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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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5) K. Gerichtb. in evang. geistl. Sach.
für sich, daß ihm das Wohl seiner Unterthanen
nicht gleichgültig sey, so wird er schon dafür sor-
gen, die Consistorien so zu besetzen und in solcher
Ordnung zu halten, daß die Rechtspflege auch in
geistlichen Sachen ihren gehörigen Gang gehet,
und daß allenfalls auch solchen Partheyen, die sich
für beschwert halten, es nicht an Rechtsmitteln
fehle, um noch mittelst anderweiter Verschickung
der Acten oder auch unmittelbar beym Landesherrn
und bey dessen Ministern Gehör zu finden.

Ueberall ist also bey weitem kein solch UnheilXXV.
zu besorgen, wie es dem ersten Ansehen nach scheint,
wenn gleich keine Nullitätsklagen so wenig in evan-
gelischen als catholischen geistlichen Sachen bey
Reichsgerichten statt finden. Auf der andern Sei-
te würde hingegen kaum ein Ende abzusehen seyn,
wenn auch nur zwischen Appellationen und Nulli-
tären
eine richtige Gränzlinie gezogen werden sollte.
Aus verschiedenen Beyspielen hat man bisher schon
die Erfahrung machen können, daß einem Advo-
caten so schwer nicht fällt, einen Appellationslibell
in eine Nichtigkeitsklage zu verwandeln (u). Viele

ande-
(u) So appellirte im Jahre 1747. ein evangeli-
scher Prediger, Doctor Gläsener, zu Hildesheim,
den das dortige evangelische Consistorium in Gefolg
eines von der theologischen und juristischen Facul-
tät zu Leipzig eingeholten Urtheils wegen Wider-
setzlichkeit gegen seine Oberen abgesetzt hatte, an
den Reichshofrath, und im Jahre 1754. ein zu
Hamburg abgesetzter Conrector an das Cammerge-
richt. Beide Appellationen wurden aber bey den
Reichsgerichten als Nullitätsklagen eingeführt.
Wegen der erstern Sache erließ das evangelische
Corpus am 4. Apr. 1750. ein besonderes Vor-
stel-
E e 2

5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach.
fuͤr ſich, daß ihm das Wohl ſeiner Unterthanen
nicht gleichguͤltig ſey, ſo wird er ſchon dafuͤr ſor-
gen, die Conſiſtorien ſo zu beſetzen und in ſolcher
Ordnung zu halten, daß die Rechtspflege auch in
geiſtlichen Sachen ihren gehoͤrigen Gang gehet,
und daß allenfalls auch ſolchen Partheyen, die ſich
fuͤr beſchwert halten, es nicht an Rechtsmitteln
fehle, um noch mittelſt anderweiter Verſchickung
der Acten oder auch unmittelbar beym Landesherrn
und bey deſſen Miniſtern Gehoͤr zu finden.

Ueberall iſt alſo bey weitem kein ſolch UnheilXXV.
zu beſorgen, wie es dem erſten Anſehen nach ſcheint,
wenn gleich keine Nullitaͤtsklagen ſo wenig in evan-
geliſchen als catholiſchen geiſtlichen Sachen bey
Reichsgerichten ſtatt finden. Auf der andern Sei-
te wuͤrde hingegen kaum ein Ende abzuſehen ſeyn,
wenn auch nur zwiſchen Appellationen und Nulli-
taͤren
eine richtige Graͤnzlinie gezogen werden ſollte.
Aus verſchiedenen Beyſpielen hat man bisher ſchon
die Erfahrung machen koͤnnen, daß einem Advo-
caten ſo ſchwer nicht faͤllt, einen Appellationslibell
in eine Nichtigkeitsklage zu verwandeln (u). Viele

ande-
(u) So appellirte im Jahre 1747. ein evangeli-
ſcher Prediger, Doctor Glaͤſener, zu Hildesheim,
den das dortige evangeliſche Conſiſtorium in Gefolg
eines von der theologiſchen und juriſtiſchen Facul-
taͤt zu Leipzig eingeholten Urtheils wegen Wider-
ſetzlichkeit gegen ſeine Oberen abgeſetzt hatte, an
den Reichshofrath, und im Jahre 1754. ein zu
Hamburg abgeſetzter Conrector an das Cammerge-
richt. Beide Appellationen wurden aber bey den
Reichsgerichten als Nullitaͤtsklagen eingefuͤhrt.
Wegen der erſtern Sache erließ das evangeliſche
Corpus am 4. Apr. 1750. ein beſonderes Vor-
ſtel-
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[435/0477] 5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach. fuͤr ſich, daß ihm das Wohl ſeiner Unterthanen nicht gleichguͤltig ſey, ſo wird er ſchon dafuͤr ſor- gen, die Conſiſtorien ſo zu beſetzen und in ſolcher Ordnung zu halten, daß die Rechtspflege auch in geiſtlichen Sachen ihren gehoͤrigen Gang gehet, und daß allenfalls auch ſolchen Partheyen, die ſich fuͤr beſchwert halten, es nicht an Rechtsmitteln fehle, um noch mittelſt anderweiter Verſchickung der Acten oder auch unmittelbar beym Landesherrn und bey deſſen Miniſtern Gehoͤr zu finden. Ueberall iſt alſo bey weitem kein ſolch Unheil zu beſorgen, wie es dem erſten Anſehen nach ſcheint, wenn gleich keine Nullitaͤtsklagen ſo wenig in evan- geliſchen als catholiſchen geiſtlichen Sachen bey Reichsgerichten ſtatt finden. Auf der andern Sei- te wuͤrde hingegen kaum ein Ende abzuſehen ſeyn, wenn auch nur zwiſchen Appellationen und Nulli- taͤren eine richtige Graͤnzlinie gezogen werden ſollte. Aus verſchiedenen Beyſpielen hat man bisher ſchon die Erfahrung machen koͤnnen, daß einem Advo- caten ſo ſchwer nicht faͤllt, einen Appellationslibell in eine Nichtigkeitsklage zu verwandeln (u). Viele ande- XXV. (u) So appellirte im Jahre 1747. ein evangeli- ſcher Prediger, Doctor Glaͤſener, zu Hildesheim, den das dortige evangeliſche Conſiſtorium in Gefolg eines von der theologiſchen und juriſtiſchen Facul- taͤt zu Leipzig eingeholten Urtheils wegen Wider- ſetzlichkeit gegen ſeine Oberen abgeſetzt hatte, an den Reichshofrath, und im Jahre 1754. ein zu Hamburg abgeſetzter Conrector an das Cammerge- richt. Beide Appellationen wurden aber bey den Reichsgerichten als Nullitaͤtsklagen eingefuͤhrt. Wegen der erſtern Sache erließ das evangeliſche Corpus am 4. Apr. 1750. ein beſonderes Vor- ſtel- E e 2

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/477>, abgerufen am 18.05.2024.