Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

digers Theodori Kampf Wunderbaren Todes-Boten
zu sich heran, und schlug ihn auf bei der dritten Frage
im zweiten Kapitel: "Ob das Hundeheulen, Eulen und
Leichhünerschreyen von Gott oder vom Teufel?"

Mit kopfschüttelndem Lächeln schob er das Buch
wieder zurück und citirte:

"Quis dedit gallo intelligentiam? Wer gab dem
Hahnen das Verständniß?"

"Krah!" murmelte der Schwarze im Ofenwinkel
und schien seinerseits im unruhigen Traum die Schlacht
vom Abend noch einmal durchzufechten. Der Magister
aber fuhr ob des Tones erschreckt auf und um
und rief:

"Merkest Du schon, Kumpan, daß auch von Dir
die Rede sein mag? Oder -- meldest Du Dich mir
selber als ein Zeichen vom Willen des Herrn, das ich mir
unbewußt heute Abend vom Blachfeld auf die Stube ge¬
tragen habe? Wächset mir, wie hier auf Seite Vierzig
dem wohlangesehenen Mann zu Osnabrück, den Herr
Kampf selbst gekannt hat, ein Sarg in der Hand?"

"Krah!" sprach der Rabe, doch Magister Buchius
winkte ihm ab und sprach lächelnd mit einer Gelassen¬
heit, die freilich mehr aus dem Lucius Annäus Seneca
als aus dem Iburgschen Hofprediger Theodor Kampfius
stammte: "Nun, es wäre in solchen Zeiten schon etwas,
in diesen Tagen nicht in die Erde oder gar den Bauch
Deiner Brüder zu kommen, wie die Hunderttausend
draußen! Hm, hm, wie doch des Menschen Selbstsucht

digers Theodori Kampf Wunderbaren Todes-Boten
zu ſich heran, und ſchlug ihn auf bei der dritten Frage
im zweiten Kapitel: „Ob das Hundeheulen, Eulen und
Leichhünerſchreyen von Gott oder vom Teufel?“

Mit kopfſchüttelndem Lächeln ſchob er das Buch
wieder zurück und citirte:

„Quis dedit gallo intelligentiam? Wer gab dem
Hahnen das Verſtändniß?“

„Krah!“ murmelte der Schwarze im Ofenwinkel
und ſchien ſeinerſeits im unruhigen Traum die Schlacht
vom Abend noch einmal durchzufechten. Der Magiſter
aber fuhr ob des Tones erſchreckt auf und um
und rief:

„Merkeſt Du ſchon, Kumpan, daß auch von Dir
die Rede ſein mag? Oder — meldeſt Du Dich mir
ſelber als ein Zeichen vom Willen des Herrn, das ich mir
unbewußt heute Abend vom Blachfeld auf die Stube ge¬
tragen habe? Wächſet mir, wie hier auf Seite Vierzig
dem wohlangeſehenen Mann zu Osnabrück, den Herr
Kampf ſelbſt gekannt hat, ein Sarg in der Hand?“

