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Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Liebe mich ewig, ewig! rief Laurentia.

In alle Ewigkeit! sprach Georg.

Da ging ein dumpfer Ton durch die Nacht, ein donnerndes Schallen und Schmettern, ein Brechen und Krachen. Ein Schreien erhob sich im Thal und schwoll immer mehr an und pflanzte sich fort über die ganze Stadt. Das Krachen und Schmettern weckte nur einmal das Echo zwischen den Bergen; aber das Geschrei rief es immer von Neuem hervor. Lichter und Fackeln irrten in der Tiefe, und immer wilder ward das Rufen des Volkes.

Um Gottes Willen, was war das? schrie Georg. Komm, komm hinab zum Vater.

In das Thurmgemach hinunter führte der junge Mann die Braut; der Greis saß aufrecht im Bett und rief:

Es ist geschehen! Recht ist gesprochen, -- das letzte Recht! Hinab, Georg Kindler, hinab zur Silberburg, sieh, ob das, was ich eben geträumt, Wahrheit ist! Das letzte Recht, o das letzte Recht!

Neben dem Bette des Alten sank Laurentia Heyligerin nieder, und der Greis zog sie zu sich und küßte sie auf die Stirn:

Gesegnet sei dein Eingang hier unter meinem Dach, du Kind meines Feindes. Der Segen eines ungerecht Gekränkten hat groß Gewicht; viel Glück sollst du haben in deinem Leben, eine gute Frau sollst du werden, wie deine arme Mutter, wie -- mein armes Weib.

Liebe mich ewig, ewig! rief Laurentia.

In alle Ewigkeit! sprach Georg.

Da ging ein dumpfer Ton durch die Nacht, ein donnerndes Schallen und Schmettern, ein Brechen und Krachen. Ein Schreien erhob sich im Thal und schwoll immer mehr an und pflanzte sich fort über die ganze Stadt. Das Krachen und Schmettern weckte nur einmal das Echo zwischen den Bergen; aber das Geschrei rief es immer von Neuem hervor. Lichter und Fackeln irrten in der Tiefe, und immer wilder ward das Rufen des Volkes.

Um Gottes Willen, was war das? schrie Georg. Komm, komm hinab zum Vater.

In das Thurmgemach hinunter führte der junge Mann die Braut; der Greis saß aufrecht im Bett und rief:

Es ist geschehen! Recht ist gesprochen, — das letzte Recht! Hinab, Georg Kindler, hinab zur Silberburg, sieh, ob das, was ich eben geträumt, Wahrheit ist! Das letzte Recht, o das letzte Recht!

Neben dem Bette des Alten sank Laurentia Heyligerin nieder, und der Greis zog sie zu sich und küßte sie auf die Stirn:

Gesegnet sei dein Eingang hier unter meinem Dach, du Kind meines Feindes. Der Segen eines ungerecht Gekränkten hat groß Gewicht; viel Glück sollst du haben in deinem Leben, eine gute Frau sollst du werden, wie deine arme Mutter, wie — mein armes Weib.

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[0075] Liebe mich ewig, ewig! rief Laurentia. In alle Ewigkeit! sprach Georg. Da ging ein dumpfer Ton durch die Nacht, ein donnerndes Schallen und Schmettern, ein Brechen und Krachen. Ein Schreien erhob sich im Thal und schwoll immer mehr an und pflanzte sich fort über die ganze Stadt. Das Krachen und Schmettern weckte nur einmal das Echo zwischen den Bergen; aber das Geschrei rief es immer von Neuem hervor. Lichter und Fackeln irrten in der Tiefe, und immer wilder ward das Rufen des Volkes. Um Gottes Willen, was war das? schrie Georg. Komm, komm hinab zum Vater. In das Thurmgemach hinunter führte der junge Mann die Braut; der Greis saß aufrecht im Bett und rief: Es ist geschehen! Recht ist gesprochen, — das letzte Recht! Hinab, Georg Kindler, hinab zur Silberburg, sieh, ob das, was ich eben geträumt, Wahrheit ist! Das letzte Recht, o das letzte Recht! Neben dem Bette des Alten sank Laurentia Heyligerin nieder, und der Greis zog sie zu sich und küßte sie auf die Stirn: Gesegnet sei dein Eingang hier unter meinem Dach, du Kind meines Feindes. Der Segen eines ungerecht Gekränkten hat groß Gewicht; viel Glück sollst du haben in deinem Leben, eine gute Frau sollst du werden, wie deine arme Mutter, wie — mein armes Weib.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T09:56:25Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T09:56:25Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/75>, abgerufen am 25.11.2024.