Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

VIII. Folgen d. Westph. Fr. 1648-1657.
Aristocratien entweder in gewissen Fällen an Ein-
willigung des Volks gebunden sind, oder alles nur
für sich thun können. Und jene Gattung einge-
schränkter aristocratischer Regierungsform ist ei-
gentlich die, welche in den meisten Reichsstädten,
wo die Bürgerschaft in wichtigen Dingen ihre Ein-
willigung zu geben hat, würklich obwaltet. In-
zwischen hat in mancher Reichsstadt, z. B. selbst
in Hamburg, als ein Grundsatz angenommen wer-
den müßen, daß das Kyrion (to kurion, mit die-
sem Griechischen Worte hat man da die eigentliche
Regierungsmacht auszudrücken gesucht,) nicht dem
Magistrate alleine, sondern dem Rathe und der
Bürgerschaft insgesammt zustehe.


V.

Alles übrige beruhet nun in jeder Reichsstadt
auf ganz besonderen Bestimmungen. Nur einige
haben sich doch der ehemaligen Reichsvogteyen
nicht ganz entledigen können, wo nehmlich benach-
barte Reichsstände noch jetzt solche hergebracht ha-
ben, wie das Churhaus Pfalz von wegen Jülich
und Berg in Aachen, und Hessendarmstadt zu Wetz-
lar. Von wegen solcher Höfe wird alsdann ein
eigner Beamter in der Stadt, worin sie die Vog-
tey haben, gehalten; über die damit verbundenen
Gerechtigkeiten pflegt es aber oft zu Streitigkeiten
zu kommen, z. B. über das Recht der Besatzung,
über Ausübung der peinlichen Gerichtbarkeit, über
Einmengung in Polizeysachen u. d. g. Bey man-
chen Reichsstädten ist es nur eine Art von Schutz-
gerechtigkeit, die ein benachbarter Reichsstand
ausübt, wie z. B. das Haus Braunschweig zu
Goslar.


Uebri-

VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657.
Ariſtocratien entweder in gewiſſen Faͤllen an Ein-
willigung des Volks gebunden ſind, oder alles nur
fuͤr ſich thun koͤnnen. Und jene Gattung einge-
ſchraͤnkter ariſtocratiſcher Regierungsform iſt ei-
gentlich die, welche in den meiſten Reichsſtaͤdten,
wo die Buͤrgerſchaft in wichtigen Dingen ihre Ein-
willigung zu geben hat, wuͤrklich obwaltet. In-
zwiſchen hat in mancher Reichsſtadt, z. B. ſelbſt
in Hamburg, als ein Grundſatz angenommen wer-
den muͤßen, daß das Kyrion (τὸ κύριον, mit die-
ſem Griechiſchen Worte hat man da die eigentliche
Regierungsmacht auszudruͤcken geſucht,) nicht dem
Magiſtrate alleine, ſondern dem Rathe und der
Buͤrgerſchaft insgeſammt zuſtehe.


V.

Alles uͤbrige beruhet nun in jeder Reichsſtadt
auf ganz beſonderen Beſtimmungen. Nur einige
haben ſich doch der ehemaligen Reichsvogteyen
nicht ganz entledigen koͤnnen, wo nehmlich benach-
barte Reichsſtaͤnde noch jetzt ſolche hergebracht ha-
ben, wie das Churhaus Pfalz von wegen Juͤlich
und Berg in Aachen, und Heſſendarmſtadt zu Wetz-
lar. Von wegen ſolcher Hoͤfe wird alsdann ein
eigner Beamter in der Stadt, worin ſie die Vog-
tey haben, gehalten; uͤber die damit verbundenen
Gerechtigkeiten pflegt es aber oft zu Streitigkeiten
zu kommen, z. B. uͤber das Recht der Beſatzung,
uͤber Ausuͤbung der peinlichen Gerichtbarkeit, uͤber
Einmengung in Polizeyſachen u. d. g. Bey man-
chen Reichsſtaͤdten iſt es nur eine Art von Schutz-
gerechtigkeit, die ein benachbarter Reichsſtand
ausuͤbt, wie z. B. das Haus Braunſchweig zu
Goslar.


