „Ich lächelte nur über die Richtigkeit Ihrer Bemer- „Holla,“ rief der Zeichner, plötzlich aufſpringend In der Dachwohnung über der meinigen drüben „Ich habe auf ihrem Schreibtiſche Blätter geſehen „Es würde eine dunkle Seite darin bilden,“ ant- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0052" n="42"/> <p>„Ich lächelte nur über die Richtigkeit Ihrer Bemer-<lb/> kung. Wir Alle ſind Sonntagskinder, in Jedem liegt<lb/> ein Keim der Fähigkeit, das Geiſtervolk zu belauſchen,<lb/> aber es iſt freilich ein zarter Keim, und das Pflänzchen<lb/> kommt nicht gut fort unter dem Staub der Heerſtraße<lb/> und dem Lärm des Marktes.“</p><lb/> <p>„Holla,“ rief der Zeichner, plötzlich aufſpringend<lb/> und nach dem Fenſter eilend, „ſehen Sie, welch’ ein<lb/> Bild!“ —</p><lb/> <p>In der Dachwohnung über der meinigen drüben<lb/> hatte ſich ein Fenſter geöffnet. Die kleine Ballettänze-<lb/> rin, welche dort wohnt, ließ ihr hübſches Kindchen nach<lb/> den leiſe herabſinkenden Schneeflocken greifen. Das Kind<lb/> ſtreckte die Aermchen aus und jubelte, wenn ſich einer<lb/> der großen, weißen Sterne auf ſeine Händchen legte oder<lb/> auf ſein Näschen. Die arme, ohne die Schminke der<lb/> Bühne ſo bleiche Mutter ſah ſo glücklich aus, daß Nie-<lb/> mand in dieſem Augenblick die traurige Geſchichte des<lb/> jungen Weibes geahnt hätte.</p><lb/> <p>„Ich habe auf ihrem Schreibtiſche Blätter geſehen<lb/> mit der Ueberſchrift: Chronik der Sperlingsgaſſe,“ ſagte<lb/> Strobel, „das Bild da drüben gehört hinein, wie es in<lb/> meine Skizzenmappe gehört.“</p><lb/> <p>„Es würde eine dunkle Seite darin bilden,“ ant-<lb/> wortete ich, „und die Chronik hat deren genug. Wie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0052]
„Ich lächelte nur über die Richtigkeit Ihrer Bemer-
kung. Wir Alle ſind Sonntagskinder, in Jedem liegt
ein Keim der Fähigkeit, das Geiſtervolk zu belauſchen,
aber es iſt freilich ein zarter Keim, und das Pflänzchen
kommt nicht gut fort unter dem Staub der Heerſtraße
und dem Lärm des Marktes.“
„Holla,“ rief der Zeichner, plötzlich aufſpringend
und nach dem Fenſter eilend, „ſehen Sie, welch’ ein
Bild!“ —
In der Dachwohnung über der meinigen drüben
hatte ſich ein Fenſter geöffnet. Die kleine Ballettänze-
rin, welche dort wohnt, ließ ihr hübſches Kindchen nach
den leiſe herabſinkenden Schneeflocken greifen. Das Kind
ſtreckte die Aermchen aus und jubelte, wenn ſich einer
der großen, weißen Sterne auf ſeine Händchen legte oder
auf ſein Näschen. Die arme, ohne die Schminke der
Bühne ſo bleiche Mutter ſah ſo glücklich aus, daß Nie-
mand in dieſem Augenblick die traurige Geſchichte des
jungen Weibes geahnt hätte.
„Ich habe auf ihrem Schreibtiſche Blätter geſehen
mit der Ueberſchrift: Chronik der Sperlingsgaſſe,“ ſagte
Strobel, „das Bild da drüben gehört hinein, wie es in
meine Skizzenmappe gehört.“
„Es würde eine dunkle Seite darin bilden,“ ant-
wortete ich, „und die Chronik hat deren genug. Wie
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