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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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VII. Neuere Zeit. Westph. Fr. 1648.
evangelischer Reichsstände das bischöfliche Dioece-
sanrecht sowohl in Ländern als in vermischten
Reichsstädten nur da statt finden sollte, wo es
im Jahre 1624. in Uebung gewesen; nach wel-
chem Besitzstande sich auch die geistliche Gericht-
barkeit in Beytreibung der Einkünfte catholischer
Stiftungen in evangelischen Ländern richten sollte.
Hinwiederum sollten evangelische Unterthanen ca-
tholischer Reichsstände nur nach Maßgabe eben
dieses Entscheidungsziels, jedoch allemal mit dem
Vorbehalte, daß nichts der Augsburgischen Conses-
sion oder ihrem Gewissen zuwider geschehen dürfe,
der catholischen geistlichen Gerichtbarkeit unterwor-
fen seyn; da hingegen, wenn sie im Jahre 1624.
ihr eignes Consistorium gehabt, ihnen auch solches
bleiben sollte.


IX.

Sonst aber wurde nicht nur die geistliche Ge-
richtbarkeit, wie man solche in Auslegung des Re-
ligionsfriedens nur im engern Verstande hatte neh-
men wollen, sondern auch das völlige Dioecesan-
recht
und die ganze geistliche Gerichtbarkeit mit
allen ihren Gattungen gegen die evangelischen
Reichsstände und ihre Unterthanen sowohl unter
catholischen und evangelischen, als bloß unter evan-
gelischen Partheyen unter sich gänzlich aufgeho-
ben
, und ausdrücklich hinzugesetzt, daß das Dioe-
cesanrecht und die geistliche Gerichtbarkeit sich auf
die Gränzen eines jeden Landes einschränken solle.
Damit war wieder ein wichtiger Punct entschieden,
weil noch nach dem Religionsfrieden in protestan-
tischen Ländern benachbarte catholische Bischöfe
manchmal Rechte sich zueignen wollten, die sie
nicht unter der geistlichen Gerichtbarkeit, wie sie

der

VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648.
evangeliſcher Reichsſtaͤnde das biſchoͤfliche Dioece-
ſanrecht ſowohl in Laͤndern als in vermiſchten
Reichsſtaͤdten nur da ſtatt finden ſollte, wo es
im Jahre 1624. in Uebung geweſen; nach wel-
chem Beſitzſtande ſich auch die geiſtliche Gericht-
barkeit in Beytreibung der Einkuͤnfte catholiſcher
Stiftungen in evangeliſchen Laͤndern richten ſollte.
Hinwiederum ſollten evangeliſche Unterthanen ca-
tholiſcher Reichsſtaͤnde nur nach Maßgabe eben
dieſes Entſcheidungsziels, jedoch allemal mit dem
Vorbehalte, daß nichts der Augsburgiſchen Conſeſ-
ſion oder ihrem Gewiſſen zuwider geſchehen duͤrfe,
der catholiſchen geiſtlichen Gerichtbarkeit unterwor-
fen ſeyn; da hingegen, wenn ſie im Jahre 1624.
ihr eignes Conſiſtorium gehabt, ihnen auch ſolches
bleiben ſollte.


IX.

Sonſt aber wurde nicht nur die geiſtliche Ge-
richtbarkeit, wie man ſolche in Auslegung des Re-
ligionsfriedens nur im engern Verſtande hatte neh-
men wollen, ſondern auch das voͤllige Dioeceſan-
recht
und die ganze geiſtliche Gerichtbarkeit mit
allen ihren Gattungen gegen die evangeliſchen
Reichsſtaͤnde und ihre Unterthanen ſowohl unter
catholiſchen und evangeliſchen, als bloß unter evan-
geliſchen Partheyen unter ſich gaͤnzlich aufgeho-
ben
, und ausdruͤcklich hinzugeſetzt, daß das Dioe-
ceſanrecht und die geiſtliche Gerichtbarkeit ſich auf
die Graͤnzen eines jeden Landes einſchraͤnken ſolle.
Damit war wieder ein wichtiger Punct entſchieden,
weil noch nach dem Religionsfrieden in proteſtan-
tiſchen Laͤndern benachbarte catholiſche Biſchoͤfe
manchmal Rechte ſich zueignen wollten, die ſie
nicht unter der geiſtlichen Gerichtbarkeit, wie ſie

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[70/0112] VII. Neuere Zeit. Weſtph. Fr. 1648. evangeliſcher Reichsſtaͤnde das biſchoͤfliche Dioece- ſanrecht ſowohl in Laͤndern als in vermiſchten Reichsſtaͤdten nur da ſtatt finden ſollte, wo es im Jahre 1624. in Uebung geweſen; nach wel- chem Beſitzſtande ſich auch die geiſtliche Gericht- barkeit in Beytreibung der Einkuͤnfte catholiſcher Stiftungen in evangeliſchen Laͤndern richten ſollte. Hinwiederum ſollten evangeliſche Unterthanen ca- tholiſcher Reichsſtaͤnde nur nach Maßgabe eben dieſes Entſcheidungsziels, jedoch allemal mit dem Vorbehalte, daß nichts der Augsburgiſchen Conſeſ- ſion oder ihrem Gewiſſen zuwider geſchehen duͤrfe, der catholiſchen geiſtlichen Gerichtbarkeit unterwor- fen ſeyn; da hingegen, wenn ſie im Jahre 1624. ihr eignes Conſiſtorium gehabt, ihnen auch ſolches bleiben ſollte. Sonſt aber wurde nicht nur die geiſtliche Ge- richtbarkeit, wie man ſolche in Auslegung des Re- ligionsfriedens nur im engern Verſtande hatte neh- men wollen, ſondern auch das voͤllige Dioeceſan- recht und die ganze geiſtliche Gerichtbarkeit mit allen ihren Gattungen gegen die evangeliſchen Reichsſtaͤnde und ihre Unterthanen ſowohl unter catholiſchen und evangeliſchen, als bloß unter evan- geliſchen Partheyen unter ſich gaͤnzlich aufgeho- ben, und ausdruͤcklich hinzugeſetzt, daß das Dioe- ceſanrecht und die geiſtliche Gerichtbarkeit ſich auf die Graͤnzen eines jeden Landes einſchraͤnken ſolle. Damit war wieder ein wichtiger Punct entſchieden, weil noch nach dem Religionsfrieden in proteſtan- tiſchen Laͤndern benachbarte catholiſche Biſchoͤfe manchmal Rechte ſich zueignen wollten, die ſie nicht unter der geiſtlichen Gerichtbarkeit, wie ſie der

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/112>, abgerufen am 06.05.2024.