evangelischen Reichshofräthen mit gutem Bedachte eine Einmüthigkeit der Stimmen erforderte, wenn sie die Mehrheit der Stimmen von Seiten des ganzen Reichsgerichts unkräftig machen sollten. Aber unter vierzig und mehr Stimmen, die z. B. im Reichsfürstenrathe zum evangelischen Religions- theile gehören, eine völlige Einmüthigkeit zu er- fordern, das wollte weit mehr sagen. Da geschah es also wieder mit gutem Bedachte, daß bey der Trennung beider Religionstheile in reichsständi- schen Versammlungen diese Einschränkung nicht hinzugefügt wurde.
Man berief sich zwar von catholischer SeiteXIII. noch darauf, daß das Wort partes hier soviel als zwey Partheyen bedeute, und also voraussetze, daß beide Religionstheile als zwey Partheyen, auf der einen Seite alle catholische, auf der andern alle evangelische Stände, gegen einander ständen, und jeder Theil seine eigne Meynung behauptete. Das kann man in so weit zugeben, daß eine jede Parthey vollständig zur Berathschlagung schreitet, und davon keines ihrer Mitglieder ausschließt. Allein daß in dieser Berathschlagung selbst nicht die Mehrheit der Stimmen gelten, sondern eine völli- ge Einmüthigkeit nöthig seyn sollte, daß also auch nur eine oder andere Mitglieder dieser Versamm- lung den Schluß der ganzen Versammlung ent- kräften könnten, und daß man alsdann nicht mehr sagen dürfte, daß beide Religionstheile als zwey Partheyen gegen einander ständen; das läßt sich mit Grunde nicht behaupten. Oder man müßte auch behaupten wollen, daß z. B. der Bairische und der Schwäbische Kreis, indem sie darüber
strit-
P. Entw. d. Staatsverf. Th.II. C c
3) Ius eundi in partes 1712-1727.
evangeliſchen Reichshofraͤthen mit gutem Bedachte eine Einmuͤthigkeit der Stimmen erforderte, wenn ſie die Mehrheit der Stimmen von Seiten des ganzen Reichsgerichts unkraͤftig machen ſollten. Aber unter vierzig und mehr Stimmen, die z. B. im Reichsfuͤrſtenrathe zum evangeliſchen Religions- theile gehoͤren, eine voͤllige Einmuͤthigkeit zu er- fordern, das wollte weit mehr ſagen. Da geſchah es alſo wieder mit gutem Bedachte, daß bey der Trennung beider Religionstheile in reichsſtaͤndi- ſchen Verſammlungen dieſe Einſchraͤnkung nicht hinzugefuͤgt wurde.
Man berief ſich zwar von catholiſcher SeiteXIII. noch darauf, daß das Wort partes hier ſoviel als zwey Partheyen bedeute, und alſo vorausſetze, daß beide Religionstheile als zwey Partheyen, auf der einen Seite alle catholiſche, auf der andern alle evangeliſche Staͤnde, gegen einander ſtaͤnden, und jeder Theil ſeine eigne Meynung behauptete. Das kann man in ſo weit zugeben, daß eine jede Parthey vollſtaͤndig zur Berathſchlagung ſchreitet, und davon keines ihrer Mitglieder ausſchließt. Allein daß in dieſer Berathſchlagung ſelbſt nicht die Mehrheit der Stimmen gelten, ſondern eine voͤlli- ge Einmuͤthigkeit noͤthig ſeyn ſollte, daß alſo auch nur eine oder andere Mitglieder dieſer Verſamm- lung den Schluß der ganzen Verſammlung ent- kraͤften koͤnnten, und daß man alsdann nicht mehr ſagen duͤrfte, daß beide Religionstheile als zwey Partheyen gegen einander ſtaͤnden; das laͤßt ſich mit Grunde nicht behaupten. Oder man muͤßte auch behaupten wollen, daß z. B. der Bairiſche und der Schwaͤbiſche Kreis, indem ſie daruͤber
ſtrit-
P. Entw. d. Staatsverf. Th.II. C c
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3) Ius eundi in partes 1712-1727.
evangeliſchen Reichshofraͤthen mit gutem Bedachte
eine Einmuͤthigkeit der Stimmen erforderte, wenn
ſie die Mehrheit der Stimmen von Seiten des
ganzen Reichsgerichts unkraͤftig machen ſollten.
Aber unter vierzig und mehr Stimmen, die z. B.
im Reichsfuͤrſtenrathe zum evangeliſchen Religions-
theile gehoͤren, eine voͤllige Einmuͤthigkeit zu er-
fordern, das wollte weit mehr ſagen. Da geſchah
es alſo wieder mit gutem Bedachte, daß bey der
Trennung beider Religionstheile in reichsſtaͤndi-
ſchen Verſammlungen dieſe Einſchraͤnkung nicht
hinzugefuͤgt wurde.
Man berief ſich zwar von catholiſcher Seite
noch darauf, daß das Wort partes hier ſoviel als
zwey Partheyen bedeute, und alſo vorausſetze,
daß beide Religionstheile als zwey Partheyen, auf
der einen Seite alle catholiſche, auf der andern
alle evangeliſche Staͤnde, gegen einander ſtaͤnden,
und jeder Theil ſeine eigne Meynung behauptete.
Das kann man in ſo weit zugeben, daß eine jede
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und davon keines ihrer Mitglieder ausſchließt.
Allein daß in dieſer Berathſchlagung ſelbſt nicht die
Mehrheit der Stimmen gelten, ſondern eine voͤlli-
ge Einmuͤthigkeit noͤthig ſeyn ſollte, daß alſo auch
nur eine oder andere Mitglieder dieſer Verſamm-
lung den Schluß der ganzen Verſammlung ent-
kraͤften koͤnnten, und daß man alsdann nicht mehr
ſagen duͤrfte, daß beide Religionstheile als zwey
Partheyen gegen einander ſtaͤnden; das laͤßt ſich
mit Grunde nicht behaupten. Oder man muͤßte
auch behaupten wollen, daß z. B. der Bairiſche
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XIII.
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/443>, abgerufen am 16.02.2025.
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