Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

ein gut Stück Romantik aus der Langue d'Oc in
den märkischen Sand durch die Jahrhunderte hinein¬
gerettet. Na kurz, die Gesellschaft gehört zu der noch
immer so genannten französischen Kolonie, und ich
benutze die Gelegenheit, mein Französisch zwischen
Leon und Leonie aufzupoliren."

Ich hatte ihn reden lassen müssen. War das
der Mensch, dem ich im Innersten doch mit meiner
deutschen Burschenherrlichkeit zu imponiren ge¬
wünscht hatte? Es ging ein Zug von so frühreifer
Welterfahrung und Weltgewandtheit durch dies Alles,
daß ich nur verblüfft brummen konnte:

"Na, Du scheinst Dich ja auch ohne Beihilfe
recht gut außerhalb des Vogelsangs und der Schul¬
stube orientirt zu haben!"

Da flog es dunkel über sein eben noch so
lachendes Gesicht:

"Doch wohl nicht ganz ohne das, was Du
Beihilfe nennst. Halb schob es, halb zog es, wenn
Du die Weiber zu den Menschen rechnest."

"Du bist seit vierzehn Tagen in Berlin und
in der weitern Welt, Du krasser Fuchs?"

"Und ich habe daheim Miß Ellen Trotzendorff
aus dem Vogelsang in den Eisenbahnwagen erster
Klasse geholfen und meiner Alten über den Zaun
des Vogelsangs versprochen, es ferner gut zu machen.

7*

ein gut Stück Romantik aus der Langue d'Oc in
den märkiſchen Sand durch die Jahrhunderte hinein¬
gerettet. Na kurz, die Geſellſchaft gehört zu der noch
immer ſo genannten franzöſiſchen Kolonie, und ich
benutze die Gelegenheit, mein Franzöſiſch zwiſchen
Leon und Leonie aufzupoliren.“

Ich hatte ihn reden laſſen müſſen. War das
der Menſch, dem ich im Innerſten doch mit meiner
deutſchen Burſchenherrlichkeit zu imponiren ge¬
wünſcht hatte? Es ging ein Zug von ſo frühreifer
Welterfahrung und Weltgewandtheit durch dies Alles,
daß ich nur verblüfft brummen konnte:

„Na, Du ſcheinſt Dich ja auch ohne Beihilfe
recht gut außerhalb des Vogelſangs und der Schul¬
ſtube orientirt zu haben!“

Da flog es dunkel über ſein eben noch ſo
lachendes Geſicht:

„Doch wohl nicht ganz ohne das, was Du
Beihilfe nennſt. Halb ſchob es, halb zog es, wenn
Du die Weiber zu den Menſchen rechneſt.“

„Du biſt ſeit vierzehn Tagen in Berlin und
in der weitern Welt, Du kraſſer Fuchs?“

„Und ich habe daheim Miß Ellen Trotzendorff
aus dem Vogelſang in den Eiſenbahnwagen erſter
Klaſſe geholfen und meiner Alten über den Zaun
des Vogelſangs verſprochen, es ferner gut zu machen.

7*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0109" n="99"/>
ein gut Stück Romantik aus der <hi rendition="#aq">Langue d'Oc</hi> in<lb/>
den märki&#x017F;chen Sand durch die Jahrhunderte hinein¬<lb/>
gerettet. Na kurz, die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gehört zu der noch<lb/>
immer &#x017F;o genannten franzö&#x017F;i&#x017F;chen Kolonie, und ich<lb/>
benutze die Gelegenheit, mein Franzö&#x017F;i&#x017F;ch zwi&#x017F;chen<lb/>
Leon und Leonie aufzupoliren.&#x201C;</p><lb/>
      <p>Ich hatte ihn reden la&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en. War das<lb/>
der Men&#x017F;ch, dem ich im Inner&#x017F;ten doch mit meiner<lb/>
deut&#x017F;chen Bur&#x017F;chenherrlichkeit zu imponiren ge¬<lb/>
wün&#x017F;cht hatte? Es ging ein Zug von &#x017F;o frühreifer<lb/>
Welterfahrung und Weltgewandtheit durch dies Alles,<lb/>
daß ich nur verblüfft brummen konnte:</p><lb/>
      <p>&#x201E;Na, Du &#x017F;chein&#x017F;t Dich ja auch ohne Beihilfe<lb/>
recht gut außerhalb des Vogel&#x017F;angs und der Schul¬<lb/>
&#x017F;tube orientirt zu haben!&#x201C;</p><lb/>
      <p>Da flog es dunkel über &#x017F;ein eben noch &#x017F;o<lb/>
lachendes Ge&#x017F;icht:</p><lb/>
      <p>&#x201E;Doch wohl nicht ganz ohne das, was Du<lb/>
Beihilfe nenn&#x017F;t. Halb &#x017F;chob es, halb zog es, wenn<lb/>
Du die Weiber zu den Men&#x017F;chen rechne&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Du bi&#x017F;t &#x017F;eit vierzehn Tagen in Berlin und<lb/>
in der weitern Welt, Du kra&#x017F;&#x017F;er Fuchs?&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Und ich habe daheim Miß Ellen Trotzendorff<lb/>
aus dem Vogel&#x017F;ang in den Ei&#x017F;enbahnwagen er&#x017F;ter<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;e geholfen und meiner Alten über den Zaun<lb/>
des Vogel&#x017F;angs ver&#x017F;prochen, es ferner gut zu machen.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7*<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0109] ein gut Stück Romantik aus der Langue d'Oc in den märkiſchen Sand durch die Jahrhunderte hinein¬ gerettet. Na kurz, die Geſellſchaft gehört zu der noch immer ſo genannten franzöſiſchen Kolonie, und ich benutze die Gelegenheit, mein Franzöſiſch zwiſchen Leon und Leonie aufzupoliren.“ Ich hatte ihn reden laſſen müſſen. War das der Menſch, dem ich im Innerſten doch mit meiner deutſchen Burſchenherrlichkeit zu imponiren ge¬ wünſcht hatte? Es ging ein Zug von ſo frühreifer Welterfahrung und Weltgewandtheit durch dies Alles, daß ich nur verblüfft brummen konnte: „Na, Du ſcheinſt Dich ja auch ohne Beihilfe recht gut außerhalb des Vogelſangs und der Schul¬ ſtube orientirt zu haben!“ Da flog es dunkel über ſein eben noch ſo lachendes Geſicht: „Doch wohl nicht ganz ohne das, was Du Beihilfe nennſt. Halb ſchob es, halb zog es, wenn Du die Weiber zu den Menſchen rechneſt.“ „Du biſt ſeit vierzehn Tagen in Berlin und in der weitern Welt, Du kraſſer Fuchs?“ „Und ich habe daheim Miß Ellen Trotzendorff aus dem Vogelſang in den Eiſenbahnwagen erſter Klaſſe geholfen und meiner Alten über den Zaun des Vogelſangs verſprochen, es ferner gut zu machen. 7*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/109
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/109>, abgerufen am 26.11.2024.