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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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mich gewundert, nirgend's Elisen's Lockenkopf hervorlugen
zu sehen, nirgends ihr helles Lachen zu hören; als nun
ein neuer Tanz beginnt und sie auch jetzt nicht erscheint,
wird mir die Sache bedenklich.

"Gustav, heda hier! Wo hast Du denn meine Lise
gelassen?"

"Ich? -- Onkel, fragen Sie lieber: wo hat Dich
die Lise gelassen. Sie behauptet böse zu sein und ist
mit Fräulein Henriette Frey weggelaufen, nachdem sie
mich einen -- einen -- "Theekessel" genannt hat."

"So? -- was habt Ihr denn wieder vorgehabt?"

"Ich kann mich auf Weiteres nicht einlassen!" sagt
der "denkende Künstler," zieht ein wehmüthig-sein-sollen-
des Gesicht und verschwindet unter der Menge.

"Wenn die Sachen so stehen," lacht der alte Frey,
"so werden die Mädchen jetzt wohl bei der Wäsche und
Theologie sitzen. Kommen Sie, wir müssen uns doch
erkundigen, was der Friedensstifter (machte er seine Sache
nicht prächtig?) da für Unheil und Unfrieden angestiftet
hat?" --

"Ich kann's mir schon denken," brumme ich in den
Bart, und so schlagen wir uns seitwärts in's Gebüsch
und gelangen zu unserm Tisch zurück.

"Richtig, da sitzen die Turteltäubchen!" ruft der Pro-
fessor. "Wie andächtig sie dem Oberlehrer Besenmeier

mich gewundert, nirgend’s Eliſen’s Lockenkopf hervorlugen
zu ſehen, nirgends ihr helles Lachen zu hören; als nun
ein neuer Tanz beginnt und ſie auch jetzt nicht erſcheint,
wird mir die Sache bedenklich.

„Guſtav, heda hier! Wo haſt Du denn meine Liſe
gelaſſen?“

„Ich? — Onkel, fragen Sie lieber: wo hat Dich
die Liſe gelaſſen. Sie behauptet böſe zu ſein und iſt
mit Fräulein Henriette Frey weggelaufen, nachdem ſie
mich einen — einen — „Theekeſſel“ genannt hat.“

„So? — was habt Ihr denn wieder vorgehabt?“

„Ich kann mich auf Weiteres nicht einlaſſen!“ ſagt
der „denkende Künſtler,“ zieht ein wehmüthig-ſein-ſollen-
des Geſicht und verſchwindet unter der Menge.

„Wenn die Sachen ſo ſtehen,“ lacht der alte Frey,
„ſo werden die Mädchen jetzt wohl bei der Wäſche und
Theologie ſitzen. Kommen Sie, wir müſſen uns doch
erkundigen, was der Friedensſtifter (machte er ſeine Sache
nicht prächtig?) da für Unheil und Unfrieden angeſtiftet
hat?“ —

„Ich kann’s mir ſchon denken,“ brumme ich in den
Bart, und ſo ſchlagen wir uns ſeitwärts in’s Gebüſch
und gelangen zu unſerm Tiſch zurück.

„Richtig, da ſitzen die Turteltäubchen!“ ruft der Pro-
feſſor. „Wie andächtig ſie dem Oberlehrer Beſenmeier

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[206/0216] mich gewundert, nirgend’s Eliſen’s Lockenkopf hervorlugen zu ſehen, nirgends ihr helles Lachen zu hören; als nun ein neuer Tanz beginnt und ſie auch jetzt nicht erſcheint, wird mir die Sache bedenklich. „Guſtav, heda hier! Wo haſt Du denn meine Liſe gelaſſen?“ „Ich? — Onkel, fragen Sie lieber: wo hat Dich die Liſe gelaſſen. Sie behauptet böſe zu ſein und iſt mit Fräulein Henriette Frey weggelaufen, nachdem ſie mich einen — einen — „Theekeſſel“ genannt hat.“ „So? — was habt Ihr denn wieder vorgehabt?“ „Ich kann mich auf Weiteres nicht einlaſſen!“ ſagt der „denkende Künſtler,“ zieht ein wehmüthig-ſein-ſollen- des Geſicht und verſchwindet unter der Menge. „Wenn die Sachen ſo ſtehen,“ lacht der alte Frey, „ſo werden die Mädchen jetzt wohl bei der Wäſche und Theologie ſitzen. Kommen Sie, wir müſſen uns doch erkundigen, was der Friedensſtifter (machte er ſeine Sache nicht prächtig?) da für Unheil und Unfrieden angeſtiftet hat?“ — „Ich kann’s mir ſchon denken,“ brumme ich in den Bart, und ſo ſchlagen wir uns ſeitwärts in’s Gebüſch und gelangen zu unſerm Tiſch zurück. „Richtig, da ſitzen die Turteltäubchen!“ ruft der Pro- feſſor. „Wie andächtig ſie dem Oberlehrer Beſenmeier

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/216>, abgerufen am 24.11.2024.