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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Des XVII. Hauptstücks. II. Abschnitt.

Ein Arioso, Cantabile, Soave, Dolce, poco Andante,
wird gelassen, und mit einem leichten Bogenstriche, vorgetragen. Jst
auch gleich das Arioso mit verschiedenen Arten von geschwinden Noten un-
termischet; so verlangt es doch ebenfalls einen leichten und gelassenen
Strich des Bogens.

Ein Maestoso, Pomposo, Affettuoso, Adagio spiritoso,
will ernsthaft, und mit einem etwas schweren und scharfen Striche gespie-
let seyn.

Ein langsames und trauriges Stück, welches durch die Worte: Ada-
gio assai, Pesante, Lento, Largo assai, Mesto,
angedeutet
wird, erfodert die größte Mäßigung des Tones, und den längsten, ge-
lassensten, und schweresten Bogenstrich.

Ein Sostenuto, welches das Gegentheil von dem weiter unten
vorkommenden Staccato ist, und aus einem an einander hangenden ernst-
haften harmoniösen Gesange besteht, worinne viele punctirte, zu zwoen
und zwoen an einander geschleifete Noten mit angetroffen werden, pfleget
man mehrentheils mit dem Worte: Grave zu betiteln. Deswegen muß
es mit einem langen und schweren Bogenstriche, sehr unterhalten und ernst-
haft, gespielet werden.

Jn allen langsamen Stücken muß insonderheit das Ritornell, vor-
nehmlich wenn punctirte Noten vorkommen, ernsthaft gespielet werden:
damit die concertirende Stimme, wenn solche denselben Gesang zu wie-
derholen hat, sich von dem Tutti unterscheiden könne. Sind aber schmei-
chelnde Gedanken mit untermenget; so müssen selbige auf eine angenehme
Art vorgetragen werden. Bey allen, insonderheit aber bey langsamen
Stücken, müssen sich die Ausführer derselben immer in den Affect des
Componisten setzen, und solchen auszudrücken suchen. Hierzu kann nebst
andern, oben beschriebenen, Erfodernissen, auch das Ab- und Zunehmen
der Stärke des Tones viel beytragen; wofern es nämlich mit Gelassenheit,
und nicht durch ein heftiges und unangenehmes Drücken geschieht. Hätte
aber ein solches Stück das Unglück, daß der Componist bey desselben Ver-
fertigung, selbst von wenig oder von gar keinem Affecte gerühret worden
wäre: so wird freylich, bey aller Mühe der Ausführer, doch kein beson-
derer Ausdruck zu erwarten seyn.

Von der Art des Strichs, der bey der französischen Tanzmusik zu
brauchen ist, findet man im 58. §. des VII. Abschnitts dieses Haupt-
stücks, Nachricht.

27. §. Wenn
Des XVII. Hauptſtuͤcks. II. Abſchnitt.

Ein Arioſo, Cantabile, Soave, Dolce, poco Andante,
wird gelaſſen, und mit einem leichten Bogenſtriche, vorgetragen. Jſt
auch gleich das Arioſo mit verſchiedenen Arten von geſchwinden Noten un-
termiſchet; ſo verlangt es doch ebenfalls einen leichten und gelaſſenen
Strich des Bogens.

Ein Maeſtoſo, Pompoſo, Affettuoſo, Adagio ſpiritoſo,
will ernſthaft, und mit einem etwas ſchweren und ſcharfen Striche geſpie-
let ſeyn.

Ein langſames und trauriges Stuͤck, welches durch die Worte: Ada-
gio aſſai, Peſante, Lento, Largo aſſai, Meſto,
angedeutet
wird, erfodert die groͤßte Maͤßigung des Tones, und den laͤngſten, ge-
laſſenſten, und ſchwereſten Bogenſtrich.

Ein Soſtenuto, welches das Gegentheil von dem weiter unten
vorkommenden Staccato iſt, und aus einem an einander hangenden ernſt-
haften harmonioͤſen Geſange beſteht, worinne viele punctirte, zu zwoen
und zwoen an einander geſchleifete Noten mit angetroffen werden, pfleget
man mehrentheils mit dem Worte: Grave zu betiteln. Deswegen muß
es mit einem langen und ſchweren Bogenſtriche, ſehr unterhalten und ernſt-
haft, geſpielet werden.

Jn allen langſamen Stuͤcken muß inſonderheit das Ritornell, vor-
nehmlich wenn punctirte Noten vorkommen, ernſthaft geſpielet werden:
damit die concertirende Stimme, wenn ſolche denſelben Geſang zu wie-
derholen hat, ſich von dem Tutti unterſcheiden koͤnne. Sind aber ſchmei-
chelnde Gedanken mit untermenget; ſo muͤſſen ſelbige auf eine angenehme
Art vorgetragen werden. Bey allen, inſonderheit aber bey langſamen
Stuͤcken, muͤſſen ſich die Ausfuͤhrer derſelben immer in den Affect des
Componiſten ſetzen, und ſolchen auszudruͤcken ſuchen. Hierzu kann nebſt
andern, oben beſchriebenen, Erfoderniſſen, auch das Ab- und Zunehmen
der Staͤrke des Tones viel beytragen; wofern es naͤmlich mit Gelaſſenheit,
und nicht durch ein heftiges und unangenehmes Druͤcken geſchieht. Haͤtte
aber ein ſolches Stuͤck das Ungluͤck, daß der Componiſt bey deſſelben Ver-
fertigung, ſelbſt von wenig oder von gar keinem Affecte geruͤhret worden
waͤre: ſo wird freylich, bey aller Muͤhe der Ausfuͤhrer, doch kein beſon-
derer Ausdruck zu erwarten ſeyn.

Von der Art des Strichs, der bey der franzoͤſiſchen Tanzmuſik zu
brauchen iſt, findet man im 58. §. des VII. Abſchnitts dieſes Haupt-
ſtuͤcks, Nachricht.

27. §. Wenn
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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/218>, abgerufen am 23.05.2024.