Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

An einem Novemberabend bekam ich, (der Leut¬
nant der Reserve liegt als längst abgethan
bei den Papieren des deutschen Heerbannes) Ober¬
regierungsrath Dr. jur. K. Krumhardt, unter meinen
übrigen Postsachen folgenden Brief in einer schönen
festen Handschrift, von der man es kaum für möglich
halten sollte, daß sie einem Weibe zugehöre.

"Lieber Karl!

Velten läßt Dich noch einmal grüßen. Er ist
nun todt, und wir haben Beide unseren Willen be¬
kommen. Er ist allein geblieben bis zuletzt, mit sich
selber allein. Daß ich mich als seine Erbnehmerin
aufgeworfen habe, kann er freilich nicht hindern;
das liegt in meinem Willen, und aus dem heraus
schreibe ich Dir heute und gebe Dir die Nachricht
von seinem Tode und seinem Begräbniß. Dieser
Brief gehört, meines Erachtens, zu der in seinen
Angelegenheiten (wie lächerlich dieses Wort hier
klingt!) noch nöthigen Korrespondenz. Seinen Ton
entschuldige. Es klingt hohl in dem Raume, in

W. Raabe. Die Akten des Vogelsangs. 1

An einem Novemberabend bekam ich, (der Leut¬
nant der Reſerve liegt als längſt abgethan
bei den Papieren des deutſchen Heerbannes) Ober¬
regierungsrath Dr. jur. K. Krumhardt, unter meinen
übrigen Poſtſachen folgenden Brief in einer ſchönen
feſten Handſchrift, von der man es kaum für möglich
halten ſollte, daß ſie einem Weibe zugehöre.

„Lieber Karl!

Velten läßt Dich noch einmal grüßen. Er iſt
nun todt, und wir haben Beide unſeren Willen be¬
kommen. Er iſt allein geblieben bis zuletzt, mit ſich
ſelber allein. Daß ich mich als ſeine Erbnehmerin
aufgeworfen habe, kann er freilich nicht hindern;
das liegt in meinem Willen, und aus dem heraus
ſchreibe ich Dir heute und gebe Dir die Nachricht
von ſeinem Tode und ſeinem Begräbniß. Dieſer
Brief gehört, meines Erachtens, zu der in ſeinen
Angelegenheiten (wie lächerlich dieſes Wort hier
klingt!) noch nöthigen Korreſpondenz. Seinen Ton
entſchuldige. Es klingt hohl in dem Raume, in

W. Raabe. Die Akten des Vogelſangs. 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0011" n="[1]"/>
      <p><hi rendition="#in">A</hi>n einem Novemberabend bekam ich, (der Leut¬<lb/>
nant der Re&#x017F;erve liegt als läng&#x017F;t abgethan<lb/>
bei den Papieren des deut&#x017F;chen Heerbannes) Ober¬<lb/>
regierungsrath <hi rendition="#aq">Dr. jur.</hi> K. Krumhardt, unter meinen<lb/>
übrigen Po&#x017F;t&#x017F;achen folgenden Brief in einer &#x017F;chönen<lb/>
fe&#x017F;ten Hand&#x017F;chrift, von der man es kaum für möglich<lb/>
halten &#x017F;ollte, daß &#x017F;ie einem Weibe zugehöre.</p><lb/>
      <p rendition="#c">&#x201E;Lieber Karl!</p><lb/>
      <p>Velten läßt Dich noch einmal grüßen. Er i&#x017F;t<lb/>
nun todt, und wir haben Beide un&#x017F;eren Willen be¬<lb/>
kommen. Er i&#x017F;t allein geblieben bis zuletzt, mit &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elber allein. Daß ich mich als &#x017F;eine Erbnehmerin<lb/>
aufgeworfen habe, kann er freilich nicht hindern;<lb/>
das liegt in meinem Willen, und aus dem heraus<lb/>
&#x017F;chreibe ich Dir heute und gebe Dir die Nachricht<lb/>
von &#x017F;einem Tode und &#x017F;einem Begräbniß. Die&#x017F;er<lb/>
Brief gehört, meines Erachtens, zu der in &#x017F;einen<lb/>
Angelegenheiten (wie lächerlich die&#x017F;es Wort hier<lb/>
klingt!) noch nöthigen Korre&#x017F;pondenz. Seinen Ton<lb/>
ent&#x017F;chuldige. Es klingt hohl in dem Raume, in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">W. Raabe. Die Akten des Vogel&#x017F;angs. 1<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1]/0011] An einem Novemberabend bekam ich, (der Leut¬ nant der Reſerve liegt als längſt abgethan bei den Papieren des deutſchen Heerbannes) Ober¬ regierungsrath Dr. jur. K. Krumhardt, unter meinen übrigen Poſtſachen folgenden Brief in einer ſchönen feſten Handſchrift, von der man es kaum für möglich halten ſollte, daß ſie einem Weibe zugehöre. „Lieber Karl! Velten läßt Dich noch einmal grüßen. Er iſt nun todt, und wir haben Beide unſeren Willen be¬ kommen. Er iſt allein geblieben bis zuletzt, mit ſich ſelber allein. Daß ich mich als ſeine Erbnehmerin aufgeworfen habe, kann er freilich nicht hindern; das liegt in meinem Willen, und aus dem heraus ſchreibe ich Dir heute und gebe Dir die Nachricht von ſeinem Tode und ſeinem Begräbniß. Dieſer Brief gehört, meines Erachtens, zu der in ſeinen Angelegenheiten (wie lächerlich dieſes Wort hier klingt!) noch nöthigen Korreſpondenz. Seinen Ton entſchuldige. Es klingt hohl in dem Raume, in W. Raabe. Die Akten des Vogelſangs. 1

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/11
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/11>, abgerufen am 24.11.2024.