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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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und begrüßte das himmlische Licht -- Schiller ist
nicht unten gewesen, sonst würde sein Taucher¬
gedicht um ein Merkliches kürzer sein und sich
wahrscheinlich auf ein ,Brr! Pfui Deubel!'
beschränken, höchstens mit dem Zusatz: ,Lieber
nicht zum zweiten Mal!' Daß wir -- Schlappe
und ich, nicht länger unten blieben, als nöthig
war, kann uns kein Mensch verdenken. Kurz,
also ich brachte die Honoratiorenpuppe glücklich
wieder zu Tage, fand das halbe Residenznest in
vorsichtiger Entfernung um die Bruchstelle ver¬
sammelt: von dem Rest schweigt des Sängers
Bescheidenheit. So dumme verbrüllte Frauen¬
zimmergesichter, wie die des Vogelsangs, möchte
ich aber doch nicht gern wieder um mich sehen --
um den gloriosesten Schnupfen in der Welt
nicht! Sie sämmtlich mit strömenden Augen, ich
mit fließender Nase und etwas verkrackeltem
linkem Handgelenk.

Volle vierzehn Tage hat es gedauert, bis
die Arche wieder auf dem Trockenen saß. Meine
Alte war selbstverständlich die Erste, die den
Fuß wieder auf festen Boden setzte und meinte:
,Junge, wenn es nun nicht so gut für uns ab¬
gelaufen wäre?'

und begrüßte das himmliſche Licht — Schiller iſt
nicht unten geweſen, ſonſt würde ſein Taucher¬
gedicht um ein Merkliches kürzer ſein und ſich
wahrſcheinlich auf ein ‚Brr! Pfui Deubel!‘
beſchränken, höchſtens mit dem Zuſatz: ‚Lieber
nicht zum zweiten Mal!‘ Daß wir — Schlappe
und ich, nicht länger unten blieben, als nöthig
war, kann uns kein Menſch verdenken. Kurz,
alſo ich brachte die Honoratiorenpuppe glücklich
wieder zu Tage, fand das halbe Reſidenzneſt in
vorſichtiger Entfernung um die Bruchſtelle ver¬
ſammelt: von dem Reſt ſchweigt des Sängers
Beſcheidenheit. So dumme verbrüllte Frauen¬
zimmergeſichter, wie die des Vogelſangs, möchte
ich aber doch nicht gern wieder um mich ſehen —
um den glorioſeſten Schnupfen in der Welt
nicht! Sie ſämmtlich mit ſtrömenden Augen, ich
mit fließender Naſe und etwas verkrackeltem
linkem Handgelenk.

Volle vierzehn Tage hat es gedauert, bis
die Arche wieder auf dem Trockenen ſaß. Meine
Alte war ſelbſtverſtändlich die Erſte, die den
Fuß wieder auf feſten Boden ſetzte und meinte:
‚Junge, wenn es nun nicht ſo gut für uns ab¬
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[86/0096] und begrüßte das himmliſche Licht — Schiller iſt nicht unten geweſen, ſonſt würde ſein Taucher¬ gedicht um ein Merkliches kürzer ſein und ſich wahrſcheinlich auf ein ‚Brr! Pfui Deubel!‘ beſchränken, höchſtens mit dem Zuſatz: ‚Lieber nicht zum zweiten Mal!‘ Daß wir — Schlappe und ich, nicht länger unten blieben, als nöthig war, kann uns kein Menſch verdenken. Kurz, alſo ich brachte die Honoratiorenpuppe glücklich wieder zu Tage, fand das halbe Reſidenzneſt in vorſichtiger Entfernung um die Bruchſtelle ver¬ ſammelt: von dem Reſt ſchweigt des Sängers Beſcheidenheit. So dumme verbrüllte Frauen¬ zimmergeſichter, wie die des Vogelſangs, möchte ich aber doch nicht gern wieder um mich ſehen — um den glorioſeſten Schnupfen in der Welt nicht! Sie ſämmtlich mit ſtrömenden Augen, ich mit fließender Naſe und etwas verkrackeltem linkem Handgelenk. Volle vierzehn Tage hat es gedauert, bis die Arche wieder auf dem Trockenen ſaß. Meine Alte war ſelbſtverſtändlich die Erſte, die den Fuß wieder auf feſten Boden ſetzte und meinte: ‚Junge, wenn es nun nicht ſo gut für uns ab¬ gelaufen wäre?‘

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/96>, abgerufen am 23.11.2024.