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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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aber brachte er es nicht durch dieselbe, und das
geringe Vermögen, welches er bei seinem Tode seiner
Wittwe und seinem Sohn zu dem kleinen Hause und
von ihm als von seinem Vater und Großvater her.
Letzterer soll ein nach unseren Begriffen sehr wohl¬
habender Mann gewesen sein; aber wie verkrümelt
sich die Wohlhabenheit, der Reichthum in der Folge
der Geschlechter! --

Ich für mein Theil habe nur eine ganz dunkle
Erinnerung an den Doktor Andres. Mein Nachbar¬
schaftsleben war nur mit seinem Jungen und der
"Frau Doktern"; aber seine Käfer- und Schmetterlings¬
sammlungen in den Glaskästen an den Wänden haben
doch einen Einfluß auf mich gehabt und behalten ihn
heute noch, und sein friedliches Bild gleitet mir noch
manchmal auf einem Waldwege um unsere jetzige
"Großstadt" entgegen.

Wie kopfschüttelnd oder lächelnd er seinem Sohn
auf dessen Wegen dann und wann erschienen sein
mag? -- Und was er aus seinem Lebensvermögen
weiter gegeben haben mag an diesen, seinen Sohn
Andres -- unsern Freund? -- --

Was nun die Frau Doktor Andres anbetrifft,
so steht deren freundliches Bild hell und klar in
meiner Seele und kann nie darin auslöschen. Sie

aber brachte er es nicht durch dieſelbe, und das
geringe Vermögen, welches er bei ſeinem Tode ſeiner
Wittwe und ſeinem Sohn zu dem kleinen Hauſe und
von ihm als von ſeinem Vater und Großvater her.
Letzterer ſoll ein nach unſeren Begriffen ſehr wohl¬
habender Mann geweſen ſein; aber wie verkrümelt
ſich die Wohlhabenheit, der Reichthum in der Folge
der Geſchlechter! —

Ich für mein Theil habe nur eine ganz dunkle
Erinnerung an den Doktor Andres. Mein Nachbar¬
ſchaftsleben war nur mit ſeinem Jungen und der
„Frau Doktern“; aber ſeine Käfer- und Schmetterlings¬
ſammlungen in den Glaskäſten an den Wänden haben
doch einen Einfluß auf mich gehabt und behalten ihn
heute noch, und ſein friedliches Bild gleitet mir noch
manchmal auf einem Waldwege um unſere jetzige
„Großſtadt“ entgegen.

Wie kopfſchüttelnd oder lächelnd er ſeinem Sohn
auf deſſen Wegen dann und wann erſchienen sein
mag? — Und was er aus ſeinem Lebensvermögen
weiter gegeben haben mag an dieſen, ſeinen Sohn
Andres — unſern Freund? — —

Was nun die Frau Doktor Andres anbetrifft,
ſo ſteht deren freundliches Bild hell und klar in
meiner Seele und kann nie darin auslöſchen. Sie

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[14/0024] aber brachte er es nicht durch dieſelbe, und das geringe Vermögen, welches er bei ſeinem Tode ſeiner Wittwe und ſeinem Sohn zu dem kleinen Hauſe und von ihm als von ſeinem Vater und Großvater her. Letzterer ſoll ein nach unſeren Begriffen ſehr wohl¬ habender Mann geweſen ſein; aber wie verkrümelt ſich die Wohlhabenheit, der Reichthum in der Folge der Geſchlechter! — Ich für mein Theil habe nur eine ganz dunkle Erinnerung an den Doktor Andres. Mein Nachbar¬ ſchaftsleben war nur mit ſeinem Jungen und der „Frau Doktern“; aber ſeine Käfer- und Schmetterlings¬ ſammlungen in den Glaskäſten an den Wänden haben doch einen Einfluß auf mich gehabt und behalten ihn heute noch, und ſein friedliches Bild gleitet mir noch manchmal auf einem Waldwege um unſere jetzige „Großſtadt“ entgegen. Wie kopfſchüttelnd oder lächelnd er ſeinem Sohn auf deſſen Wegen dann und wann erſchienen sein mag? — Und was er aus ſeinem Lebensvermögen weiter gegeben haben mag an dieſen, ſeinen Sohn Andres — unſern Freund? — — Was nun die Frau Doktor Andres anbetrifft, ſo ſteht deren freundliches Bild hell und klar in meiner Seele und kann nie darin auslöſchen. Sie

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/24>, abgerufen am 24.11.2024.