„Krah!“ ſprach der Rabe, doch Magiſter Buchius
winkte ihm ab und ſprach lächelnd mit einer Gelaſſen¬
heit, die freilich mehr aus dem Lucius Annäus Seneca
als aus dem Iburgſchen Hofprediger Theodor Kampfius
ſtammte: „Nun, es wäre in ſolchen Zeiten ſchon etwas,
in dieſen Tagen nicht in die Erde oder gar den Bauch
Deiner Brüder zu kommen, wie die Hunderttauſend
draußen! Hm, hm, wie doch des Menſchen Selbſtſucht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0085" n="77"/>
digers Theodori Kampf Wunderbaren Todes-Boten<lb/>
zu &#x017F;ich heran, und &#x017F;chlug ihn auf bei der dritten Frage<lb/>
im zweiten Kapitel: &#x201E;Ob das Hundeheulen, Eulen und<lb/>
Leichhüner&#x017F;chreyen von Gott oder vom Teufel?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Mit kopf&#x017F;chüttelndem Lächeln &#x017F;chob er das Buch<lb/>
wieder zurück und citirte:</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq">&#x201E;Quis dedit gallo intelligentiam?</hi> Wer gab dem<lb/>
Hahnen das Ver&#x017F;tändniß?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Krah!&#x201C; murmelte der Schwarze im Ofenwinkel<lb/>
und &#x017F;chien &#x017F;einer&#x017F;eits im unruhigen Traum die Schlacht<lb/>
vom Abend noch einmal durchzufechten. Der Magi&#x017F;ter<lb/>
aber fuhr ob des Tones er&#x017F;chreckt auf und um<lb/>
und rief:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Merke&#x017F;t Du &#x017F;chon, Kumpan, daß auch von Dir<lb/>
die Rede &#x017F;ein mag? Oder &#x2014; melde&#x017F;t Du Dich mir<lb/>
&#x017F;elber als ein Zeichen vom Willen des Herrn, das ich mir<lb/>
unbewußt heute Abend vom Blachfeld auf die Stube ge¬<lb/>
tragen habe? Wäch&#x017F;et mir, wie hier auf Seite Vierzig<lb/>
dem wohlange&#x017F;ehenen Mann zu Osnabrück, den Herr<lb/>
Kampf &#x017F;elb&#x017F;t gekannt hat, ein Sarg in der Hand?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Krah!&#x201C; &#x017F;prach der Rabe, doch Magi&#x017F;ter Buchius<lb/>
winkte ihm ab und &#x017F;prach lächelnd mit einer Gela&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
heit, die freilich mehr aus dem Lucius Annäus Seneca<lb/>
als aus dem Iburg&#x017F;chen Hofprediger Theodor Kampfius<lb/>
&#x017F;tammte: &#x201E;Nun, es wäre in &#x017F;olchen Zeiten &#x017F;chon etwas,<lb/>
in die&#x017F;en Tagen nicht in die Erde oder gar den Bauch<lb/>
Deiner Brüder zu kommen, wie die Hunderttau&#x017F;end<lb/>
draußen! Hm, hm, wie doch des Men&#x017F;chen Selb&#x017F;t&#x017F;ucht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0085] digers Theodori Kampf Wunderbaren Todes-Boten zu ſich heran, und ſchlug ihn auf bei der dritten Frage im zweiten Kapitel: „Ob das Hundeheulen, Eulen und Leichhünerſchreyen von Gott oder vom Teufel?“ Mit kopfſchüttelndem Lächeln ſchob er das Buch wieder zurück und citirte: „Quis dedit gallo intelligentiam? Wer gab dem Hahnen das Verſtändniß?“ „Krah!“ murmelte der Schwarze im Ofenwinkel und ſchien ſeinerſeits im unruhigen Traum die Schlacht vom Abend noch einmal durchzufechten. Der Magiſter aber fuhr ob des Tones erſchreckt auf und um und rief: „Merkeſt Du ſchon, Kumpan, daß auch von Dir die Rede ſein mag? Oder — meldeſt Du Dich mir ſelber als ein Zeichen vom Willen des Herrn, das ich mir unbewußt heute Abend vom Blachfeld auf die Stube ge¬ tragen habe? Wächſet mir, wie hier auf Seite Vierzig dem wohlangeſehenen Mann zu Osnabrück, den Herr Kampf ſelbſt gekannt hat, ein Sarg in der Hand?“ „Krah!“ ſprach der Rabe, doch Magiſter Buchius winkte ihm ab und ſprach lächelnd mit einer Gelaſſen¬ heit, die freilich mehr aus dem Lucius Annäus Seneca als aus dem Iburgſchen Hofprediger Theodor Kampfius ſtammte: „Nun, es wäre in ſolchen Zeiten ſchon etwas, in dieſen Tagen nicht in die Erde oder gar den Bauch Deiner Brüder zu kommen, wie die Hunderttauſend draußen! Hm, hm, wie doch des Menſchen Selbſtſucht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/85
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/85>, abgerufen am 28.03.2024.