Uebri-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0252" n="210"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Folgen d. We&#x017F;tph. Fr. 1648-1657.</hi></fw><lb/>
Ari&#x017F;tocratien entweder in gewi&#x017F;&#x017F;en Fa&#x0364;llen an Ein-<lb/>
willigung des Volks gebunden &#x017F;ind, oder alles nur<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich thun ko&#x0364;nnen. Und jene Gattung einge-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkter ari&#x017F;tocrati&#x017F;cher Regierungsform i&#x017F;t ei-<lb/>
gentlich die, welche in den mei&#x017F;ten Reichs&#x017F;ta&#x0364;dten,<lb/>
wo die Bu&#x0364;rger&#x017F;chaft in wichtigen Dingen ihre Ein-<lb/>
willigung zu geben hat, wu&#x0364;rklich obwaltet. In-<lb/>
zwi&#x017F;chen hat in mancher Reichs&#x017F;tadt, z. B. &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
in Hamburg, als ein Grund&#x017F;atz angenommen wer-<lb/>
den mu&#x0364;ßen, daß das Kyrion (&#x03C4;&#x1F78; &#x03BA;&#x03CD;&#x03C1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD;, mit die-<lb/>
&#x017F;em Griechi&#x017F;chen Worte hat man da die eigentliche<lb/>
Regierungsmacht auszudru&#x0364;cken ge&#x017F;ucht,) nicht dem<lb/>
Magi&#x017F;trate alleine, &#x017F;ondern dem Rathe und der<lb/>
Bu&#x0364;rger&#x017F;chaft insge&#x017F;ammt zu&#x017F;tehe.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">V.</hi> </note>
          <p>Alles u&#x0364;brige beruhet nun in jeder Reichs&#x017F;tadt<lb/>
auf ganz be&#x017F;onderen Be&#x017F;timmungen. Nur einige<lb/>
haben &#x017F;ich doch der ehemaligen <hi rendition="#fr">Reichsvogteyen</hi><lb/>
nicht ganz entledigen ko&#x0364;nnen, wo nehmlich benach-<lb/>
barte Reichs&#x017F;ta&#x0364;nde noch jetzt &#x017F;olche hergebracht ha-<lb/>
ben, wie das Churhaus Pfalz von wegen Ju&#x0364;lich<lb/>
und Berg in Aachen, und He&#x017F;&#x017F;endarm&#x017F;tadt zu Wetz-<lb/>
lar. Von wegen &#x017F;olcher Ho&#x0364;fe wird alsdann ein<lb/>
eigner Beamter in der Stadt, worin &#x017F;ie die Vog-<lb/>
tey haben, gehalten; u&#x0364;ber die damit verbundenen<lb/>
Gerechtigkeiten pflegt es aber oft zu Streitigkeiten<lb/>
zu kommen, z. B. u&#x0364;ber das Recht der Be&#x017F;atzung,<lb/>
u&#x0364;ber Ausu&#x0364;bung der peinlichen Gerichtbarkeit, u&#x0364;ber<lb/>
Einmengung in Polizey&#x017F;achen u. d. g. Bey man-<lb/>
chen Reichs&#x017F;ta&#x0364;dten i&#x017F;t es nur eine Art von Schutz-<lb/>
gerechtigkeit, die ein benachbarter Reichs&#x017F;tand<lb/>
ausu&#x0364;bt, wie z. B. das Haus Braun&#x017F;chweig zu<lb/>
Goslar.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Uebri-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0252] VIII. Folgen d. Weſtph. Fr. 1648-1657. Ariſtocratien entweder in gewiſſen Faͤllen an Ein- willigung des Volks gebunden ſind, oder alles nur fuͤr ſich thun koͤnnen. Und jene Gattung einge- ſchraͤnkter ariſtocratiſcher Regierungsform iſt ei- gentlich die, welche in den meiſten Reichsſtaͤdten, wo die Buͤrgerſchaft in wichtigen Dingen ihre Ein- willigung zu geben hat, wuͤrklich obwaltet. In- zwiſchen hat in mancher Reichsſtadt, z. B. ſelbſt in Hamburg, als ein Grundſatz angenommen wer- den muͤßen, daß das Kyrion (τὸ κύριον, mit die- ſem Griechiſchen Worte hat man da die eigentliche Regierungsmacht auszudruͤcken geſucht,) nicht dem Magiſtrate alleine, ſondern dem Rathe und der Buͤrgerſchaft insgeſammt zuſtehe. Alles uͤbrige beruhet nun in jeder Reichsſtadt auf ganz beſonderen Beſtimmungen. Nur einige haben ſich doch der ehemaligen Reichsvogteyen nicht ganz entledigen koͤnnen, wo nehmlich benach- barte Reichsſtaͤnde noch jetzt ſolche hergebracht ha- ben, wie das Churhaus Pfalz von wegen Juͤlich und Berg in Aachen, und Heſſendarmſtadt zu Wetz- lar. Von wegen ſolcher Hoͤfe wird alsdann ein eigner Beamter in der Stadt, worin ſie die Vog- tey haben, gehalten; uͤber die damit verbundenen Gerechtigkeiten pflegt es aber oft zu Streitigkeiten zu kommen, z. B. uͤber das Recht der Beſatzung, uͤber Ausuͤbung der peinlichen Gerichtbarkeit, uͤber Einmengung in Polizeyſachen u. d. g. Bey man- chen Reichsſtaͤdten iſt es nur eine Art von Schutz- gerechtigkeit, die ein benachbarter Reichsſtand ausuͤbt, wie z. B. das Haus Braunſchweig zu Goslar. Uebri-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/252
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/252>, abgerufen am 17.05.2024.