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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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"Wenn er sich gar nicht um es bekümmerte,
wollte ich gar nichts sagen," meinte sie oft voll¬
ständig entrüstet. "Das kann man von euch Manns¬
leuten eben nicht verlangen, wenn ihr nicht zufällig
persönlich dazu gehört. Aber die Art und Weise wie
er es mir aus den Kissen nimmt und es mir von hinten
und vorn besieht und die Nase rümpft und läster¬
lich lacht und den Kopf schüttelt und seine Reden
und Redensarten dabei, die lasse ich -- die lassen
wir -- wenigstens Ferdy und ich uns lieber nicht
gefallen. Und daß Du das oft so ruhig anhörst,
Männchen, begreife ich auch nicht. So ein armes,
herziges Geschöpfchen und noch dazu vor seiner Mutter
Ohren, einen Ausbund von einem Esel, einen Narren
zu nennen, der auch besser gethan hätte, zu bleiben,
wo er war, das schickt sich nicht, und mein Bruder
Ferdinand mit seinen dümmsten Witzen ist mir immer
noch lieber, als dieser Dein Freund, dem, leider
Gottes für ihn! sein Spaß so bitterer Ernst ist, daß
ich ihn bedaure und mir ganz schlecht zu Muthe wird
und ich ihm meinen Jungen sofort aus den Händen
risse, wenn er ihn, Gott sei Dank, nicht von selber
gleich wieder hergäbe!"

Eine Frau, die einen Freund ihres Mannes
nicht an der Wiege ihres Kindes leiden kann, ist
ein gewaltig hindernder Faktor in so einem Verkehr

„Wenn er ſich gar nicht um es bekümmerte,
wollte ich gar nichts ſagen,“ meinte ſie oft voll¬
ſtändig entrüſtet. „Das kann man von euch Manns¬
leuten eben nicht verlangen, wenn ihr nicht zufällig
perſönlich dazu gehört. Aber die Art und Weiſe wie
er es mir aus den Kiſſen nimmt und es mir von hinten
und vorn beſieht und die Naſe rümpft und läſter¬
lich lacht und den Kopf ſchüttelt und ſeine Reden
und Redensarten dabei, die laſſe ich — die laſſen
wir — wenigſtens Ferdy und ich uns lieber nicht
gefallen. Und daß Du das oft ſo ruhig anhörſt,
Männchen, begreife ich auch nicht. So ein armes,
herziges Geſchöpfchen und noch dazu vor ſeiner Mutter
Ohren, einen Ausbund von einem Eſel, einen Narren
zu nennen, der auch beſſer gethan hätte, zu bleiben,
wo er war, das ſchickt ſich nicht, und mein Bruder
Ferdinand mit ſeinen dümmſten Witzen iſt mir immer
noch lieber, als dieſer Dein Freund, dem, leider
Gottes für ihn! ſein Spaß ſo bitterer Ernſt iſt, daß
ich ihn bedaure und mir ganz ſchlecht zu Muthe wird
und ich ihm meinen Jungen ſofort aus den Händen
riſſe, wenn er ihn, Gott ſei Dank, nicht von ſelber
gleich wieder hergäbe!“

Eine Frau, die einen Freund ihres Mannes
nicht an der Wiege ihres Kindes leiden kann, iſt
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[242/0252] „Wenn er ſich gar nicht um es bekümmerte, wollte ich gar nichts ſagen,“ meinte ſie oft voll¬ ſtändig entrüſtet. „Das kann man von euch Manns¬ leuten eben nicht verlangen, wenn ihr nicht zufällig perſönlich dazu gehört. Aber die Art und Weiſe wie er es mir aus den Kiſſen nimmt und es mir von hinten und vorn beſieht und die Naſe rümpft und läſter¬ lich lacht und den Kopf ſchüttelt und ſeine Reden und Redensarten dabei, die laſſe ich — die laſſen wir — wenigſtens Ferdy und ich uns lieber nicht gefallen. Und daß Du das oft ſo ruhig anhörſt, Männchen, begreife ich auch nicht. So ein armes, herziges Geſchöpfchen und noch dazu vor ſeiner Mutter Ohren, einen Ausbund von einem Eſel, einen Narren zu nennen, der auch beſſer gethan hätte, zu bleiben, wo er war, das ſchickt ſich nicht, und mein Bruder Ferdinand mit ſeinen dümmſten Witzen iſt mir immer noch lieber, als dieſer Dein Freund, dem, leider Gottes für ihn! ſein Spaß ſo bitterer Ernſt iſt, daß ich ihn bedaure und mir ganz ſchlecht zu Muthe wird und ich ihm meinen Jungen ſofort aus den Händen riſſe, wenn er ihn, Gott ſei Dank, nicht von ſelber gleich wieder hergäbe!“ Eine Frau, die einen Freund ihres Mannes nicht an der Wiege ihres Kindes leiden kann, iſt ein gewaltig hindernder Faktor in ſo einem Verkehr

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/252>, abgerufen am 05.05.2024.