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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Fräulein! Und der Chevalier sans peur et sans
reproche
da unten im Vorderhause hinter den Ge¬
schäftsbüchern des Herrn Kastellans, sitzt heute besser
zu Roß auf seinem Dreibein, mit der Feder hinterm
Ohr, als je ein Rittersmann, der in Stahl und
Eisen auszog für das Trecrestien, franc royaume
de France
; und die Frau Fechtmeisterin Feucht ist
schon abgef -- geschlagen, noch ehe sie sich recht aus¬
gelegt hat für ihr Ritterthum von der Saale."

"Wenn ein junger Mensch zuerst doch nach Jena
gehörte und vom Hausberge und dem Fuchsthurm in
die Welt hätte hineinsehen müssen, so war das doch
mein Herr Velten," seufzte, zugleich verdrossen und
betrübt, die Frau Fechtmeisterin. "O, dies Berlin!
Wie kann ein deutscher Student mit Berlin sein
Dasein anfangen und in Berlin hängen bleiben?
Und noch dazu ein Kind mit solchen Naturgaben wie
dieses, das meinen Seligen zu Rührungsthränen
gebracht haben würde; -- trotz seiner lahmen Linken
der beste Schläger, den sie jetzt hier haben, und --
verkriecht sich nun hinter einem Comptoirtisch! Der
Kalk fällt mir darüber von den Wänden."

"Da hat die Frau Fechtmeisterin Recht," lächelte
Leonie. "Die Wände drüben in Ihres Herrn Freundes
Stube, erzählen freilich mit Jammer von den
Triumphen, die dort die hohe Kunst gefeiert hat!

Fräulein! Und der Chevalier sans peur et sans
reproche
da unten im Vorderhauſe hinter den Ge¬
ſchäftsbüchern des Herrn Kaſtellans, ſitzt heute beſſer
zu Roß auf ſeinem Dreibein, mit der Feder hinterm
Ohr, als je ein Rittersmann, der in Stahl und
Eiſen auszog für das Trecrestien, franc royaume
de France
; und die Frau Fechtmeiſterin Feucht iſt
ſchon abgef — geſchlagen, noch ehe ſie ſich recht aus¬
gelegt hat für ihr Ritterthum von der Saale.“

„Wenn ein junger Menſch zuerſt doch nach Jena
gehörte und vom Hausberge und dem Fuchsthurm in
die Welt hätte hineinſehen müſſen, ſo war das doch
mein Herr Velten,“ ſeufzte, zugleich verdroſſen und
betrübt, die Frau Fechtmeiſterin. „O, dies Berlin!
Wie kann ein deutſcher Student mit Berlin ſein
Daſein anfangen und in Berlin hängen bleiben?
Und noch dazu ein Kind mit ſolchen Naturgaben wie
dieſes, das meinen Seligen zu Rührungsthränen
gebracht haben würde; — trotz ſeiner lahmen Linken
der beſte Schläger, den ſie jetzt hier haben, und —
verkriecht ſich nun hinter einem Comptoirtiſch! Der
Kalk fällt mir darüber von den Wänden.“

„Da hat die Frau Fechtmeiſterin Recht,“ lächelte
Leonie. „Die Wände drüben in Ihres Herrn Freundes
Stube, erzählen freilich mit Jammer von den
Triumphen, die dort die hohe Kunſt gefeiert hat!

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[156/0166] Fräulein! Und der Chevalier sans peur et sans reproche da unten im Vorderhauſe hinter den Ge¬ ſchäftsbüchern des Herrn Kaſtellans, ſitzt heute beſſer zu Roß auf ſeinem Dreibein, mit der Feder hinterm Ohr, als je ein Rittersmann, der in Stahl und Eiſen auszog für das Trecrestien, franc royaume de France; und die Frau Fechtmeiſterin Feucht iſt ſchon abgef — geſchlagen, noch ehe ſie ſich recht aus¬ gelegt hat für ihr Ritterthum von der Saale.“ „Wenn ein junger Menſch zuerſt doch nach Jena gehörte und vom Hausberge und dem Fuchsthurm in die Welt hätte hineinſehen müſſen, ſo war das doch mein Herr Velten,“ ſeufzte, zugleich verdroſſen und betrübt, die Frau Fechtmeiſterin. „O, dies Berlin! Wie kann ein deutſcher Student mit Berlin ſein Daſein anfangen und in Berlin hängen bleiben? Und noch dazu ein Kind mit ſolchen Naturgaben wie dieſes, das meinen Seligen zu Rührungsthränen gebracht haben würde; — trotz ſeiner lahmen Linken der beſte Schläger, den ſie jetzt hier haben, und — verkriecht ſich nun hinter einem Comptoirtiſch! Der Kalk fällt mir darüber von den Wänden.“ „Da hat die Frau Fechtmeiſterin Recht,“ lächelte Leonie. „Die Wände drüben in Ihres Herrn Freundes Stube, erzählen freilich mit Jammer von den Triumphen, die dort die hohe Kunſt gefeiert hat!

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/166>, abgerufen am 27.11.2024.