Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691.drittes Capitel. leicht böse seyn/ oder niemand be-schädigen/ es wäre denn/ daß man sie mit Fleiß darzu anreitzete. Allein der Mensch ist allezeit zur Geilheit geneiget/ wird auch durch deren Trieb viel öffters angespornet/ als es die Erhaltung seines Geschlechtes zu erfordern scheinet. Der Bauch nicht allein gesättiget seyn/ sondern auch was delicates und niedliches haben/ und schlucket offt mehr in sich/ als die Natur vertragen kan. Die unvernünfftigen Thiere seynd von Natur so versehen/ daß sie keiner Kleider bedürffen; Allein der Mensch wil nicht nur zur Noth/ sondern auch zum Pracht/ und Uberflusse gekleidet seyn. Uber dis/ so findet man nun bey den Menschen noch viele Affe- cten/ und Begierden/ davon die un- vernünfftigen Thiere gantz und gar nichts wissen/ als das Verlangen nach grosser Ubermasse/ den Geitz/ Ehr- sucht/ D 7
drittes Capitel. leicht boͤſe ſeyn/ oder niemand be-ſchaͤdigen/ es waͤre denn/ daß man ſie mit Fleiß darzu anreitzete. Allein der Menſch iſt allezeit zur Geilheit geneiget/ wird auch durch deren Trieb viel oͤffters angeſpornet/ als es die Erhaltung ſeines Geſchlechtes zu erfordern ſcheinet. Der Bauch nicht allein geſaͤttiget ſeyn/ ſondern auch was delicates und niedliches haben/ und ſchlucket offt mehr in ſich/ als die Natur vertragen kan. Die unvernuͤnfftigen Thiere ſeynd von Natur ſo verſehen/ daß ſie keiner Kleider beduͤrffen; Allein der Menſch wil nicht nur zur Noth/ ſondern auch zum Pracht/ und Uberfluſſe gekleidet ſeyn. Uber dis/ ſo findet man nun bey den Menſchen noch viele Affe- cten/ und Begierden/ davon die un- vernuͤnfftigen Thiere gantz und gar nichts wiſſen/ als das Verlangẽ nach groſſer Ubermaſſe/ den Geitz/ Ehr- ſucht/ D 7
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drittes Capitel.
leicht boͤſe ſeyn/ oder niemand be-
ſchaͤdigen/ es waͤre denn/ daß man
ſie mit Fleiß darzu anreitzete. Allein
der Menſch iſt allezeit zur Geilheit
geneiget/ wird auch durch deren
Trieb viel oͤffters angeſpornet/ als
es die Erhaltung ſeines Geſchlechtes
zu erfordern ſcheinet. Der Bauch
nicht allein geſaͤttiget ſeyn/ ſondern
auch was delicates und niedliches
haben/ und ſchlucket offt mehr in ſich/
als die Natur vertragen kan. Die
unvernuͤnfftigen Thiere ſeynd von
Natur ſo verſehen/ daß ſie keiner
Kleider beduͤrffen; Allein der Menſch
wil nicht nur zur Noth/ ſondern auch
zum Pracht/ und Uberfluſſe gekleidet
ſeyn. Uber dis/ ſo findet man nun
bey den Menſchen noch viele Affe-
cten/ und Begierden/ davon die un-
vernuͤnfftigen Thiere gantz und gar
nichts wiſſen/ als das Verlangẽ nach
groſſer Ubermaſſe/ den Geitz/ Ehr-
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