Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857."Sieh, da kriecht ein Marienkäfer auf Deinem Arm, Elise schaut ihm nach und fängt an zu singen: Marienvogel kleine, Rühre Deine Beine, Kriech an meinem Finger n'auf, Setz Dich als das Knöpflein drauf! Ist er nicht ein hoher Thurm Für so kleinen rothen Wurm? Und dann mit ganz feiner Stimme: "Rothen Purpur trag' ich, "Flüglein viere schlag' ich! "Gar kein' Flüglein regst Du, "Nur zwei Bein' bewegst Du -- "Beine achte rühr' ich, "Sieben Punkte führ' ich, "Fliege höher als der Thurm! "Wer ist nun der kleine Wurm? -- Etsch! Die Sonne muß draußen gar heiß und drückend "Wirst Du müde, Lischen? berauscht Dich der Wald- „Sieh, da kriecht ein Marienkäfer auf Deinem Arm, Eliſe ſchaut ihm nach und fängt an zu ſingen: Marienvogel kleine, Rühre Deine Beine, Kriech an meinem Finger n’auf, Setz Dich als das Knöpflein drauf! Iſt er nicht ein hoher Thurm Für ſo kleinen rothen Wurm? Und dann mit ganz feiner Stimme: „Rothen Purpur trag’ ich, „Flüglein viere ſchlag’ ich! „Gar kein’ Flüglein regſt Du, „Nur zwei Bein’ bewegſt Du — „Beine achte rühr’ ich, „Sieben Punkte führ’ ich, „Fliege höher als der Thurm! „Wer iſt nun der kleine Wurm? — Etſch! Die Sonne muß draußen gar heiß und drückend „Wirſt Du müde, Lischen? berauſcht Dich der Wald- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0131" n="121"/> <p>„Sieh, da kriecht ein Marienkäfer auf Deinem Arm,<lb/> Lischen; — er entfaltet die Flügel — prr, dahin geht<lb/> er, ein kleines rothes Pünktchen im Sonnenſtrahl.“</p><lb/> <p>Eliſe ſchaut ihm nach und fängt an zu ſingen:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Marienvogel kleine,</l><lb/> <l>Rühre Deine Beine,</l><lb/> <l>Kriech an meinem Finger n’auf,</l><lb/> <l>Setz Dich als das Knöpflein drauf!</l><lb/> <l>Iſt er nicht ein hoher Thurm</l><lb/> <l>Für ſo kleinen rothen Wurm?</l> </lg><lb/> <p>Und dann mit ganz feiner Stimme:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Rothen Purpur trag’ ich,</l><lb/> <l>„Flüglein viere ſchlag’ ich!</l><lb/> <l>„Gar kein’ Flüglein regſt Du,</l><lb/> <l>„Nur zwei Bein’ bewegſt Du —</l><lb/> <l>„Beine achte rühr’ ich,</l><lb/> <l>„Sieben Punkte führ’ ich,</l><lb/> <l>„Fliege höher als der Thurm!</l><lb/> <l>„Wer iſt nun der kleine Wurm? — Etſch!</l> </lg><lb/> <p>Die Sonne muß draußen gar heiß und drückend<lb/> ſein, ſie ſteht hoch im Mittage. Hier aber hat ſie die<lb/> Herrſchaft mit dem Schatten zu theilen und zwar ſo,<lb/> daß man gar nicht mehr weiß, wo Dunkel, wo Licht<lb/> iſt, ſo flimmert und zuckt beides durcheinander.</p><lb/> <p>„Wirſt Du müde, Lischen? berauſcht Dich der Wald-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [121/0131]
„Sieh, da kriecht ein Marienkäfer auf Deinem Arm,
Lischen; — er entfaltet die Flügel — prr, dahin geht
er, ein kleines rothes Pünktchen im Sonnenſtrahl.“
Eliſe ſchaut ihm nach und fängt an zu ſingen:
Marienvogel kleine,
Rühre Deine Beine,
Kriech an meinem Finger n’auf,
Setz Dich als das Knöpflein drauf!
Iſt er nicht ein hoher Thurm
Für ſo kleinen rothen Wurm?
Und dann mit ganz feiner Stimme:
„Rothen Purpur trag’ ich,
„Flüglein viere ſchlag’ ich!
„Gar kein’ Flüglein regſt Du,
„Nur zwei Bein’ bewegſt Du —
„Beine achte rühr’ ich,
„Sieben Punkte führ’ ich,
„Fliege höher als der Thurm!
„Wer iſt nun der kleine Wurm? — Etſch!
Die Sonne muß draußen gar heiß und drückend
ſein, ſie ſteht hoch im Mittage. Hier aber hat ſie die
Herrſchaft mit dem Schatten zu theilen und zwar ſo,
daß man gar nicht mehr weiß, wo Dunkel, wo Licht
iſt, ſo flimmert und zuckt beides durcheinander.
„Wirſt Du müde, Lischen? berauſcht Dich der Wald-
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