stehet und zum Fenster heraussiehet; als er aber nie¬ mand siehet noch höret, fället er in große Wehmuth, betet und befiehlt sich Gott; des folgenden Tages er¬ griffen ihn die Kayserlichen Trabanten um 10 Uhr und hieben ihn samt siebenundzwanzig Bürgern niedern. -- Anno 1686 wurde Magister Benjamin Heyde, Ober¬ pfarrer in Schneeberg, frühe, da er predigen sollen, in seinem Bette todt gefunden. Abends zuvor rufte drei¬ mal eine Stimme, welche seiner ersten Frauen Stimme gleichete: Herr! Herr! Herr! worauf denn sein Tod er¬ folget."
Bei der letzten Historie schüttelte der Magister Noah Buchius zu Amelungsborn den Kopf, der Rabe im Winkel aber hielt sich still.
"Als der König der Schweden Gustaphus Adolphus vor Lützen todt geblieben, hat sich über dem Schlosse zu Stockholm in der Luft eine Jungfrau sehen lassen, welche in der einen Hand eine brennende Fackel, in der andern ein Schnupftuch gehalten. Gleich darauf haben sich alle Thurm-Thüren, obgleich mit festen Riegeln und Schlössern verwahrt, von selbsten geöffnet, und endlich haben alle Glocken in ganz Smalland zu leuten angefangen. -- Als Barnimus, Herzog in Pom¬ mern im 27. Jahre seines Alters in der Odersburg vor Stettin gestorben, so sind kurz nach seinem Tode alle verguldeten Knöpfe auf den Gebäuden in einer Nacht ganz schwarz geworden. -- So hat sich auch zu Osnabrück begeben, daß da ein Studiosus medicinae
Raabe, das Odfeld. 6
ſtehet und zum Fenſter herausſiehet; als er aber nie¬ mand ſiehet noch höret, fället er in große Wehmuth, betet und befiehlt ſich Gott; des folgenden Tages er¬ griffen ihn die Kayſerlichen Trabanten um 10 Uhr und hieben ihn ſamt ſiebenundzwanzig Bürgern niedern. — Anno 1686 wurde Magiſter Benjamin Heyde, Ober¬ pfarrer in Schneeberg, frühe, da er predigen ſollen, in ſeinem Bette todt gefunden. Abends zuvor rufte drei¬ mal eine Stimme, welche ſeiner erſten Frauen Stimme gleichete: Herr! Herr! Herr! worauf denn ſein Tod er¬ folget.“
Bei der letzten Hiſtorie ſchüttelte der Magiſter Noah Buchius zu Amelungsborn den Kopf, der Rabe im Winkel aber hielt ſich ſtill.
„Als der König der Schweden Gustaphus Adolphus vor Lützen todt geblieben, hat ſich über dem Schloſſe zu Stockholm in der Luft eine Jungfrau ſehen laſſen, welche in der einen Hand eine brennende Fackel, in der andern ein Schnupftuch gehalten. Gleich darauf haben ſich alle Thurm-Thüren, obgleich mit feſten Riegeln und Schlöſſern verwahrt, von ſelbſten geöffnet, und endlich haben alle Glocken in ganz Smalland zu leuten angefangen. — Als Barnimus, Herzog in Pom¬ mern im 27. Jahre ſeines Alters in der Odersburg vor Stettin geſtorben, ſo ſind kurz nach ſeinem Tode alle verguldeten Knöpfe auf den Gebäuden in einer Nacht ganz ſchwarz geworden. — So hat ſich auch zu Osnabrück begeben, daß da ein Studiosus medicinae
Raabe, das Odfeld. 6
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ſtehet und zum Fenſter herausſiehet; als er aber nie¬
mand ſiehet noch höret, fället er in große Wehmuth,
betet und befiehlt ſich Gott; des folgenden Tages er¬
griffen ihn die Kayſerlichen Trabanten um 10 Uhr und
hieben ihn ſamt ſiebenundzwanzig Bürgern niedern. —
Anno 1686 wurde Magiſter Benjamin Heyde, Ober¬
pfarrer in Schneeberg, frühe, da er predigen ſollen, in
ſeinem Bette todt gefunden. Abends zuvor rufte drei¬
mal eine Stimme, welche ſeiner erſten Frauen Stimme
gleichete: Herr! Herr! Herr! worauf denn ſein Tod er¬
folget.“
Bei der letzten Hiſtorie ſchüttelte der Magiſter Noah
Buchius zu Amelungsborn den Kopf, der Rabe im
Winkel aber hielt ſich ſtill.
„Als der König der Schweden Gustaphus Adolphus
vor Lützen todt geblieben, hat ſich über dem Schloſſe
zu Stockholm in der Luft eine Jungfrau ſehen laſſen,
welche in der einen Hand eine brennende Fackel, in
der andern ein Schnupftuch gehalten. Gleich darauf
haben ſich alle Thurm-Thüren, obgleich mit feſten
Riegeln und Schlöſſern verwahrt, von ſelbſten geöffnet,
und endlich haben alle Glocken in ganz Smalland zu
leuten angefangen. — Als Barnimus, Herzog in Pom¬
mern im 27. Jahre ſeines Alters in der Odersburg
vor Stettin geſtorben, ſo ſind kurz nach ſeinem Tode
alle verguldeten Knöpfe auf den Gebäuden in einer
Nacht ganz ſchwarz geworden. — So hat ſich auch zu
Osnabrück begeben, daß da ein Studiosus medicinae
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/89>, abgerufen am 16.02.2025.
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