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Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691.

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Vorrede.
tragen. Ferner/ was wäre es nöthig gewe-
sen/ den Ehebruch unter solche Ehleu-
ten zu verbieten/ die einander mit so gar
brünstiger und unverfälschter Liebe wä-
ren zugethan gewesen? Oder/ warum
hätte man den Diebstahl untersagen
sollen/ da doch kein Geitz und kein Man-
gel zu spüren gewesen/ und da niemand
das jenige vor sein Eigenthum würde ge-
halten haben/ womit er den andern hät-
te dienen können? Weßwegen solte der
grosse GOTT zu der Zeit ein Verbot auf
die falschen Zeugnisse geleget haben/
da noch niemand (wie heutiges Tages)
in Schänden und Schmähen eine Ehre
würde gesuchet haben? Schicken sich al-
so die Worte des klugen Taciti wohl hie-
her: Es hingen die Leute vor Al-
ters
(im Stande der Unschuld) ihren
bösen Begierden nicht so nach/
wie heutiges Tages/ sondern sie
lebten ehrlich und aufrichtig/
und brauchte es dannenhero bey
ihnen keiner Straffe. Denn weil
sie nichts Unrechtes verlangten/
so durften sie sich auch keiner har-

ten

Vorrede.
tragen. Ferner/ was waͤre es noͤthig gewe-
ſen/ den Ehebruch unter ſolchē Ehleu-
ten zu verbieten/ die einander mit ſo gar
bruͤnſtiger und unverfaͤlſchter Liebe waͤ-
ren zugethan geweſen? Oder/ warum
haͤtte man den Diebſtahl unterſagen
ſollen/ da doch kein Geitz und kein Man-
gel zu ſpuͤren geweſen/ und da niemand
das jenige vor ſein Eigenthum wuͤrde ge-
halten haben/ womit er den andern haͤt-
te dienen koͤnnen? Weßwegen ſolte der
groſſe GOTT zu der Zeit ein Verbot auf
die falſchen Zeugniſſe geleget haben/
da noch niemand (wie heutiges Tages)
in Schaͤnden und Schmaͤhen eine Ehre
wuͤrde geſuchet haben? Schicken ſich al-
ſo die Worte des klugen Taciti wohl hie-
her: Es hingen die Leute vor Al-
ters
(im Stande der Unſchuld) ihren
boͤſen Begierden nicht ſo nach/
wie heutiges Tages/ ſondern ſie
lebten ehrlich und aufrichtig/
und brauchte es dannenhero bey
ihnen keiner Straffe. Denn weil
ſie nichts Unrechtes verlangten/
ſo durften ſie ſich auch keiner har-

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[0047] Vorrede. tragen. Ferner/ was waͤre es noͤthig gewe- ſen/ den Ehebruch unter ſolchē Ehleu- ten zu verbieten/ die einander mit ſo gar bruͤnſtiger und unverfaͤlſchter Liebe waͤ- ren zugethan geweſen? Oder/ warum haͤtte man den Diebſtahl unterſagen ſollen/ da doch kein Geitz und kein Man- gel zu ſpuͤren geweſen/ und da niemand das jenige vor ſein Eigenthum wuͤrde ge- halten haben/ womit er den andern haͤt- te dienen koͤnnen? Weßwegen ſolte der groſſe GOTT zu der Zeit ein Verbot auf die falſchen Zeugniſſe geleget haben/ da noch niemand (wie heutiges Tages) in Schaͤnden und Schmaͤhen eine Ehre wuͤrde geſuchet haben? Schicken ſich al- ſo die Worte des klugen Taciti wohl hie- her: Es hingen die Leute vor Al- ters (im Stande der Unſchuld) ihren boͤſen Begierden nicht ſo nach/ wie heutiges Tages/ ſondern ſie lebten ehrlich und aufrichtig/ und brauchte es dannenhero bey ihnen keiner Straffe. Denn weil ſie nichts Unrechtes verlangten/ ſo durften ſie ſich auch keiner har- ten

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Zitationshilfe: Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/47>, abgerufen am 27.04.2024.