Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.und alle die Tausende, die heute ein- und ausfliegen Schon haben wir die letzten Gärten hinter uns und Was trappelt auf einmal vor uns und raschelt und alle die Tauſende, die heute ein- und ausfliegen Schon haben wir die letzten Gärten hinter uns und Was trappelt auf einmal vor uns und raſchelt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0121" n="111"/> und alle die Tauſende, die heute ein- und ausfliegen<lb/> werden, ſuchen alle ein anderes Ziel des Genuſſes; jeder<lb/> die Freude auf eine andere Weiſe!</p><lb/> <p>Schon haben wir die letzten Gärten hinter uns und<lb/> fahren nun langſam die Pappelallee hinauf den Höhen<lb/> zu, welche im weiten Umkreis die große Ebene und die<lb/> große Stadt umgrenzen. Die Sonne ſteigt empor über<lb/> dem Walde; die Knospen, die Blätter, die Blumen tra-<lb/> gen alle einen Thautropfen, das Geſchenk der Nacht;<lb/> die Lerche erhebt ſich jubelnd in die blaue friſche Luft<lb/> und auch ſie ſchüttelt Thau von den Flügeln. Wenn<lb/> wir zurückſchauen, liegt die große Stadt noch verhüllt in<lb/> dem ſilbergrauen Duftſchleier, den ſie ſelbſt ſich webt und<lb/> den ſie wie Penelope den ihrigen nur zertrennt, um ihn<lb/> von Neuem zu knüpfen. Wie eingewebte Goldſterne<lb/> blitzen die Kreuze der Thürme — die Zeichen des<lb/> Leids — darauf. — Wir aber fahren ſchon im vollen<lb/> Sonnenſchein und jetzt — ſind wir am Rande des<lb/> Waldes angekommen; nun brauchen wir den Wagen<lb/> nicht mehr, und ſchnell rollt er die Höhen wieder herab,<lb/> der Stadt zu.</p><lb/> <p>Was trappelt auf einmal vor uns und raſchelt<lb/> durch das welke Laub des vorigen Jahres, das den<lb/> Boden bedeckt? Was bricht da durch’s Gebüſch, die<lb/> Ohren und den ſchwarzen Pelz naß vom Morgenthau,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [111/0121]
und alle die Tauſende, die heute ein- und ausfliegen
werden, ſuchen alle ein anderes Ziel des Genuſſes; jeder
die Freude auf eine andere Weiſe!
Schon haben wir die letzten Gärten hinter uns und
fahren nun langſam die Pappelallee hinauf den Höhen
zu, welche im weiten Umkreis die große Ebene und die
große Stadt umgrenzen. Die Sonne ſteigt empor über
dem Walde; die Knospen, die Blätter, die Blumen tra-
gen alle einen Thautropfen, das Geſchenk der Nacht;
die Lerche erhebt ſich jubelnd in die blaue friſche Luft
und auch ſie ſchüttelt Thau von den Flügeln. Wenn
wir zurückſchauen, liegt die große Stadt noch verhüllt in
dem ſilbergrauen Duftſchleier, den ſie ſelbſt ſich webt und
den ſie wie Penelope den ihrigen nur zertrennt, um ihn
von Neuem zu knüpfen. Wie eingewebte Goldſterne
blitzen die Kreuze der Thürme — die Zeichen des
Leids — darauf. — Wir aber fahren ſchon im vollen
Sonnenſchein und jetzt — ſind wir am Rande des
Waldes angekommen; nun brauchen wir den Wagen
nicht mehr, und ſchnell rollt er die Höhen wieder herab,
der Stadt zu.
Was trappelt auf einmal vor uns und raſchelt
durch das welke Laub des vorigen Jahres, das den
Boden bedeckt? Was bricht da durch’s Gebüſch, die
Ohren und den ſchwarzen Pelz naß vom Morgenthau,
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