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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Kompresse für das geschwollene Sehorgan, sondern
auch noch mehr mit sanftüberredender Bitte im
Nachbarhause "einzuspringen", wie Velten sich aus¬
drückte.

"Meiner ist natürlich der Hauptsünder gewesen.
Sagen Sie es ihm nur ja recht ordentlich, Herr
Nachbar!" --

Mein wackerer, braver Vater! meine gute sorgen¬
volle Mutter! sie hatten wahrlich ihre täglichen und
nächtlichen Nöthe im Vogelsang. Leider aber tröstet
und erquickt den Menschen auf seinem Erdengange
auch die sicherste Gewißheit, daß er Recht habe, oder
es jedenfalls bekommen werde, wenig. Meine Eltern
hatten vollkommen Recht, und wußten das auch, aber
Genuß zogen sie kaum aus ihrem Wissen. Dieses
konnte sie nur darin bestärken, ihr eigen Fleisch und
Blut möglichst auf dem richtigen Wege zu erhalten,
auf daß und damit die Welt bestehe und ordnungs¬
gemäß an nachfolgende Geschlechter weitergegeben
werde. Nach besten, treuesten, sorglichsten Kräften
haben sie so an mir gethan, und -- gottlob, ich weiß,
daß meine Frau und meine Kinder mit ihren Er¬
ziehungsresultaten zufrieden sind. Sie sehen alle
mit Respekt zu dem alten Herrn Rath, dem "Großpapa",
über meinem Schreibtische auf, und meine Frau sagt
dann auch wohl lächelnd:

Kompreſſe für das geſchwollene Sehorgan, ſondern
auch noch mehr mit ſanftüberredender Bitte im
Nachbarhauſe „einzuſpringen“, wie Velten ſich aus¬
drückte.

„Meiner iſt natürlich der Hauptſünder geweſen.
Sagen Sie es ihm nur ja recht ordentlich, Herr
Nachbar!“ —

Mein wackerer, braver Vater! meine gute ſorgen¬
volle Mutter! ſie hatten wahrlich ihre täglichen und
nächtlichen Nöthe im Vogelſang. Leider aber tröſtet
und erquickt den Menſchen auf ſeinem Erdengange
auch die ſicherſte Gewißheit, daß er Recht habe, oder
es jedenfalls bekommen werde, wenig. Meine Eltern
hatten vollkommen Recht, und wußten das auch, aber
Genuß zogen ſie kaum aus ihrem Wiſſen. Dieſes
konnte ſie nur darin beſtärken, ihr eigen Fleiſch und
Blut möglichſt auf dem richtigen Wege zu erhalten,
auf daß und damit die Welt beſtehe und ordnungs¬
gemäß an nachfolgende Geſchlechter weitergegeben
werde. Nach beſten, treueſten, ſorglichſten Kräften
haben ſie ſo an mir gethan, und — gottlob, ich weiß,
daß meine Frau und meine Kinder mit ihren Er¬
ziehungsreſultaten zufrieden ſind. Sie ſehen alle
mit Reſpekt zu dem alten Herrn Rath, dem „Großpapa“,
über meinem Schreibtiſche auf, und meine Frau ſagt
dann auch wohl lächelnd:

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[44/0054] Kompreſſe für das geſchwollene Sehorgan, ſondern auch noch mehr mit ſanftüberredender Bitte im Nachbarhauſe „einzuſpringen“, wie Velten ſich aus¬ drückte. „Meiner iſt natürlich der Hauptſünder geweſen. Sagen Sie es ihm nur ja recht ordentlich, Herr Nachbar!“ — Mein wackerer, braver Vater! meine gute ſorgen¬ volle Mutter! ſie hatten wahrlich ihre täglichen und nächtlichen Nöthe im Vogelſang. Leider aber tröſtet und erquickt den Menſchen auf ſeinem Erdengange auch die ſicherſte Gewißheit, daß er Recht habe, oder es jedenfalls bekommen werde, wenig. Meine Eltern hatten vollkommen Recht, und wußten das auch, aber Genuß zogen ſie kaum aus ihrem Wiſſen. Dieſes konnte ſie nur darin beſtärken, ihr eigen Fleiſch und Blut möglichſt auf dem richtigen Wege zu erhalten, auf daß und damit die Welt beſtehe und ordnungs¬ gemäß an nachfolgende Geſchlechter weitergegeben werde. Nach beſten, treueſten, ſorglichſten Kräften haben ſie ſo an mir gethan, und — gottlob, ich weiß, daß meine Frau und meine Kinder mit ihren Er¬ ziehungsreſultaten zufrieden ſind. Sie ſehen alle mit Reſpekt zu dem alten Herrn Rath, dem „Großpapa“, über meinem Schreibtiſche auf, und meine Frau ſagt dann auch wohl lächelnd:

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/54>, abgerufen am 22.11.2024.