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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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zog mein Alter seine Zipfelmütze aus der Tasche und
warf sie unter meinen Topf, daß sie verschwielte und
das ganze Haus voll Qualm ward; dann ging er
mit meinem Ludwig fort und kam allein und ganz still
wieder.

Am andern Morgen zog ein Trupp schwarzer Reiter
in die Stadt -- auch durch das Wasserthor. Einer
kam zu Pferd hier in die Sperlingsgasse vor unser Haus
und stieg ab, -- mir sank das Herz in die Knie --
es war mein Ludwig! --

"Adjes Mutter! Adjes Vater!" rief er, -- "behüt
Euch Gott!" -- und dann ritt er fort, den Andern nach,
die schon durch das Grüne Thor zogen.

"Da geht's nach Frankreich, Alte!" rief mein Mann,
während ich heulte und jammerte. Aber es war noch so
weit nicht.

Wir hörten lange Zeit nichts, bis eines Tages alle
Glocken in der Stadt läuteten, und auch im ganzen Land,
wie sie sagten. -- Es war eine große Schlacht gewesen
und Unsere hatten gewonnen und mein Ludwig war --
todt! --

"Der Erste," sagte mein Alter. --

Wieder ging ein Jahr hin und einmal kam das Ka-
nonenschießen so nahe, daß die Leute vor das Thor
liefen, es zu hören; natürlich lief mein Gottfried und

zog mein Alter ſeine Zipfelmütze aus der Taſche und
warf ſie unter meinen Topf, daß ſie verſchwielte und
das ganze Haus voll Qualm ward; dann ging er
mit meinem Ludwig fort und kam allein und ganz ſtill
wieder.

Am andern Morgen zog ein Trupp ſchwarzer Reiter
in die Stadt — auch durch das Waſſerthor. Einer
kam zu Pferd hier in die Sperlingsgaſſe vor unſer Haus
und ſtieg ab, — mir ſank das Herz in die Knie —
es war mein Ludwig! —

„Adjes Mutter! Adjes Vater!“ rief er, — „behüt
Euch Gott!“ — und dann ritt er fort, den Andern nach,
die ſchon durch das Grüne Thor zogen.

„Da geht’s nach Frankreich, Alte!“ rief mein Mann,
während ich heulte und jammerte. Aber es war noch ſo
weit nicht.

Wir hörten lange Zeit nichts, bis eines Tages alle
Glocken in der Stadt läuteten, und auch im ganzen Land,
wie ſie ſagten. — Es war eine große Schlacht geweſen
und Unſere hatten gewonnen und mein Ludwig war —
todt! —

„Der Erſte,“ ſagte mein Alter. —

Wieder ging ein Jahr hin und einmal kam das Ka-
nonenſchießen ſo nahe, daß die Leute vor das Thor
liefen, es zu hören; natürlich lief mein Gottfried und

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[146/0156] zog mein Alter ſeine Zipfelmütze aus der Taſche und warf ſie unter meinen Topf, daß ſie verſchwielte und das ganze Haus voll Qualm ward; dann ging er mit meinem Ludwig fort und kam allein und ganz ſtill wieder. Am andern Morgen zog ein Trupp ſchwarzer Reiter in die Stadt — auch durch das Waſſerthor. Einer kam zu Pferd hier in die Sperlingsgaſſe vor unſer Haus und ſtieg ab, — mir ſank das Herz in die Knie — es war mein Ludwig! — „Adjes Mutter! Adjes Vater!“ rief er, — „behüt Euch Gott!“ — und dann ritt er fort, den Andern nach, die ſchon durch das Grüne Thor zogen. „Da geht’s nach Frankreich, Alte!“ rief mein Mann, während ich heulte und jammerte. Aber es war noch ſo weit nicht. Wir hörten lange Zeit nichts, bis eines Tages alle Glocken in der Stadt läuteten, und auch im ganzen Land, wie ſie ſagten. — Es war eine große Schlacht geweſen und Unſere hatten gewonnen und mein Ludwig war — todt! — „Der Erſte,“ ſagte mein Alter. — Wieder ging ein Jahr hin und einmal kam das Ka- nonenſchießen ſo nahe, daß die Leute vor das Thor liefen, es zu hören; natürlich lief mein Gottfried und

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/156>, abgerufen am 25.11.2024.