Welt außerhalb des Familienzauberthurms vergeblich gesucht hatte -- einen von der allgemeinen Heerstraße gleich ihm verlaufenen Genossen, der in der rechten Weise über ihn lachte und ihm mit jedem Lachen und Lächeln und durch jeden kameradschaftlichen Schlag auf die Schulter, jedes Zupfen am Ohr das Herz mit in die Höhe hinaufnahm. Nein, das Herz nicht; nur den Kopf. --
Kein Hund und keine Liebende konnten um diese Lebensstunde auf den Geliebten, den Herrn und den Freund genauer achtgeben, besorgt-freudiger auf jedes Wort, jeden Wink, jede Bewegung beim stillen Nebeneinander und im menschenvollen Gesellschafts¬ zimmer, kurz, bei jeder Lebenskomödienscene passen, als Leon und Leonie des Beaux auf Alles, was Velten Andres sagte und that, oder -- nicht sagte und nicht that. Daß er das so deutlich wußte wie ich, glaube ich nicht: sein späterer Lebensweg spricht dagegen. Er war es eben zu sehr gewöhnt, daß die Leute ihm nachsahen, und er nicht über sie hinweg, sondern durch sie durch in seine Welt hinein auf seine Weise, die nur sehr selten mit der -- unsrigen übereinstimmte. Mit der unsrigen! denn wie oft habe ich schon zu Hause, im Vogelsang, den Vernünftigen dort Recht geben müssen, wenn sie meinten: "Der Junge ist rein verrückt!" --
Welt außerhalb des Familienzauberthurms vergeblich geſucht hatte — einen von der allgemeinen Heerſtraße gleich ihm verlaufenen Genoſſen, der in der rechten Weiſe über ihn lachte und ihm mit jedem Lachen und Lächeln und durch jeden kameradſchaftlichen Schlag auf die Schulter, jedes Zupfen am Ohr das Herz mit in die Höhe hinaufnahm. Nein, das Herz nicht; nur den Kopf. —
Kein Hund und keine Liebende konnten um dieſe Lebensſtunde auf den Geliebten, den Herrn und den Freund genauer achtgeben, beſorgt-freudiger auf jedes Wort, jeden Wink, jede Bewegung beim ſtillen Nebeneinander und im menſchenvollen Geſellſchafts¬ zimmer, kurz, bei jeder Lebenskomödienſcene paſſen, als Leon und Leonie des Beaux auf Alles, was Velten Andres ſagte und that, oder — nicht ſagte und nicht that. Daß er das ſo deutlich wußte wie ich, glaube ich nicht: ſein ſpäterer Lebensweg ſpricht dagegen. Er war es eben zu ſehr gewöhnt, daß die Leute ihm nachſahen, und er nicht über ſie hinweg, ſondern durch ſie durch in ſeine Welt hinein auf ſeine Weiſe, die nur ſehr ſelten mit der — unſrigen übereinſtimmte. Mit der unſrigen! denn wie oft habe ich ſchon zu Hauſe, im Vogelſang, den Vernünftigen dort Recht geben müſſen, wenn ſie meinten: „Der Junge iſt rein verrückt!“ —
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0143"n="133"/>
Welt außerhalb des Familienzauberthurms vergeblich<lb/>
geſucht hatte — einen von der allgemeinen Heerſtraße<lb/>
gleich ihm verlaufenen Genoſſen, der in der rechten<lb/>
Weiſe über ihn lachte und ihm mit jedem Lachen<lb/>
und Lächeln und durch jeden kameradſchaftlichen<lb/>
Schlag auf die Schulter, jedes Zupfen am Ohr<lb/>
das Herz mit in die Höhe hinaufnahm. Nein,<lb/>
das Herz nicht; nur den Kopf. —</p><lb/><p>Kein Hund und keine Liebende konnten um<lb/>
dieſe Lebensſtunde auf den Geliebten, den Herrn und<lb/>
den Freund genauer achtgeben, beſorgt-freudiger auf<lb/>
jedes Wort, jeden Wink, jede Bewegung beim ſtillen<lb/>
Nebeneinander und im menſchenvollen Geſellſchafts¬<lb/>
zimmer, kurz, bei jeder Lebenskomödienſcene paſſen,<lb/>
als Leon und Leonie des Beaux auf Alles, was<lb/>
Velten Andres ſagte und that, oder — nicht ſagte<lb/>
und nicht that. Daß er das ſo deutlich wußte wie<lb/>
ich, glaube ich nicht: ſein ſpäterer Lebensweg ſpricht<lb/>
dagegen. Er war es eben zu ſehr gewöhnt, daß die<lb/>
Leute ihm nachſahen, und er nicht über ſie hinweg,<lb/>ſondern durch ſie durch in ſeine Welt hinein auf<lb/>ſeine Weiſe, die nur ſehr ſelten mit der — unſrigen<lb/>
übereinſtimmte. Mit der unſrigen! denn wie oft habe<lb/>
ich ſchon zu Hauſe, im Vogelſang, den Vernünftigen<lb/>
dort Recht geben müſſen, wenn ſie meinten: „Der<lb/>
Junge iſt rein verrückt!“—</p><lb/></body></text></TEI>
[133/0143]
Welt außerhalb des Familienzauberthurms vergeblich
geſucht hatte — einen von der allgemeinen Heerſtraße
gleich ihm verlaufenen Genoſſen, der in der rechten
Weiſe über ihn lachte und ihm mit jedem Lachen
und Lächeln und durch jeden kameradſchaftlichen
Schlag auf die Schulter, jedes Zupfen am Ohr
das Herz mit in die Höhe hinaufnahm. Nein,
das Herz nicht; nur den Kopf. —
Kein Hund und keine Liebende konnten um
dieſe Lebensſtunde auf den Geliebten, den Herrn und
den Freund genauer achtgeben, beſorgt-freudiger auf
jedes Wort, jeden Wink, jede Bewegung beim ſtillen
Nebeneinander und im menſchenvollen Geſellſchafts¬
zimmer, kurz, bei jeder Lebenskomödienſcene paſſen,
als Leon und Leonie des Beaux auf Alles, was
Velten Andres ſagte und that, oder — nicht ſagte
und nicht that. Daß er das ſo deutlich wußte wie
ich, glaube ich nicht: ſein ſpäterer Lebensweg ſpricht
dagegen. Er war es eben zu ſehr gewöhnt, daß die
Leute ihm nachſahen, und er nicht über ſie hinweg,
ſondern durch ſie durch in ſeine Welt hinein auf
ſeine Weiſe, die nur ſehr ſelten mit der — unſrigen
übereinſtimmte. Mit der unſrigen! denn wie oft habe
ich ſchon zu Hauſe, im Vogelſang, den Vernünftigen
dort Recht geben müſſen, wenn ſie meinten: „Der
Junge iſt rein verrückt!“ —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/143>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.