spielen anfangen, die französische Musik aber bequemer zu spielen finden, als die italiänische.
74. §.
Man hat sich zwar seit etlichen und zwanzig Jahren, insonderheit in Paris, bemühet, den italiänischen Geschmack mit dem französischen zu vermischen. Allein man findet von dem guten Erfolge bis itzo noch keine sonderlichen Merkmaale. Jn der Singmusik entschuldiget man sich im- mer mit der Sprache, daß dieselbe zu der italiänischen Singart nicht be- quem sey. Vielleicht aber hat es noch an geschikten Componisten, und guten Sängern gefehlet, um es gehörig ins Werk zu setzen. Man hat ja wohl über deutsche und engländische Worte, welche bey den Franzosen noch weniger im Credite stehen, mit gutem Erfolge im italiänischen Ge- schmacke Musik gesetzet; warum sollte es denn nicht auch über die so sehr beliebte französische Sprache angehen? Um den Franzosen dieses Vorur- theil zu benehmen, sollte man durch einen Componisten, der in der ita- liänischen Art eine schöne Arie zu machen weis, und der die französische Sprache so gut, als die italiänische versteht, über französische Worte, die nach der italiänischen Weise eingerichtet wären, eine Arie verferti- gen, und dieselbe durch einen guten italiänischen Sänger, der aber eine gute französische Aussprache haben müßte, absingen lassen. Dieses könn- te zu einer Probe dienen, ob die Schuld an der Sprache, oder an der Unwissenheit der französischen Componisten liege, wenn Musik im italiä- nischen Geschmacke sich nicht zur französischen Sprache schicken will.
75. §.
Jn der Jnstrumentalmusik möchten es die Franzosen noch eher zu etwas bringen, wenn sie sowohl in Ansehung der Composition, als der Ausführung, gute Muster von andern Völkern bey sich hätten: oder wenn ihre Componisten, Sänger, und Jnstrumentisten mehr Liebhaber wä- ren, andere Länder zu besuchen, um eine vernünftige Vermischung im Geschmacke zu machen. So lange sie sich aber noch von Vorurtheilen vor ihr eigenes Land beherrschen lassen; auch keine rechten echten und gu- ten Beyspiele von Jtaliänern, oder andern Nationen, die schon in einem vermischeten Geschmacke setzen, singen oder spielen, in ihrem Lande ha- ben; so lange sie den vermischeten Geschmack in andern Ländern nicht zu erlangen suchen: werden sie entweder bleiben wie sie vor langen Zeiten gewesen sind; oder es steht zu befürchten, daß sie, wegen des Mangels guter Muster, wenn sie ja was neues einführen wollen, aus der allzu-
großen
Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus
ſpielen anfangen, die franzoͤſiſche Muſik aber bequemer zu ſpielen finden, als die italiaͤniſche.
74. §.
Man hat ſich zwar ſeit etlichen und zwanzig Jahren, inſonderheit in Paris, bemuͤhet, den italiaͤniſchen Geſchmack mit dem franzoͤſiſchen zu vermiſchen. Allein man findet von dem guten Erfolge bis itzo noch keine ſonderlichen Merkmaale. Jn der Singmuſik entſchuldiget man ſich im- mer mit der Sprache, daß dieſelbe zu der italiaͤniſchen Singart nicht be- quem ſey. Vielleicht aber hat es noch an geſchikten Componiſten, und guten Saͤngern gefehlet, um es gehoͤrig ins Werk zu ſetzen. Man hat ja wohl uͤber deutſche und englaͤndiſche Worte, welche bey den Franzoſen noch weniger im Credite ſtehen, mit gutem Erfolge im italiaͤniſchen Ge- ſchmacke Muſik geſetzet; warum ſollte es denn nicht auch uͤber die ſo ſehr beliebte franzoͤſiſche Sprache angehen? Um den Franzoſen dieſes Vorur- theil zu benehmen, ſollte man durch einen Componiſten, der in der ita- liaͤniſchen Art eine ſchoͤne Arie zu machen weis, und der die franzoͤſiſche Sprache ſo gut, als die italiaͤniſche verſteht, uͤber franzoͤſiſche Worte, die nach der italiaͤniſchen Weiſe eingerichtet waͤren, eine Arie verferti- gen, und dieſelbe durch einen guten italiaͤniſchen Saͤnger, der aber eine gute franzoͤſiſche Ausſprache haben muͤßte, abſingen laſſen. Dieſes koͤnn- te zu einer Probe dienen, ob die Schuld an der Sprache, oder an der Unwiſſenheit der franzoͤſiſchen Componiſten liege, wenn Muſik im italiaͤ- niſchen Geſchmacke ſich nicht zur franzoͤſiſchen Sprache ſchicken will.
