ergötzlicheren Scenen an einander, als in den vornehmern, aber auch öderen Straßen. Hier giebt es noch die alten Patrizierhäuser, -- die Geschlechter selbst sind freilich meistens lange dahin -- welche nach einer Eigenthüm- lichkeit ihrer Bauart oder sonst einem Wahrzeichen unter irgend einer naiven merkwürdigen Benennung im Munde des Volks fortleben. Hier sind die dunkeln verrauchten Comptoire der alten gewichtigen Handelsfirmen, hier ist das wahre Reich der Keller- und Dachwohnungen. Die Dämmerung, die Nacht produciren hier wundersamere Beleuchtungen durch Lampenlicht und Mondschein, selt- samere Töne als anderswo. Das Klirren und Aechzen der verrosteten Wetterfahnen, das Klappern des Windes mit den Dachziegeln, das Weinen der Kinder, das Miauen der Katzen, das Gekeif der Weiber, wo klingt es passender -- man möchte sagen dem Ort angemessener, als hier in diesen engen Gassen, zwischen diesen hohen Häusern, wo jeder Winkel, jede Ecke, jeder Vorsprung den Ton auffängt, bricht und verändert zurückwirft! --
Horch, wie in dem Augenblick, wo ich dieses nieder- schreibe drunten in jenem gewölbten Thorwege die Dreh- orgel beginnt; wie sie ihre klagenden an diesem Ort wahrhaftig melodischen Tonwogen über das dumpfe Murren und Rollen der Arbeit hinwälzt! -- Die Stimme Gottes spricht zwar vernehmlich genug im Rauschen des Windes,
ergötzlicheren Scenen an einander, als in den vornehmern, aber auch öderen Straßen. Hier giebt es noch die alten Patrizierhäuſer, — die Geſchlechter ſelbſt ſind freilich meiſtens lange dahin — welche nach einer Eigenthüm- lichkeit ihrer Bauart oder ſonſt einem Wahrzeichen unter irgend einer naiven merkwürdigen Benennung im Munde des Volks fortleben. Hier ſind die dunkeln verrauchten Comptoire der alten gewichtigen Handelsfirmen, hier iſt das wahre Reich der Keller- und Dachwohnungen. Die Dämmerung, die Nacht produciren hier wunderſamere Beleuchtungen durch Lampenlicht und Mondſchein, ſelt- ſamere Töne als anderswo. Das Klirren und Aechzen der verroſteten Wetterfahnen, das Klappern des Windes mit den Dachziegeln, das Weinen der Kinder, das Miauen der Katzen, das Gekeif der Weiber, wo klingt es paſſender — man möchte ſagen dem Ort angemeſſener, als hier in dieſen engen Gaſſen, zwiſchen dieſen hohen Häuſern, wo jeder Winkel, jede Ecke, jeder Vorſprung den Ton auffängt, bricht und verändert zurückwirft! —
Horch, wie in dem Augenblick, wo ich dieſes nieder- ſchreibe drunten in jenem gewölbten Thorwege die Dreh- orgel beginnt; wie ſie ihre klagenden an dieſem Ort wahrhaftig melodiſchen Tonwogen über das dumpfe Murren und Rollen der Arbeit hinwälzt! — Die Stimme Gottes ſpricht zwar vernehmlich genug im Rauſchen des Windes,
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ergötzlicheren Scenen an einander, als in den vornehmern,
aber auch öderen Straßen. Hier giebt es noch die alten
Patrizierhäuſer, — die Geſchlechter ſelbſt ſind freilich
meiſtens lange dahin — welche nach einer Eigenthüm-
lichkeit ihrer Bauart oder ſonſt einem Wahrzeichen unter
irgend einer naiven merkwürdigen Benennung im Munde
des Volks fortleben. Hier ſind die dunkeln verrauchten
Comptoire der alten gewichtigen Handelsfirmen, hier iſt
das wahre Reich der Keller- und Dachwohnungen. Die
Dämmerung, die Nacht produciren hier wunderſamere
Beleuchtungen durch Lampenlicht und Mondſchein, ſelt-
ſamere Töne als anderswo. Das Klirren und Aechzen
der verroſteten Wetterfahnen, das Klappern des Windes
mit den Dachziegeln, das Weinen der Kinder, das
Miauen der Katzen, das Gekeif der Weiber, wo klingt
es paſſender — man möchte ſagen dem Ort angemeſſener,
als hier in dieſen engen Gaſſen, zwiſchen dieſen hohen
Häuſern, wo jeder Winkel, jede Ecke, jeder Vorſprung
den Ton auffängt, bricht und verändert zurückwirft! —
Horch, wie in dem Augenblick, wo ich dieſes nieder-
ſchreibe drunten in jenem gewölbten Thorwege die Dreh-
orgel beginnt; wie ſie ihre klagenden an dieſem Ort
wahrhaftig melodiſchen Tonwogen über das dumpfe Murren
und Rollen der Arbeit hinwälzt! — Die Stimme Gottes
ſpricht zwar vernehmlich genug im Rauſchen des Windes,
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/20>, abgerufen am 05.07.2024.
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