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Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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dort doch am meisten freie Bahn gehabt. Des Scharfrichters Haus drüben ist fast ganz ruiniret.

Durch das niedere Küchenfenster warf Laurentia einen schnellen, scheuen, ängstlichen Blick über den Garten, in welchem die meisten Bäume zu Boden lagen, nach dem alten Wartthurm, dem Aufenthalt des Geliebten. Thurm und Höhe lagen im schönsten Sonnenschein, und blauer Rauch kräuselte aus der Kaminröhre des Lug ins Land. Aus voller Brust holte Laurentia Athem, und freudig bewegte sich ihr Herz; sie wußte, daß dem Liebsten kein Unheil geschehen war in dieser bösen Nacht.

Die Seele des Mädchens war so frei und leicht, daß sie sich selbst darüber verwunderte; solche fröhliche Laune kam der Armen so selten, daß sie ihr als etwas unbeschreiblich Unbekanntes und Fremdes erschien. In dieser Stimmung trug sie nach des Hauses Gewohnheit die Morgensuppe in des Vaters Stube, wunderte sich auch nicht allzu sehr, als sie dieselbe leer fand. Das kam öfters vor. Manches festverschlossene Gemach hatte der alte Heyliger in seinem zerrütteten Geiste zu bewachen; so konnte er auch jetzt irgendwo nachschauen in einem Winkel, ob nach dem nächtlichen Getöse noch alle verborgenen Schätze und Heimlichkeiten an ihren rechten Orten sich befanden; ob da nicht ähnliche und schlimmere Verwüstungen angerichtet seien, wie sonst im Hause.

Nieder saß Laurentra Heyligerin und wartete auf den Vater, und im Warten spann sie von Neuem an den Traumbildern, welche ihr der Schlaf gebracht hatte.

dort doch am meisten freie Bahn gehabt. Des Scharfrichters Haus drüben ist fast ganz ruiniret.

Durch das niedere Küchenfenster warf Laurentia einen schnellen, scheuen, ängstlichen Blick über den Garten, in welchem die meisten Bäume zu Boden lagen, nach dem alten Wartthurm, dem Aufenthalt des Geliebten. Thurm und Höhe lagen im schönsten Sonnenschein, und blauer Rauch kräuselte aus der Kaminröhre des Lug ins Land. Aus voller Brust holte Laurentia Athem, und freudig bewegte sich ihr Herz; sie wußte, daß dem Liebsten kein Unheil geschehen war in dieser bösen Nacht.

Die Seele des Mädchens war so frei und leicht, daß sie sich selbst darüber verwunderte; solche fröhliche Laune kam der Armen so selten, daß sie ihr als etwas unbeschreiblich Unbekanntes und Fremdes erschien. In dieser Stimmung trug sie nach des Hauses Gewohnheit die Morgensuppe in des Vaters Stube, wunderte sich auch nicht allzu sehr, als sie dieselbe leer fand. Das kam öfters vor. Manches festverschlossene Gemach hatte der alte Heyliger in seinem zerrütteten Geiste zu bewachen; so konnte er auch jetzt irgendwo nachschauen in einem Winkel, ob nach dem nächtlichen Getöse noch alle verborgenen Schätze und Heimlichkeiten an ihren rechten Orten sich befanden; ob da nicht ähnliche und schlimmere Verwüstungen angerichtet seien, wie sonst im Hause.

Nieder saß Laurentra Heyligerin und wartete auf den Vater, und im Warten spann sie von Neuem an den Traumbildern, welche ihr der Schlaf gebracht hatte.

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[0056] dort doch am meisten freie Bahn gehabt. Des Scharfrichters Haus drüben ist fast ganz ruiniret. Durch das niedere Küchenfenster warf Laurentia einen schnellen, scheuen, ängstlichen Blick über den Garten, in welchem die meisten Bäume zu Boden lagen, nach dem alten Wartthurm, dem Aufenthalt des Geliebten. Thurm und Höhe lagen im schönsten Sonnenschein, und blauer Rauch kräuselte aus der Kaminröhre des Lug ins Land. Aus voller Brust holte Laurentia Athem, und freudig bewegte sich ihr Herz; sie wußte, daß dem Liebsten kein Unheil geschehen war in dieser bösen Nacht. Die Seele des Mädchens war so frei und leicht, daß sie sich selbst darüber verwunderte; solche fröhliche Laune kam der Armen so selten, daß sie ihr als etwas unbeschreiblich Unbekanntes und Fremdes erschien. In dieser Stimmung trug sie nach des Hauses Gewohnheit die Morgensuppe in des Vaters Stube, wunderte sich auch nicht allzu sehr, als sie dieselbe leer fand. Das kam öfters vor. Manches festverschlossene Gemach hatte der alte Heyliger in seinem zerrütteten Geiste zu bewachen; so konnte er auch jetzt irgendwo nachschauen in einem Winkel, ob nach dem nächtlichen Getöse noch alle verborgenen Schätze und Heimlichkeiten an ihren rechten Orten sich befanden; ob da nicht ähnliche und schlimmere Verwüstungen angerichtet seien, wie sonst im Hause. Nieder saß Laurentra Heyligerin und wartete auf den Vater, und im Warten spann sie von Neuem an den Traumbildern, welche ihr der Schlaf gebracht hatte.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T09:56:25Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T09:56:25Z)

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/56>, abgerufen am 23.11.2024.