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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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lächerlichen Residenzschloß da unten! Das sind ihre
Fenster -- seht ihr, und so sollen meine Spiegel¬
scheiben auch noch einmal leuchten, und noch viel
heller! Deine Mutter braucht keine Kronleuchter über
sich und keine türkischen Teppiche, und wäre sie meine
Mutter und ich ihr Kind, so wollte ich auch nichts
davon. Aber jetzt bin ich meines Vaters und meiner
Mutter Kind und eine freie Republikanerin und
Amerikanerin, und ich glaube an meinen Vater und
werde auch meine Salons haben und Bediente,
schwarze und weiße, Kammerfrauen und hohe Fenster,
Kronleuchter und Teppiche und Reitpferde und Wagen
und Pferde und meine Loge im Theater und alles
Andere! Ja, und nun geh nur hin, Velten, und
sage es Deiner Mutter, was ich gesagt habe und
daß alle ihre Güte und Lehre an mich weggeworfen
gewesen ist; aber sage ihr auch, daß ich so schreien
muß, ich weiß nicht was, nur weil ihr Alle, Alle
mich dazu getrieben habt, Jeder auf seine Art. Ach
Gott, was bin ich für ein armes Mädchen und so
unglücklich in der Welt!". . .

Vor einem Jahre noch würde Velten Andres,
kreischend vor Vergnügen ob dieses "himmlischen
Witzes", dieser "ausgezeichneten Komödie", sich auf
den Kopf vor der Bank auf dem Osterberge gestellt
haben. Jetzt war dem schon nicht mehr so. Er

lächerlichen Reſidenzſchloß da unten! Das ſind ihre
Fenſter — ſeht ihr, und ſo ſollen meine Spiegel¬
ſcheiben auch noch einmal leuchten, und noch viel
heller! Deine Mutter braucht keine Kronleuchter über
ſich und keine türkiſchen Teppiche, und wäre ſie meine
Mutter und ich ihr Kind, ſo wollte ich auch nichts
davon. Aber jetzt bin ich meines Vaters und meiner
Mutter Kind und eine freie Republikanerin und
Amerikanerin, und ich glaube an meinen Vater und
werde auch meine Salons haben und Bediente,
ſchwarze und weiße, Kammerfrauen und hohe Fenſter,
Kronleuchter und Teppiche und Reitpferde und Wagen
und Pferde und meine Loge im Theater und alles
Andere! Ja, und nun geh nur hin, Velten, und
ſage es Deiner Mutter, was ich geſagt habe und
daß alle ihre Güte und Lehre an mich weggeworfen
geweſen iſt; aber ſage ihr auch, daß ich ſo ſchreien
muß, ich weiß nicht was, nur weil ihr Alle, Alle
mich dazu getrieben habt, Jeder auf ſeine Art. Ach
Gott, was bin ich für ein armes Mädchen und ſo
unglücklich in der Welt!“. . .

Vor einem Jahre noch würde Velten Andres,
kreiſchend vor Vergnügen ob dieſes „himmliſchen
Witzes“, dieſer „ausgezeichneten Komödie“, ſich auf
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haben. Jetzt war dem ſchon nicht mehr ſo. Er

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[72/0082] lächerlichen Reſidenzſchloß da unten! Das ſind ihre Fenſter — ſeht ihr, und ſo ſollen meine Spiegel¬ ſcheiben auch noch einmal leuchten, und noch viel heller! Deine Mutter braucht keine Kronleuchter über ſich und keine türkiſchen Teppiche, und wäre ſie meine Mutter und ich ihr Kind, ſo wollte ich auch nichts davon. Aber jetzt bin ich meines Vaters und meiner Mutter Kind und eine freie Republikanerin und Amerikanerin, und ich glaube an meinen Vater und werde auch meine Salons haben und Bediente, ſchwarze und weiße, Kammerfrauen und hohe Fenſter, Kronleuchter und Teppiche und Reitpferde und Wagen und Pferde und meine Loge im Theater und alles Andere! Ja, und nun geh nur hin, Velten, und ſage es Deiner Mutter, was ich geſagt habe und daß alle ihre Güte und Lehre an mich weggeworfen geweſen iſt; aber ſage ihr auch, daß ich ſo ſchreien muß, ich weiß nicht was, nur weil ihr Alle, Alle mich dazu getrieben habt, Jeder auf ſeine Art. Ach Gott, was bin ich für ein armes Mädchen und ſo unglücklich in der Welt!“. . . Vor einem Jahre noch würde Velten Andres, kreiſchend vor Vergnügen ob dieſes „himmliſchen Witzes“, dieſer „ausgezeichneten Komödie“, ſich auf den Kopf vor der Bank auf dem Oſterberge geſtellt haben. Jetzt war dem ſchon nicht mehr ſo. Er

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/82>, abgerufen am 26.11.2024.