75. §.
Jn der Jnſtrumentalmuſik moͤchten es die Franzoſen noch eher zu etwas bringen, wenn ſie ſowohl in Anſehung der Compoſition, als der Ausfuͤhrung, gute Muſter von andern Voͤlkern bey ſich haͤtten: oder wenn ihre Componiſten, Saͤnger, und Jnſtrumentiſten mehr Liebhaber waͤ- ren, andere Laͤnder zu beſuchen, um eine vernuͤnftige Vermiſchung im Geſchmacke zu machen. So lange ſie ſich aber noch von Vorurtheilen vor ihr eigenes Land beherrſchen laſſen; auch keine rechten echten und gu- ten Beyſpiele von Jtaliaͤnern, oder andern Nationen, die ſchon in einem vermiſcheten Geſchmacke ſetzen, ſingen oder ſpielen, in ihrem Lande ha- ben; ſo lange ſie den vermiſcheten Geſchmack in andern Laͤndern nicht zu erlangen ſuchen: werden ſie entweder bleiben wie ſie vor langen Zeiten geweſen ſind; oder es ſteht zu befuͤrchten, daß ſie, wegen des Mangels guter Muſter, wenn ſie ja was neues einfuͤhren wollen, aus der allzu-
großen
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Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus
ſpielen anfangen, die franzoͤſiſche Muſik aber bequemer zu ſpielen finden,
als die italiaͤniſche.
74. §.
Man hat ſich zwar ſeit etlichen und zwanzig Jahren, inſonderheit
in Paris, bemuͤhet, den italiaͤniſchen Geſchmack mit dem franzoͤſiſchen zu
vermiſchen. Allein man findet von dem guten Erfolge bis itzo noch keine
ſonderlichen Merkmaale. Jn der Singmuſik entſchuldiget man ſich im-
mer mit der Sprache, daß dieſelbe zu der italiaͤniſchen Singart nicht be-
quem ſey. Vielleicht aber hat es noch an geſchikten Componiſten, und
guten Saͤngern gefehlet, um es gehoͤrig ins Werk zu ſetzen. Man hat
ja wohl uͤber deutſche und englaͤndiſche Worte, welche bey den Franzoſen
noch weniger im Credite ſtehen, mit gutem Erfolge im italiaͤniſchen Ge-
ſchmacke Muſik geſetzet; warum ſollte es denn nicht auch uͤber die ſo ſehr
beliebte franzoͤſiſche Sprache angehen? Um den Franzoſen dieſes Vorur-
theil zu benehmen, ſollte man durch einen Componiſten, der in der ita-
liaͤniſchen Art eine ſchoͤne Arie zu machen weis, und der die franzoͤſiſche
Sprache ſo gut, als die italiaͤniſche verſteht, uͤber franzoͤſiſche Worte,
die nach der italiaͤniſchen Weiſe eingerichtet waͤren, eine Arie verferti-
gen, und dieſelbe durch einen guten italiaͤniſchen Saͤnger, der aber eine
gute franzoͤſiſche Ausſprache haben muͤßte, abſingen laſſen. Dieſes koͤnn-
te zu einer Probe dienen, ob die Schuld an der Sprache, oder an der
Unwiſſenheit der franzoͤſiſchen Componiſten liege, wenn Muſik im italiaͤ-
niſchen Geſchmacke ſich nicht zur franzoͤſiſchen Sprache ſchicken will.
75. §.
Jn der Jnſtrumentalmuſik moͤchten es die Franzoſen noch eher zu
etwas bringen, wenn ſie ſowohl in Anſehung der Compoſition, als der
Ausfuͤhrung, gute Muſter von andern Voͤlkern bey ſich haͤtten: oder wenn
ihre Componiſten, Saͤnger, und Jnſtrumentiſten mehr Liebhaber waͤ-
ren, andere Laͤnder zu beſuchen, um eine vernuͤnftige Vermiſchung im
Geſchmacke zu machen. So lange ſie ſich aber noch von Vorurtheilen
vor ihr eigenes Land beherrſchen laſſen; auch keine rechten echten und gu-
ten Beyſpiele von Jtaliaͤnern, oder andern Nationen, die ſchon in einem
vermiſcheten Geſchmacke ſetzen, ſingen oder ſpielen, in ihrem Lande ha-
ben; ſo lange ſie den vermiſcheten Geſchmack in andern Laͤndern nicht zu
erlangen ſuchen: werden ſie entweder bleiben wie ſie vor langen Zeiten
geweſen ſind; oder es ſteht zu befuͤrchten, daß ſie, wegen des Mangels
guter Muſter, wenn ſie ja was neues einfuͤhren wollen, aus der allzu-
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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/340>, abgerufen am 25.06.2024.
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