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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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IX. Leop. u. Joseph I. 1657-1711.
pitulation und Römischen Königswahl gemachte
Hoffnung bisher so wenig in ihre Erfüllung gegan-
gen war, -- drangen jetzt desto eifriger darauf,
daß vor oder doch zugleich mit der Berathschla-
gung über die Türkenhülfe auch die beständige
Wahlcapitulation vorgenommen werden sollte. Zu
Aufrechthaltung ihrer Gerechtsame hatten sie (1662.
Apr. 10/20.) so gar in Nachahmung der Churverein
eine besondere Fürstenverein unter einander errich-
tet. Sie brachten es also dahin, daß unmittel-
bar, nachdem die vom Kaiser begehrte Türkenhül-
fe bewilliget war, auch an die beständige Wahl-
capitulation Hand angelegt wurde. Ein Entwurf
derselben kam in wenig Wochen zu Stande; allein
nun erhob sich ein neuer Streit über den Eingang
und Schluß, worin sich die Churfürsten das Recht
neue Zusätze einzurücken vorbehalten wollten. Da-
zu kamen bald so viel andere neue Gegenstände
wichtiger Berathschlagungen, daß sich der Reichs-
tag in eine ungewöhnliche Länge verzog, und end-
lich dessen Verewigung daraus erfolgte, wie sich
dadurch bis auf den heutigen Tag unsere Reichs-
verfassung als einzig in ihrer Art auszeichnet, daß
nicht, wie es bisher gehalten war, und wie es noch
jetzt in anderen Reichen, wo Reichsstände sind,
gewöhnlich ist, ein Reichstag jedesmal nur gewisse
Zeit währt, sondern auf beständig seinen Fortgang
behält.


VII.

Damit hat nun unser Reichstag selbst eine
sehr veränderte Gestalt bekommen. So lange er
nur von kurzer Dauer war, erwartete man immer,
daß sowohl der Kaiser als die Churfürsten, Für-
sten, Grafen und Prälaten, wo nicht alle, doch

gu-

IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.
pitulation und Roͤmiſchen Koͤnigswahl gemachte
Hoffnung bisher ſo wenig in ihre Erfuͤllung gegan-
gen war, — drangen jetzt deſto eifriger darauf,
daß vor oder doch zugleich mit der Berathſchla-
gung uͤber die Tuͤrkenhuͤlfe auch die beſtaͤndige
Wahlcapitulation vorgenommen werden ſollte. Zu
Aufrechthaltung ihrer Gerechtſame hatten ſie (1662.
Apr. 10/20.) ſo gar in Nachahmung der Churverein
eine beſondere Fuͤrſtenverein unter einander errich-
tet. Sie brachten es alſo dahin, daß unmittel-
bar, nachdem die vom Kaiſer begehrte Tuͤrkenhuͤl-
fe bewilliget war, auch an die beſtaͤndige Wahl-
capitulation Hand angelegt wurde. Ein Entwurf
derſelben kam in wenig Wochen zu Stande; allein
nun erhob ſich ein neuer Streit uͤber den Eingang
und Schluß, worin ſich die Churfuͤrſten das Recht
neue Zuſaͤtze einzuruͤcken vorbehalten wollten. Da-
zu kamen bald ſo viel andere neue Gegenſtaͤnde
wichtiger Berathſchlagungen, daß ſich der Reichs-
tag in eine ungewoͤhnliche Laͤnge verzog, und end-
lich deſſen Verewigung daraus erfolgte, wie ſich
dadurch bis auf den heutigen Tag unſere Reichs-
verfaſſung als einzig in ihrer Art auszeichnet, daß
nicht, wie es bisher gehalten war, und wie es noch
jetzt in anderen Reichen, wo Reichsſtaͤnde ſind,
gewoͤhnlich iſt, ein Reichstag jedesmal nur gewiſſe
Zeit waͤhrt, ſondern auf beſtaͤndig ſeinen Fortgang
behaͤlt.


VII.

Damit hat nun unſer Reichstag ſelbſt eine
ſehr veraͤnderte Geſtalt bekommen. So lange er
nur von kurzer Dauer war, erwartete man immer,
daß ſowohl der Kaiſer als die Churfuͤrſten, Fuͤr-
ſten, Grafen und Praͤlaten, wo nicht alle, doch

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[260/0302] IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711. pitulation und Roͤmiſchen Koͤnigswahl gemachte Hoffnung bisher ſo wenig in ihre Erfuͤllung gegan- gen war, — drangen jetzt deſto eifriger darauf, daß vor oder doch zugleich mit der Berathſchla- gung uͤber die Tuͤrkenhuͤlfe auch die beſtaͤndige Wahlcapitulation vorgenommen werden ſollte. Zu Aufrechthaltung ihrer Gerechtſame hatten ſie (1662. Apr. 10/20.) ſo gar in Nachahmung der Churverein eine beſondere Fuͤrſtenverein unter einander errich- tet. Sie brachten es alſo dahin, daß unmittel- bar, nachdem die vom Kaiſer begehrte Tuͤrkenhuͤl- fe bewilliget war, auch an die beſtaͤndige Wahl- capitulation Hand angelegt wurde. Ein Entwurf derſelben kam in wenig Wochen zu Stande; allein nun erhob ſich ein neuer Streit uͤber den Eingang und Schluß, worin ſich die Churfuͤrſten das Recht neue Zuſaͤtze einzuruͤcken vorbehalten wollten. Da- zu kamen bald ſo viel andere neue Gegenſtaͤnde wichtiger Berathſchlagungen, daß ſich der Reichs- tag in eine ungewoͤhnliche Laͤnge verzog, und end- lich deſſen Verewigung daraus erfolgte, wie ſich dadurch bis auf den heutigen Tag unſere Reichs- verfaſſung als einzig in ihrer Art auszeichnet, daß nicht, wie es bisher gehalten war, und wie es noch jetzt in anderen Reichen, wo Reichsſtaͤnde ſind, gewoͤhnlich iſt, ein Reichstag jedesmal nur gewiſſe Zeit waͤhrt, ſondern auf beſtaͤndig ſeinen Fortgang behaͤlt. Damit hat nun unſer Reichstag ſelbſt eine ſehr veraͤnderte Geſtalt bekommen. So lange er nur von kurzer Dauer war, erwartete man immer, daß ſowohl der Kaiſer als die Churfuͤrſten, Fuͤr- ſten, Grafen und Praͤlaten, wo nicht alle, doch gu-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/302>, abgerufen am 18.05.2024.