So traf ich ihn heute Abend, als ich herunter kam, einen geborgten Leimtopf wieder abzuliefern. Da es Feierabend war, so war die ganze Familie in der Stube versammelt, der Zeichner hatte alle seine Gesprächs- elemente beieinander und plätscherte mit Wonne darin herum.
".... Also Meister," sagte er, als ich eintrat, wer, meinen Sie, kriegt dabei die Prügel?"
"Der Russe nicht!" antwortet nach einer kleinen Pause bedächtig der Meister, der mit der Brille auf der Nase die Zeitung hinter das Licht hielt, um besser zu sehen.
"Also die Alliirten?"
Der Meister nimmt eine Prise und da seine Erinne- rungen nur bis zu den Befreiungskriegen gehen, schaut er verwundert auf, es scheint ihm auch das unwahr- scheinlich. -- Plötzlich aber besinnt er sich:
"Donnerwetter, da sind ja auch die Franzosen bei!" ruft er. -- "Himmel! das hat sich ja auf einmal ganz umgedreht!" --
"Richtig Meister," sagt der Zeichner, dem Tischler- meister auf die Schulter klopfend. "Richtig! Alles in der Welt dreht sich von Zeit zu Zeit um."
"Meisterin, die Kartoffeln brennen an!" unterbricht Anton, der Lehrjunge, die Politik.
So traf ich ihn heute Abend, als ich herunter kam, einen geborgten Leimtopf wieder abzuliefern. Da es Feierabend war, ſo war die ganze Familie in der Stube verſammelt, der Zeichner hatte alle ſeine Geſprächs- elemente beieinander und plätſcherte mit Wonne darin herum.
„.... Alſo Meiſter,“ ſagte er, als ich eintrat, wer, meinen Sie, kriegt dabei die Prügel?“
„Der Ruſſe nicht!“ antwortet nach einer kleinen Pauſe bedächtig der Meiſter, der mit der Brille auf der Naſe die Zeitung hinter das Licht hielt, um beſſer zu ſehen.
„Alſo die Alliirten?“
Der Meiſter nimmt eine Priſe und da ſeine Erinne- rungen nur bis zu den Befreiungskriegen gehen, ſchaut er verwundert auf, es ſcheint ihm auch das unwahr- ſcheinlich. — Plötzlich aber beſinnt er ſich:
„Donnerwetter, da ſind ja auch die Franzoſen bei!“ ruft er. — „Himmel! das hat ſich ja auf einmal ganz umgedreht!“ —
„Richtig Meiſter,“ ſagt der Zeichner, dem Tiſchler- meiſter auf die Schulter klopfend. „Richtig! Alles in der Welt dreht ſich von Zeit zu Zeit um.“
„Meiſterin, die Kartoffeln brennen an!“ unterbricht Anton, der Lehrjunge, die Politik.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0147"n="137"/><p>So traf ich ihn heute Abend, als ich herunter kam,<lb/>
einen geborgten Leimtopf wieder abzuliefern. Da es<lb/>
Feierabend war, ſo war die ganze Familie in der Stube<lb/>
verſammelt, der Zeichner hatte alle ſeine Geſprächs-<lb/>
elemente beieinander und plätſcherte mit Wonne darin<lb/>
herum.</p><lb/><p>„.... Alſo Meiſter,“ſagte er, als ich eintrat, <hirendition="#g">wer</hi>,<lb/>
meinen Sie, kriegt dabei die Prügel?“</p><lb/><p>„Der Ruſſe nicht!“ antwortet nach einer kleinen<lb/>
Pauſe bedächtig der Meiſter, der mit der Brille auf<lb/>
der Naſe die Zeitung hinter das Licht hielt, um beſſer<lb/>
zu ſehen.</p><lb/><p>„Alſo die Alliirten?“</p><lb/><p>Der Meiſter nimmt eine Priſe und da ſeine Erinne-<lb/>
rungen nur bis zu den Befreiungskriegen gehen, ſchaut<lb/>
er verwundert auf, es ſcheint ihm auch das unwahr-<lb/>ſcheinlich. — Plötzlich aber beſinnt er ſich:</p><lb/><p>„Donnerwetter, da ſind ja auch die Franzoſen bei!“<lb/>
ruft er. —„Himmel! das hat ſich ja auf einmal ganz<lb/>
umgedreht!“—</p><lb/><p>„Richtig Meiſter,“ſagt der Zeichner, dem Tiſchler-<lb/>
meiſter auf die Schulter klopfend. „Richtig! Alles in<lb/>
der Welt dreht ſich von Zeit zu Zeit um.“</p><lb/><p>„Meiſterin, die Kartoffeln brennen an!“ unterbricht<lb/>
Anton, der Lehrjunge, die Politik.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[137/0147]
So traf ich ihn heute Abend, als ich herunter kam,
einen geborgten Leimtopf wieder abzuliefern. Da es
Feierabend war, ſo war die ganze Familie in der Stube
verſammelt, der Zeichner hatte alle ſeine Geſprächs-
elemente beieinander und plätſcherte mit Wonne darin
herum.
„.... Alſo Meiſter,“ ſagte er, als ich eintrat, wer,
meinen Sie, kriegt dabei die Prügel?“
„Der Ruſſe nicht!“ antwortet nach einer kleinen
Pauſe bedächtig der Meiſter, der mit der Brille auf
der Naſe die Zeitung hinter das Licht hielt, um beſſer
zu ſehen.
„Alſo die Alliirten?“
Der Meiſter nimmt eine Priſe und da ſeine Erinne-
rungen nur bis zu den Befreiungskriegen gehen, ſchaut
er verwundert auf, es ſcheint ihm auch das unwahr-
ſcheinlich. — Plötzlich aber beſinnt er ſich:
„Donnerwetter, da ſind ja auch die Franzoſen bei!“
ruft er. — „Himmel! das hat ſich ja auf einmal ganz
umgedreht!“ —
„Richtig Meiſter,“ ſagt der Zeichner, dem Tiſchler-
meiſter auf die Schulter klopfend. „Richtig! Alles in
der Welt dreht ſich von Zeit zu Zeit um.“
„Meiſterin, die Kartoffeln brennen an!“ unterbricht
Anton, der Lehrjunge, die Politik.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/147>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.