Ein ähnliches Beyspiel kann nach unsererXXII. Reichsverfassung das Recht der Zölle abgeben. Ei- nen Zoll kann kein Reichsstand vermöge seiner Lan- deshoheit anlegen, sondern es wird eine besondere kaiserliche Concession mit Einwilligung der Chur- fürsten dazu erfordert. Gleichwohl haben die mei- sten Reichsstände Zölle. Und wer einen Zoll hat, sieht ihn als ein Hoheitsrecht an, das freylich or- dentlicher Weise keinem Landsassen zugestanden wird. Darum kann man doch nicht sagen, daß das Zollrecht den Reichsständen vermöge der Lan- deshoheit zukomme. Ungefähr eben so läßt sich davon die Anwendung in ihrer Art auf die geistli- che Gerichtbarkeit der evangelischen Reichsstände machen.
In den meisten evangelischen Ländern sind zurXXIII. Ausübung der geistlichen Gerichtbarkeit und ande- rer geistlichen Hoheitsrechte eigne Consistorien an- geordnet, die theils aus geistlichen theils aus welt- lichen Räthen zu bestehen pflegen. Alsdann fällt selbst äußerlich der Unterschied eben so in die Au- gen, wie in catholischen geistlichen Ländern die Vica- riate von Regierungen und Staatsministerien unter- schieden, und nur letztere, nicht jene den Reichsge- richten unterworfen sind. Aber wo auch in ein oder anderem Lande, und insonderheit vorzüglich in manchen Reichsstädten, keine eigne Consistorien angeordnet sind, sondern die ordentliche Landes- oder Stadt-Obrigkeit diese Sachen mit versieht; da bleibt doch die Natur der Sachen immer eben dieselbe. So wenig es aufhöret eine Lehnssache zu seyn, wenn gleich heutiges Tages an den mei- sten reichsständischen Höfen die Regierungen die
Lehns-
P. Entw. d. Staatsverf. Th.II. E e
5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach.
Ein aͤhnliches Beyſpiel kann nach unſererXXII. Reichsverfaſſung das Recht der Zoͤlle abgeben. Ei- nen Zoll kann kein Reichsſtand vermoͤge ſeiner Lan- deshoheit anlegen, ſondern es wird eine beſondere kaiſerliche Conceſſion mit Einwilligung der Chur- fuͤrſten dazu erfordert. Gleichwohl haben die mei- ſten Reichsſtaͤnde Zoͤlle. Und wer einen Zoll hat, ſieht ihn als ein Hoheitsrecht an, das freylich or- dentlicher Weiſe keinem Landſaſſen zugeſtanden wird. Darum kann man doch nicht ſagen, daß das Zollrecht den Reichsſtaͤnden vermoͤge der Lan- deshoheit zukomme. Ungefaͤhr eben ſo laͤßt ſich davon die Anwendung in ihrer Art auf die geiſtli- che Gerichtbarkeit der evangeliſchen Reichsſtaͤnde machen.
In den meiſten evangeliſchen Laͤndern ſind zurXXIII. Ausuͤbung der geiſtlichen Gerichtbarkeit und ande- rer geiſtlichen Hoheitsrechte eigne Conſiſtorien an- geordnet, die theils aus geiſtlichen theils aus welt- lichen Raͤthen zu beſtehen pflegen. Alsdann faͤllt ſelbſt aͤußerlich der Unterſchied eben ſo in die Au- gen, wie in catholiſchen geiſtlichen Laͤndern die Vica- riate von Regierungen und Staatsminiſterien unter- ſchieden, und nur letztere, nicht jene den Reichsge- richten unterworfen ſind. Aber wo auch in ein oder anderem Lande, und inſonderheit vorzuͤglich in manchen Reichsſtaͤdten, keine eigne Conſiſtorien angeordnet ſind, ſondern die ordentliche Landes- oder Stadt-Obrigkeit dieſe Sachen mit verſieht; da bleibt doch die Natur der Sachen immer eben dieſelbe. So wenig es aufhoͤret eine Lehnsſache zu ſeyn, wenn gleich heutiges Tages an den mei- ſten reichsſtaͤndiſchen Hoͤfen die Regierungen die
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5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach.
Ein aͤhnliches Beyſpiel kann nach unſerer
Reichsverfaſſung das Recht der Zoͤlle abgeben. Ei-
nen Zoll kann kein Reichsſtand vermoͤge ſeiner Lan-
deshoheit anlegen, ſondern es wird eine beſondere
kaiſerliche Conceſſion mit Einwilligung der Chur-
fuͤrſten dazu erfordert. Gleichwohl haben die mei-
ſten Reichsſtaͤnde Zoͤlle. Und wer einen Zoll hat,
ſieht ihn als ein Hoheitsrecht an, das freylich or-
dentlicher Weiſe keinem Landſaſſen zugeſtanden
wird. Darum kann man doch nicht ſagen, daß
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deshoheit zukomme. Ungefaͤhr eben ſo laͤßt ſich
davon die Anwendung in ihrer Art auf die geiſtli-
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In den meiſten evangeliſchen Laͤndern ſind zur
Ausuͤbung der geiſtlichen Gerichtbarkeit und ande-
rer geiſtlichen Hoheitsrechte eigne Conſiſtorien an-
geordnet, die theils aus geiſtlichen theils aus welt-
lichen Raͤthen zu beſtehen pflegen. Alsdann faͤllt
ſelbſt aͤußerlich der Unterſchied eben ſo in die Au-
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riate von Regierungen und Staatsminiſterien unter-
ſchieden, und nur letztere, nicht jene den Reichsge-
richten unterworfen ſind. Aber wo auch in ein
oder anderem Lande, und inſonderheit vorzuͤglich
in manchen Reichsſtaͤdten, keine eigne Conſiſtorien
angeordnet ſind, ſondern die ordentliche Landes-
oder Stadt-Obrigkeit dieſe Sachen mit verſieht;
da bleibt doch die Natur der Sachen immer eben
dieſelbe. So wenig es aufhoͤret eine Lehnsſache
zu ſeyn, wenn gleich heutiges Tages an den mei-
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/475>, abgerufen am 22.11.2024.
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