zweck erreichen sollen, gegenwärtig viel ein mehreres zu wissen nöthig ha- ben, als vor Alters nicht erfodert wurde.
4. §.
Betrachtet man aber deu Zustand der meisten Musiken, so wohl an Höfen, als in Republiken und Städten, so findet sich im Accompagne- ment, vornehmlich wegen der großen Ungleichheit im Spielen, eine so große Unvollkommenheit, die sich keiner einbilden kann, er habe sie denn selbst erfahren: woraus nichts anders zu schlüßen ist, als daß manche schöne Composition verstümmelt werden müsse; und daß die Ausführung deswegen einer Verbesserung nothwendig bedürfe.
5. §.
Zu dieser Verbesserung kann durch nichts anders, als entweder durch einen mündlichen oder schriftlichen Unterricht, der Grund gelegt werden. Da nun das erstere selten geschieht: weil es bey den meisten Musiken an einem guten Anführer, der die gehörige Einsicht hat, fehlet; das letztere aber, meines Wissens, noch niemals geschehen ist: so habe ich mich zu dem Ende entschlossen, hiermit einen Anfang und Versuch zu machen, denen, so eine aufrichiige Begierde haben, ihren Pflichten im Accompa- gnement eine Gnüge zu leisten, mit meiner wenigen, doch aus langer Erfahrung und Uebung erlangten Einsicht, zu dienen; und das, was bey dem Accompagnement am meisten beobachtet werden muß, so viel als möglich ist, zu erklären.
6. §.
Damit ein jeder das, was ihn ins besondere angeht, ohne vieles Nachsuchen gleich finden könne, will ich dieses Hauptstück in verschiedene Abschnitte eintheilen; und erstlich die Eigenschaften eines Anführers der Musik beschreiben; alsdenn die Pflichten, so dem Ausführer einer jeden von den begleitenden Stimmen ins besondere obliegen, bemerken; zuletzt aber, einige nothwendige Anmerkungeu, welche alle Begleiter zugleich angehen, beyfügen. Die Lehre vom Bogenstriche, und was dem anhängig ist, handele ich zwar bey den Pflichten der Violinisten allein ab: weil aber doch dabey Vieles mit vorkömmt, welches sich auch die Bratschisten und Baßinstrumentisten zu Nutze machen können; und ich solches, um nicht ohne Noth weitläuftig zu werden, bey den Abschnitten so diesen Jn- strumenten gewidmet sind, nicht nochmals habe wiederholen wollen: so werden alle übrigen Bogeninstrumentisten wohl thun, wenn sie auch die- sen Abschnitt durchzulesen belieben wollen. Was aber den Strich eines
jeden
DasXVII.Hauptſtuͤck. Von den Pflichten derer, ꝛc.
zweck erreichen ſollen, gegenwaͤrtig viel ein mehreres zu wiſſen noͤthig ha- ben, als vor Alters nicht erfodert wurde.
4. §.
Betrachtet man aber deu Zuſtand der meiſten Muſiken, ſo wohl an Hoͤfen, als in Republiken und Staͤdten, ſo findet ſich im Accompagne- ment, vornehmlich wegen der großen Ungleichheit im Spielen, eine ſo große Unvollkommenheit, die ſich keiner einbilden kann, er habe ſie denn ſelbſt erfahren: woraus nichts anders zu ſchluͤßen iſt, als daß manche ſchoͤne Compoſition verſtuͤmmelt werden muͤſſe; und daß die Ausfuͤhrung deswegen einer Verbeſſerung nothwendig beduͤrfe.
5. §.
Zu dieſer Verbeſſerung kann durch nichts anders, als entweder durch einen muͤndlichen oder ſchriftlichen Unterricht, der Grund gelegt werden. Da nun das erſtere ſelten geſchieht: weil es bey den meiſten Muſiken an einem guten Anfuͤhrer, der die gehoͤrige Einſicht hat, fehlet; das letztere aber, meines Wiſſens, noch niemals geſchehen iſt: ſo habe ich mich zu dem Ende entſchloſſen, hiermit einen Anfang und Verſuch zu machen, denen, ſo eine aufrichiige Begierde haben, ihren Pflichten im Accompa- gnement eine Gnuͤge zu leiſten, mit meiner wenigen, doch aus langer Erfahrung und Uebung erlangten Einſicht, zu dienen; und das, was bey dem Accompagnement am meiſten beobachtet werden muß, ſo viel als moͤglich iſt, zu erklaͤren.
6. §.
