schicken und nicht bloß in den unserer mit uns ge¬ peinigten Brüder und Schwestern im Jammer, in der Noth und in der Hitze, Kälte und Nässe dieser Erden."
Aber nicht weit von dem Ort, wo sie wieder auf den ersten Gefallenen aus der Rabenschlacht auf dem Odfelde gestoßen waren, stieß auch der Magister Buchius einen Schrei aus, jammervoller als der der schönen Mademoiselle Selinde, und wahrlich mit größerer Be¬ rechtigung als sie dazu. Und mit ihm schrieen die beiden Mädchen kreischend auf, und Knecht Heinrich stürzte mit einem heulenden Klagelaut und einem Fluche vorwärts auf die Knie zwischen die herbstlichen Ginster¬ büsche, die Binsen und das Haidekraut des Odfeldes:
"Unser Junker! unser Junker! Herr Magister, Herr Magister, unser Thedel, unser liebster, junger Herr! Herr Magister, ist's denn die Möglichkeit, daß so der Teufel die Oberhand unter unseres Herrgotts Regiment behält? Es ist unser Junker von Münchhausen; -- greift Alle mit an, daß wir den Gaul von ihm weg¬ heben."
Ja, sie mußten Alle mit zugreifen: der alte Schul¬ meister mit seinen hageren zitternden Pfoten, die wunderschöne Mamsell Selinde Fegebanck, und das gute Wieschen. Er, der Junker Thedel von Münchhausen lag mit einem letzten im Tode erstarrten lustigen Lachen auf dem Knabengesicht unter dem schweren englän¬ dischen Reiterpferd. Man sah es ihm an, daß er noch sein fröhlich Theil an der Franzosenjagd genommen
18*
ſchicken und nicht bloß in den unſerer mit uns ge¬ peinigten Brüder und Schweſtern im Jammer, in der Noth und in der Hitze, Kälte und Näſſe dieſer Erden.“
Aber nicht weit von dem Ort, wo ſie wieder auf den erſten Gefallenen aus der Rabenſchlacht auf dem Odfelde geſtoßen waren, ſtieß auch der Magiſter Buchius einen Schrei aus, jammervoller als der der ſchönen Mademoiſelle Selinde, und wahrlich mit größerer Be¬ rechtigung als ſie dazu. Und mit ihm ſchrieen die beiden Mädchen kreiſchend auf, und Knecht Heinrich ſtürzte mit einem heulenden Klagelaut und einem Fluche vorwärts auf die Knie zwiſchen die herbſtlichen Ginſter¬ büſche, die Binſen und das Haidekraut des Odfeldes:
„Unſer Junker! unſer Junker! Herr Magiſter, Herr Magiſter, unſer Thedel, unſer liebſter, junger Herr! Herr Magiſter, iſt's denn die Möglichkeit, daß ſo der Teufel die Oberhand unter unſeres Herrgotts Regiment behält? Es iſt unſer Junker von Münchhauſen; — greift Alle mit an, daß wir den Gaul von ihm weg¬ heben.“
Ja, ſie mußten Alle mit zugreifen: der alte Schul¬ meiſter mit ſeinen hageren zitternden Pfoten, die wunderſchöne Mamſell Selinde Fegebanck, und das gute Wieſchen. Er, der Junker Thedel von Münchhauſen lag mit einem letzten im Tode erſtarrten luſtigen Lachen auf dem Knabengeſicht unter dem ſchweren englän¬ diſchen Reiterpferd. Man ſah es ihm an, daß er noch ſein fröhlich Theil an der Franzoſenjagd genommen
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ſchicken und nicht bloß in den unſerer mit uns ge¬
peinigten Brüder und Schweſtern im Jammer, in der
Noth und in der Hitze, Kälte und Näſſe dieſer Erden.“
Aber nicht weit von dem Ort, wo ſie wieder auf
den erſten Gefallenen aus der Rabenſchlacht auf dem
Odfelde geſtoßen waren, ſtieß auch der Magiſter Buchius
einen Schrei aus, jammervoller als der der ſchönen
Mademoiſelle Selinde, und wahrlich mit größerer Be¬
rechtigung als ſie dazu. Und mit ihm ſchrieen die
beiden Mädchen kreiſchend auf, und Knecht Heinrich
ſtürzte mit einem heulenden Klagelaut und einem Fluche
vorwärts auf die Knie zwiſchen die herbſtlichen Ginſter¬
büſche, die Binſen und das Haidekraut des Odfeldes:
„Unſer Junker! unſer Junker! Herr Magiſter,
Herr Magiſter, unſer Thedel, unſer liebſter, junger Herr!
Herr Magiſter, iſt's denn die Möglichkeit, daß ſo der
Teufel die Oberhand unter unſeres Herrgotts Regiment
behält? Es iſt unſer Junker von Münchhauſen; —
greift Alle mit an, daß wir den Gaul von ihm weg¬
heben.“
Ja, ſie mußten Alle mit zugreifen: der alte Schul¬
meiſter mit ſeinen hageren zitternden Pfoten, die
wunderſchöne Mamſell Selinde Fegebanck, und das gute
Wieſchen. Er, der Junker Thedel von Münchhauſen
lag mit einem letzten im Tode erſtarrten luſtigen Lachen
auf dem Knabengeſicht unter dem ſchweren englän¬
diſchen Reiterpferd. Man ſah es ihm an, daß er noch
ſein fröhlich Theil an der Franzoſenjagd genommen
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/283>, abgerufen am 16.02.2025.
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