das Ohr hält, von Ferne her ein geheimnißvolleres, tiefgründigeres Tönen, Sausen und Brausen.
Man kann dann und wann sogar über seiner Ma¬ terie, seinem gelehrten Rüstzeug auf beiden Armen liegend, gründlich gelangweilt einschlafen und beim Wiedererwachen zu seiner Verwunderung bemerken, daß man doch etwas gelernt habe, zum Weitergeben an Andere. Auch in dieser Hinsicht bescheert es der Herr¬ gott den Seinen nicht selten im Traum; und es ist oft nicht das Schlechteste, was so den Lesern zufällt -- und auch dem Geschichts- und Geschichten-Schreiber, falls er nur nachher eben bei seinem Niederschreiben die Augen offen und die Feder fest in der Hand be¬ halten hat.
Schon Cajus Cornelius Tacitus soll die Gegend um den Ith gekannt haben, wenn auch nicht aus per¬ sönlicher Anschauung. Er soll von dem Odfelde -- Cam¬ pus Odini, und von dem Vogler -- mons Fugleri reden. Dieses lassen wir auf sich beruhen; aber die Gegend ist allzu fett und fein, als daß sie nicht gleichfalls der Tummelplatz vieler menschlicher Begehrlichkeit und als Wahlstätte weltgeschichtlicher Katzbalgereien hergehalten haben sollte.
Römer haben sich ziemlich sicher hier auf Wodans Felde mit Cheruskern gezerrt und gezogen, Franken mit Sachsen und die Sachsen sich sehr untereinander. Die alte Köln-Berliner Landstraße läuft nicht umsonst über das Odfeld, vorbei an dem Quadhagen: Ost und Westen
das Ohr hält, von Ferne her ein geheimnißvolleres, tiefgründigeres Tönen, Sauſen und Brauſen.
Man kann dann und wann ſogar über ſeiner Ma¬ terie, ſeinem gelehrten Rüſtzeug auf beiden Armen liegend, gründlich gelangweilt einſchlafen und beim Wiedererwachen zu ſeiner Verwunderung bemerken, daß man doch etwas gelernt habe, zum Weitergeben an Andere. Auch in dieſer Hinſicht beſcheert es der Herr¬ gott den Seinen nicht ſelten im Traum; und es iſt oft nicht das Schlechteſte, was ſo den Leſern zufällt — und auch dem Geſchichts- und Geſchichten-Schreiber, falls er nur nachher eben bei ſeinem Niederſchreiben die Augen offen und die Feder feſt in der Hand be¬ halten hat.
Schon Cajus Cornelius Tacitus ſoll die Gegend um den Ith gekannt haben, wenn auch nicht aus per¬ ſönlicher Anſchauung. Er ſoll von dem Odfelde — Cam¬ pus Odini, und von dem Vogler — mons Fugleri reden. Dieſes laſſen wir auf ſich beruhen; aber die Gegend iſt allzu fett und fein, als daß ſie nicht gleichfalls der Tummelplatz vieler menſchlicher Begehrlichkeit und als Wahlſtätte weltgeſchichtlicher Katzbalgereien hergehalten haben ſollte.
Römer haben ſich ziemlich ſicher hier auf Wodans Felde mit Cheruskern gezerrt und gezogen, Franken mit Sachſen und die Sachſen ſich ſehr untereinander. Die alte Köln-Berliner Landſtraße läuft nicht umſonſt über das Odfeld, vorbei an dem Quadhagen: Oſt und Weſten
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das Ohr hält, von Ferne her ein geheimnißvolleres,
tiefgründigeres Tönen, Sauſen und Brauſen.
Man kann dann und wann ſogar über ſeiner Ma¬
terie, ſeinem gelehrten Rüſtzeug auf beiden Armen
liegend, gründlich gelangweilt einſchlafen und beim
Wiedererwachen zu ſeiner Verwunderung bemerken, daß
man doch etwas gelernt habe, zum Weitergeben an
Andere. Auch in dieſer Hinſicht beſcheert es der Herr¬
gott den Seinen nicht ſelten im Traum; und es iſt oft
nicht das Schlechteſte, was ſo den Leſern zufällt —
und auch dem Geſchichts- und Geſchichten-Schreiber,
falls er nur nachher eben bei ſeinem Niederſchreiben
die Augen offen und die Feder feſt in der Hand be¬
halten hat.
Schon Cajus Cornelius Tacitus ſoll die Gegend
um den Ith gekannt haben, wenn auch nicht aus per¬
ſönlicher Anſchauung. Er ſoll von dem Odfelde — Cam¬
pus Odini, und von dem Vogler — mons Fugleri reden.
Dieſes laſſen wir auf ſich beruhen; aber die Gegend
iſt allzu fett und fein, als daß ſie nicht gleichfalls der
Tummelplatz vieler menſchlicher Begehrlichkeit und als
Wahlſtätte weltgeſchichtlicher Katzbalgereien hergehalten
haben ſollte.
Römer haben ſich ziemlich ſicher hier auf Wodans
Felde mit Cheruskern gezerrt und gezogen, Franken mit
Sachſen und die Sachſen ſich ſehr untereinander. Die
alte Köln-Berliner Landſtraße läuft nicht umſonſt über
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/10>, abgerufen am 05.07.2024.
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