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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Zeilen des albernen Geschmiers lesen und mir den
rechten Waffensegen geben. A la rescousse, mon
preux chevalier!
Und somit bleibt es dabei: ich
werde dem fernen Westen nicht bloß als deutscher
Doktor der Weltweisheit, sondern auch als inter¬
nationaler Reisender in Herrenkonfektion imponiren.
Für ein halbes Jahr müssen Sie mir schon Ihren
Comptoirstuhl im Geschäft Ihres Herrn Vaters über¬
lassen, Messire Leon des Beaux. Bei der Frau
Fechtmeisterin Feucht reden wir demnächst noch das
Weitere hierüber. Jetzt aber sage ich Dir, Krum¬
hardt, sieh Du nicht so dumm aus!"

Drunten im Thal sagte seine Mutter zu mir:

"Der arme Junge! Er hat Dir erzählt, was er
jetzt vor hat, Karl, und es nutzt nichts, ihm dagegen
mit tausend Gründen zu kommen. Und ich lasse
mich leider Gottes nur zu gern mit meinem Besser¬
wissen beiseite schieben. Da liegt der Brief¬
wechsel, den ich mit meinem armen Kinde geführt
habe, die Jahre durch: es ist die gewöhnliche tragische
Posse. Die Welt der Gewöhnlichkeit, der Gemein¬
heit gewinnt es uns wieder ab, die Firma Trotzen¬
dorff behält ihr Recht; aber der Geist Gottes schwebt
zu allen Zeiten über den Wassern und bezeugt sein
Recht auf jede Weise, auch die wunderlichste. Auch
die Illusion gehört eben zu seinen Mitteln, die Erde

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Zeilen des albernen Geſchmiers leſen und mir den
rechten Waffenſegen geben. A la rescousse, mon
preux chevalier!
Und ſomit bleibt es dabei: ich
werde dem fernen Weſten nicht bloß als deutſcher
Doktor der Weltweisheit, ſondern auch als inter¬
nationaler Reiſender in Herrenkonfektion imponiren.
Für ein halbes Jahr müſſen Sie mir ſchon Ihren
Comptoirſtuhl im Geſchäft Ihres Herrn Vaters über¬
laſſen, Meſſire Leon des Beaux. Bei der Frau
Fechtmeiſterin Feucht reden wir demnächſt noch das
Weitere hierüber. Jetzt aber ſage ich Dir, Krum¬
hardt, ſieh Du nicht ſo dumm aus!“

Drunten im Thal ſagte ſeine Mutter zu mir:

„Der arme Junge! Er hat Dir erzählt, was er
jetzt vor hat, Karl, und es nutzt nichts, ihm dagegen
mit tauſend Gründen zu kommen. Und ich laſſe
mich leider Gottes nur zu gern mit meinem Beſſer¬
wiſſen beiſeite ſchieben. Da liegt der Brief¬
wechſel, den ich mit meinem armen Kinde geführt
habe, die Jahre durch: es iſt die gewöhnliche tragiſche
Poſſe. Die Welt der Gewöhnlichkeit, der Gemein¬
heit gewinnt es uns wieder ab, die Firma Trotzen¬
dorff behält ihr Recht; aber der Geiſt Gottes ſchwebt
zu allen Zeiten über den Waſſern und bezeugt ſein
Recht auf jede Weiſe, auch die wunderlichſte. Auch
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[147/0157] Zeilen des albernen Geſchmiers leſen und mir den rechten Waffenſegen geben. A la rescousse, mon preux chevalier! Und ſomit bleibt es dabei: ich werde dem fernen Weſten nicht bloß als deutſcher Doktor der Weltweisheit, ſondern auch als inter¬ nationaler Reiſender in Herrenkonfektion imponiren. Für ein halbes Jahr müſſen Sie mir ſchon Ihren Comptoirſtuhl im Geſchäft Ihres Herrn Vaters über¬ laſſen, Meſſire Leon des Beaux. Bei der Frau Fechtmeiſterin Feucht reden wir demnächſt noch das Weitere hierüber. Jetzt aber ſage ich Dir, Krum¬ hardt, ſieh Du nicht ſo dumm aus!“ Drunten im Thal ſagte ſeine Mutter zu mir: „Der arme Junge! Er hat Dir erzählt, was er jetzt vor hat, Karl, und es nutzt nichts, ihm dagegen mit tauſend Gründen zu kommen. Und ich laſſe mich leider Gottes nur zu gern mit meinem Beſſer¬ wiſſen beiſeite ſchieben. Da liegt der Brief¬ wechſel, den ich mit meinem armen Kinde geführt habe, die Jahre durch: es iſt die gewöhnliche tragiſche Poſſe. Die Welt der Gewöhnlichkeit, der Gemein¬ heit gewinnt es uns wieder ab, die Firma Trotzen¬ dorff behält ihr Recht; aber der Geiſt Gottes ſchwebt zu allen Zeiten über den Waſſern und bezeugt ſein Recht auf jede Weiſe, auch die wunderlichſte. Auch die Illuſion gehört eben zu ſeinen Mitteln, die Erde 10*

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/157>, abgerufen am 28.11.2024.