Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.dafür, daß wir nirgends recht hinpassen. Ich auch Ja, weißt Du noch, Velten? Erinnerst Du Dich Sei gefühllos! Ein leichtbewegtes Herz Ist ein elend Gut Auf der wankenden Erde; und im grimmigsten Ernst sein Leben nunmehr darauf dafür, daß wir nirgends recht hinpaſſen. Ich auch Ja, weißt Du noch, Velten? Erinnerſt Du Dich Sei gefühllos! Ein leichtbewegtes Herz Iſt ein elend Gut Auf der wankenden Erde; und im grimmigſten Ernſt ſein Leben nunmehr darauf <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0246" n="236"/> dafür, daß wir nirgends recht hinpaſſen. Ich auch<lb/> nicht, liebſte, beſte Tante Andres! Und ich durch<lb/> Deine Güte und Liebe und Barmherzigkeit noch<lb/> weniger als Mama!“ . . .</p><lb/> <p xml:id="p-0246a" next="p-0246b">Ja, weißt Du noch, Velten? Erinnerſt Du Dich<lb/> wohl noch daran, Krumhardt? — „Wie ſteht es denn<lb/> mit euren Schularbeiten für morgen, Jungen, wenn<lb/> ich fragen darf?“ Es iſt mein eigener braver, ſorg¬<lb/> licher Vater, mein ſeliger Vater, der in Schlafrock und<lb/> Hauskäppchen mit der langen Pfeife an die Hecke ge¬<lb/> kommen iſt, wo jetzt die hohe Brandmauer des Nachbar¬<lb/> hauſes ſich erhebt. Und meine Mutter mit dem Strick¬<lb/> zeug in der Hand und dem Garnknäuel unterm Arm<lb/> kommt auch unſerer Laube heran. Es iſt mehr und<lb/> mehr wie eine Wiederbringung im Fleiſch für den<lb/> Vogelſang: in Fleiſch und Blut, mit jedem Geſtus<lb/> und Tonfall ſind ſie wieder da bei der Frau Doktorin<lb/> Andres, Alle ſind ſie wieder heraufgeſtiegen und —<lb/> am lebendigſten für den Mann neben der heiter¬<lb/> ſchönen Greiſin, der auf ſeiner Bruſt das Blatt trägt<lb/> mit dem erſten Vers der dritten Ode an Behriſch:<lb/></p> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Sei gefühllos!</l><lb/> <l rendition="#et">Ein leichtbewegtes Herz</l><lb/> <l rendition="#et">Iſt ein elend Gut</l><lb/> <l rendition="#et">Auf der wankenden Erde;</l><lb/> </lg> <p xml:id="p-0246b" prev="p-0246a">und im grimmigſten Ernſt ſein Leben nunmehr darauf<lb/> eingerichtet zu haben glaubt.</p><lb/> </body> </text> </TEI> [236/0246]
dafür, daß wir nirgends recht hinpaſſen. Ich auch
nicht, liebſte, beſte Tante Andres! Und ich durch
Deine Güte und Liebe und Barmherzigkeit noch
weniger als Mama!“ . . .
Ja, weißt Du noch, Velten? Erinnerſt Du Dich
wohl noch daran, Krumhardt? — „Wie ſteht es denn
mit euren Schularbeiten für morgen, Jungen, wenn
ich fragen darf?“ Es iſt mein eigener braver, ſorg¬
licher Vater, mein ſeliger Vater, der in Schlafrock und
Hauskäppchen mit der langen Pfeife an die Hecke ge¬
kommen iſt, wo jetzt die hohe Brandmauer des Nachbar¬
hauſes ſich erhebt. Und meine Mutter mit dem Strick¬
zeug in der Hand und dem Garnknäuel unterm Arm
kommt auch unſerer Laube heran. Es iſt mehr und
mehr wie eine Wiederbringung im Fleiſch für den
Vogelſang: in Fleiſch und Blut, mit jedem Geſtus
und Tonfall ſind ſie wieder da bei der Frau Doktorin
Andres, Alle ſind ſie wieder heraufgeſtiegen und —
am lebendigſten für den Mann neben der heiter¬
ſchönen Greiſin, der auf ſeiner Bruſt das Blatt trägt
mit dem erſten Vers der dritten Ode an Behriſch:
Sei gefühllos!
Ein leichtbewegtes Herz
Iſt ein elend Gut
Auf der wankenden Erde;
und im grimmigſten Ernſt ſein Leben nunmehr darauf
eingerichtet zu haben glaubt.
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