Pferde Schutz gesucht und in der Nässe und im scharfen Herbstwinde sich zusammengekauert hatten!
Der Regen hatte um diese Zeit wohl aufgehört, aber der Wind war bissiger und bissiger geworden und trieb fort und fort dunkles, zerrissenes Gewölk vom Hils gegen die Weser, und den Brandqualm vom Lager des Herrn Marquis von Poyanne und aus den Defiles bei Stadtoldendorf dem Herrn Generallieutenant von Hardenberg grade in's Gesicht -- wenn er noch im Anmarsch sein sollte. Der Herzog sah immer noch nach derselben Richtung und griff nur von Zeit zu Zeit mechanisch an den Hut, wenn ihn die im ununterbroche¬ nen Zuge an ihm vorbei gegen den Hils marschirenden einheimischen und fremdländischen Truppen durch wilde Zurufe grüßten. Westphalen, der treue Mann, blickte mit immer größerer Sorge auf seinen Herrn. Er sah ihn unter den Nachwirkungen des bösen Fiebers von Ohr frösteln, ach, und er kannte nur zu gut den Cha¬ rakterunterschied zwischen seinem großen Feldherrn, dem kriegsgewaltigen Schützer des deutschen Westens, und jenem im Osten, der eben vielleicht wieder einmal auf einem seiner Schlachtfelder mit erhobenem Krückstock grollte:
"Wollen die Racker denn ewig leben?"...!
Ganz vergeblich wendete sich Westphalen auf seinem Sattel und sah sich nach einem Trost und einer Auf¬ richtung unter den engländischen, schottischen, bückeburgi¬ schen, hannöverschen, hessischen, braunschweigischen,
Pferde Schutz geſucht und in der Näſſe und im ſcharfen Herbſtwinde ſich zuſammengekauert hatten!
Der Regen hatte um dieſe Zeit wohl aufgehört, aber der Wind war biſſiger und biſſiger geworden und trieb fort und fort dunkles, zerriſſenes Gewölk vom Hils gegen die Weſer, und den Brandqualm vom Lager des Herrn Marquis von Poyanne und aus den Defilés bei Stadtoldendorf dem Herrn Generallieutenant von Hardenberg grade in's Geſicht — wenn er noch im Anmarſch ſein ſollte. Der Herzog ſah immer noch nach derſelben Richtung und griff nur von Zeit zu Zeit mechaniſch an den Hut, wenn ihn die im ununterbroche¬ nen Zuge an ihm vorbei gegen den Hils marſchirenden einheimiſchen und fremdländiſchen Truppen durch wilde Zurufe grüßten. Weſtphalen, der treue Mann, blickte mit immer größerer Sorge auf ſeinen Herrn. Er ſah ihn unter den Nachwirkungen des böſen Fiebers von Ohr fröſteln, ach, und er kannte nur zu gut den Cha¬ rakterunterſchied zwiſchen ſeinem großen Feldherrn, dem kriegsgewaltigen Schützer des deutſchen Weſtens, und jenem im Oſten, der eben vielleicht wieder einmal auf einem ſeiner Schlachtfelder mit erhobenem Krückſtock grollte:
„Wollen die Racker denn ewig leben?“...!
Ganz vergeblich wendete ſich Weſtphalen auf ſeinem Sattel und ſah ſich nach einem Troſt und einer Auf¬ richtung unter den engländiſchen, ſchottiſchen, bückeburgi¬ ſchen, hannöverſchen, heſſiſchen, braunſchweigiſchen,
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Pferde Schutz geſucht und in der Näſſe und im ſcharfen
Herbſtwinde ſich zuſammengekauert hatten!
Der Regen hatte um dieſe Zeit wohl aufgehört,
aber der Wind war biſſiger und biſſiger geworden und
trieb fort und fort dunkles, zerriſſenes Gewölk vom
Hils gegen die Weſer, und den Brandqualm vom
Lager des Herrn Marquis von Poyanne und aus den
Defilés bei Stadtoldendorf dem Herrn Generallieutenant
von Hardenberg grade in's Geſicht — wenn er noch
im Anmarſch ſein ſollte. Der Herzog ſah immer noch
nach derſelben Richtung und griff nur von Zeit zu Zeit
mechaniſch an den Hut, wenn ihn die im ununterbroche¬
nen Zuge an ihm vorbei gegen den Hils marſchirenden
einheimiſchen und fremdländiſchen Truppen durch wilde
Zurufe grüßten. Weſtphalen, der treue Mann, blickte
mit immer größerer Sorge auf ſeinen Herrn. Er ſah
ihn unter den Nachwirkungen des böſen Fiebers von
Ohr fröſteln, ach, und er kannte nur zu gut den Cha¬
rakterunterſchied zwiſchen ſeinem großen Feldherrn, dem
kriegsgewaltigen Schützer des deutſchen Weſtens, und
jenem im Oſten, der eben vielleicht wieder einmal auf
einem ſeiner Schlachtfelder mit erhobenem Krückſtock
grollte:
„Wollen die Racker denn ewig leben?“...!
Ganz vergeblich wendete ſich Weſtphalen auf ſeinem
Sattel und ſah ſich nach einem Troſt und einer Auf¬
richtung unter den engländiſchen, ſchottiſchen, bückeburgi¬
ſchen, hannöverſchen, heſſiſchen, braunſchweigiſchen,
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/244>, abgerufen am 05.07.2024.
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