Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

einiges Interesse an ihm? Jawohl, jawohl, ganz
richtig! Andres! Eine Zeitlang hatte der junge
Mensch hier wirklich die besten Avancen. Sie und
er waren Nachbarn, Herr Assessor, und scheinen noch
in freundschaftlichem Verkehr mit ihm zu stehen.
Man hielt ihn damals für ein junges Genie; aber
er ist uns doch, wie das gewöhnlich zu geschehen
pflegt, dann bald gänzlich aus den Augen gekommen.
Es würde wirklich auch mich ein wenig interessiren,
zu erfahren, was jetzt eigentlich aus ihm geworden ist."

Wahrscheinlich hat der würdige Mann es nur
auf die Zeit und Umstände, unter welchen er seinen
Wunsch äußerte, geschoben, daß ich ihm nur sehr
ungenügend Aufklärung gab. --

Zu Hause fand ich, was man zu finden pflegt,
wenn man von einem solchen Geschäft heimkehrt: das
Haus nach Möglichkeit gereinigt und aufgeräumt --
nach der Katastrophe so viel frische, sonnige Alltags¬
luft als möglich eingelassen -- nach Möglichkeit Alles
in der alten Ordnung -- so wenig als möglich
Stearin-, Chlor- und Blumengeruch: das alte Geräthe
in gewohnter Ordnung, nur noch etwas peinlicher,
um Einen herum und -- eine Lücke in sich, eine
Leere, eine Öde um sich, die natürlich je den Um¬
ständen nach mehr oder weniger empfindlich empfunden
werden. Aber ich konnte auch mein gutes kleines

einiges Intereſſe an ihm? Jawohl, jawohl, ganz
richtig! Andres! Eine Zeitlang hatte der junge
Menſch hier wirklich die beſten Avancen. Sie und
er waren Nachbarn, Herr Aſſeſſor, und ſcheinen noch
in freundſchaftlichem Verkehr mit ihm zu ſtehen.
Man hielt ihn damals für ein junges Genie; aber
er iſt uns doch, wie das gewöhnlich zu geſchehen
pflegt, dann bald gänzlich aus den Augen gekommen.
Es würde wirklich auch mich ein wenig intereſſiren,
zu erfahren, was jetzt eigentlich aus ihm geworden iſt.“

Wahrſcheinlich hat der würdige Mann es nur
auf die Zeit und Umſtände, unter welchen er ſeinen
Wunſch äußerte, geſchoben, daß ich ihm nur ſehr
ungenügend Aufklärung gab. —

Zu Hauſe fand ich, was man zu finden pflegt,
wenn man von einem ſolchen Geſchäft heimkehrt: das
Haus nach Möglichkeit gereinigt und aufgeräumt —
nach der Kataſtrophe ſo viel friſche, ſonnige Alltags¬
luft als möglich eingelaſſen — nach Möglichkeit Alles
in der alten Ordnung — ſo wenig als möglich
Stearin-, Chlor- und Blumengeruch: das alte Geräthe
in gewohnter Ordnung, nur noch etwas peinlicher,
um Einen herum und — eine Lücke in ſich, eine
Leere, eine Öde um ſich, die natürlich je den Um¬
ſtänden nach mehr oder weniger empfindlich empfunden
werden. Aber ich konnte auch mein gutes kleines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0222" n="212"/>
einiges Intere&#x017F;&#x017F;e an ihm? Jawohl, jawohl, ganz<lb/>
richtig! Andres! Eine Zeitlang hatte der junge<lb/>
Men&#x017F;ch hier wirklich die be&#x017F;ten Avancen. Sie und<lb/>
er waren Nachbarn, Herr A&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;or, und &#x017F;cheinen noch<lb/>
in freund&#x017F;chaftlichem Verkehr mit ihm zu &#x017F;tehen.<lb/>
Man hielt ihn damals für ein junges Genie; aber<lb/>
er i&#x017F;t uns doch, wie das gewöhnlich zu ge&#x017F;chehen<lb/>
pflegt, dann bald gänzlich aus den Augen gekommen.<lb/>
Es würde wirklich auch mich ein wenig intere&#x017F;&#x017F;iren,<lb/>
zu erfahren, was jetzt eigentlich aus ihm geworden i&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
      <p>Wahr&#x017F;cheinlich hat der würdige Mann es nur<lb/>
auf die Zeit und Um&#x017F;tände, unter welchen er &#x017F;einen<lb/>
Wun&#x017F;ch äußerte, ge&#x017F;choben, daß ich ihm nur &#x017F;ehr<lb/>
ungenügend Aufklärung gab. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Zu Hau&#x017F;e fand ich, was man zu finden pflegt,<lb/>
wenn man von einem &#x017F;olchen Ge&#x017F;chäft heimkehrt: das<lb/>
Haus nach Möglichkeit gereinigt und aufgeräumt &#x2014;<lb/>
nach der Kata&#x017F;trophe &#x017F;o viel fri&#x017F;che, &#x017F;onnige Alltags¬<lb/>
luft als möglich eingela&#x017F;&#x017F;en &#x2014; nach Möglichkeit Alles<lb/>
in der alten Ordnung &#x2014; &#x017F;o wenig als möglich<lb/>
Stearin-, Chlor- und Blumengeruch: das alte Geräthe<lb/>
in gewohnter Ordnung, nur noch etwas peinlicher,<lb/>
um Einen herum und &#x2014; eine Lücke in &#x017F;ich, eine<lb/>
Leere, eine Öde um &#x017F;ich, die natürlich je den Um¬<lb/>
&#x017F;tänden nach mehr oder weniger empfindlich empfunden<lb/>
werden. Aber ich konnte auch mein gutes kleines<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0222] einiges Intereſſe an ihm? Jawohl, jawohl, ganz richtig! Andres! Eine Zeitlang hatte der junge Menſch hier wirklich die beſten Avancen. Sie und er waren Nachbarn, Herr Aſſeſſor, und ſcheinen noch in freundſchaftlichem Verkehr mit ihm zu ſtehen. Man hielt ihn damals für ein junges Genie; aber er iſt uns doch, wie das gewöhnlich zu geſchehen pflegt, dann bald gänzlich aus den Augen gekommen. Es würde wirklich auch mich ein wenig intereſſiren, zu erfahren, was jetzt eigentlich aus ihm geworden iſt.“ Wahrſcheinlich hat der würdige Mann es nur auf die Zeit und Umſtände, unter welchen er ſeinen Wunſch äußerte, geſchoben, daß ich ihm nur ſehr ungenügend Aufklärung gab. — Zu Hauſe fand ich, was man zu finden pflegt, wenn man von einem ſolchen Geſchäft heimkehrt: das Haus nach Möglichkeit gereinigt und aufgeräumt — nach der Kataſtrophe ſo viel friſche, ſonnige Alltags¬ luft als möglich eingelaſſen — nach Möglichkeit Alles in der alten Ordnung — ſo wenig als möglich Stearin-, Chlor- und Blumengeruch: das alte Geräthe in gewohnter Ordnung, nur noch etwas peinlicher, um Einen herum und — eine Lücke in ſich, eine Leere, eine Öde um ſich, die natürlich je den Um¬ ſtänden nach mehr oder weniger empfindlich empfunden werden. Aber ich konnte auch mein gutes kleines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/222
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/222>, abgerufen am 27.11.2024.