Damit ein jeder das, was ihn ins beſondere angeht, ohne vieles Nachſuchen gleich finden koͤnne, will ich dieſes Hauptſtuͤck in verſchiedene Abſchnitte eintheilen; und erſtlich die Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der Muſik beſchreiben; alsdenn die Pflichten, ſo dem Ausfuͤhrer einer jeden von den begleitenden Stimmen ins beſondere obliegen, bemerken; zuletzt aber, einige nothwendige Anmerkungeu, welche alle Begleiter zugleich angehen, beyfuͤgen. Die Lehre vom Bogenſtriche, und was dem anhaͤngig iſt, handele ich zwar bey den Pflichten der Violiniſten allein ab: weil aber doch dabey Vieles mit vorkoͤmmt, welches ſich auch die Bratſchiſten und Baßinſtrumentiſten zu Nutze machen koͤnnen; und ich ſolches, um nicht ohne Noth weitlaͤuftig zu werden, bey den Abſchnitten ſo dieſen Jn- ſtrumenten gewidmet ſind, nicht nochmals habe wiederholen wollen: ſo werden alle uͤbrigen Bogeninſtrumentiſten wohl thun, wenn ſie auch die- ſen Abſchnitt durchzuleſen belieben wollen. Was aber den Strich eines
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Das XVII. Hauptſtuͤck. Von den Pflichten derer, ꝛc.
zweck erreichen ſollen, gegenwaͤrtig viel ein mehreres zu wiſſen noͤthig ha-
ben, als vor Alters nicht erfodert wurde.
4. §.
Betrachtet man aber deu Zuſtand der meiſten Muſiken, ſo wohl an
Hoͤfen, als in Republiken und Staͤdten, ſo findet ſich im Accompagne-
ment, vornehmlich wegen der großen Ungleichheit im Spielen, eine ſo
große Unvollkommenheit, die ſich keiner einbilden kann, er habe ſie denn
ſelbſt erfahren: woraus nichts anders zu ſchluͤßen iſt, als daß manche
ſchoͤne Compoſition verſtuͤmmelt werden muͤſſe; und daß die Ausfuͤhrung
deswegen einer Verbeſſerung nothwendig beduͤrfe.
5. §.
Zu dieſer Verbeſſerung kann durch nichts anders, als entweder durch
einen muͤndlichen oder ſchriftlichen Unterricht, der Grund gelegt werden.
Da nun das erſtere ſelten geſchieht: weil es bey den meiſten Muſiken an
einem guten Anfuͤhrer, der die gehoͤrige Einſicht hat, fehlet; das letztere
aber, meines Wiſſens, noch niemals geſchehen iſt: ſo habe ich mich zu
dem Ende entſchloſſen, hiermit einen Anfang und Verſuch zu machen,
denen, ſo eine aufrichiige Begierde haben, ihren Pflichten im Accompa-
gnement eine Gnuͤge zu leiſten, mit meiner wenigen, doch aus langer
Erfahrung und Uebung erlangten Einſicht, zu dienen; und das, was bey
dem Accompagnement am meiſten beobachtet werden muß, ſo viel als
moͤglich iſt, zu erklaͤren.
6. §.
Damit ein jeder das, was ihn ins beſondere angeht, ohne vieles
Nachſuchen gleich finden koͤnne, will ich dieſes Hauptſtuͤck in verſchiedene
Abſchnitte eintheilen; und erſtlich die Eigenſchaften eines Anfuͤhrers der
Muſik beſchreiben; alsdenn die Pflichten, ſo dem Ausfuͤhrer einer jeden
von den begleitenden Stimmen ins beſondere obliegen, bemerken; zuletzt
aber, einige nothwendige Anmerkungeu, welche alle Begleiter zugleich
angehen, beyfuͤgen. Die Lehre vom Bogenſtriche, und was dem anhaͤngig
iſt, handele ich zwar bey den Pflichten der Violiniſten allein ab: weil
aber doch dabey Vieles mit vorkoͤmmt, welches ſich auch die Bratſchiſten
und Baßinſtrumentiſten zu Nutze machen koͤnnen; und ich ſolches, um
nicht ohne Noth weitlaͤuftig zu werden, bey den Abſchnitten ſo dieſen Jn-
ſtrumenten gewidmet ſind, nicht nochmals habe wiederholen wollen: ſo
werden alle uͤbrigen Bogeninſtrumentiſten wohl thun, wenn ſie auch die-
ſen Abſchnitt durchzuleſen belieben wollen. Was aber den Strich eines
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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/194>, abgerufen am 01.07.2024.
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