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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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I. Alte Zeiten bis 888.
eine Art von Reichsversammlung zu halten. Allein
solche Vorstellungen, wie wir sie uns jetzt von un-
serm Teutschen Reichstage machen, und wie wir
uns jetzt die eingeschränkte kaiserliche Regierung in
ihrem Verhältnisse gegen unsere Reichsstände den-
ken, muß man von selbigen Zeiten noch fast gänz-
lich entfernen. Eine freye nur kriegerisch gesinnte
Nation, wie die war, worüber die Fränkischen
Könige herrschten, durfte freylich wohl nicht sehr
despotisch behandelt werden. Die Staatsklugheit
konnte es von selbsten an die Hand geben, die Vor-
nehmsten der Nation bey wichtigen Vorfällen zu
Rathe zu ziehen. Aber als ein Recht darf man es
noch nicht annehmen, daß dem Könige die Einwil-
ligung der Stände nothwendig gewesen wäre, und
daß er ohne diese Einwilligung nicht das Recht ge-
habt hätte, Dinge, die zu seiner Regierung gehör-
ten, nach seinem Gutfinden zu bestimmen.


XXIII.

Eine der wichtigsten Fragen der ursprünglichen
Fränkischen Staatsverfassung mußte nothwendig die
Thronfolge betreffen. Die Beschaffenheit eines
mit dem Degen in der Faust errichteten Thrones
ließ es schon ganz natürlich erwarten, daß der erste
Eroberer, da es ihm nicht an Söhnen fehlte, seinen
Thron auf diese vererben würde. Der Erfolg lehr-
te, daß so gar mehrere Brüder unter einander das
Reich theilten. Weder von Untheilbarkeit eines
Staates, noch von der damit gemeiniglich verbunde-
nen Thronfolge nach dem Rechte der Erstgebuhrt
schien man noch einige Begriffe zu haben. Nur zu-
fällig unbeerbten Todesfällen war es zuzuschreiben,
daß die mehrmalen getheilte Monarchie von Zeit zu
Zeit doch wieder vereiniget wurde.




V.

I. Alte Zeiten bis 888.
eine Art von Reichsverſammlung zu halten. Allein
ſolche Vorſtellungen, wie wir ſie uns jetzt von un-
ſerm Teutſchen Reichstage machen, und wie wir
uns jetzt die eingeſchraͤnkte kaiſerliche Regierung in
ihrem Verhaͤltniſſe gegen unſere Reichsſtaͤnde den-
ken, muß man von ſelbigen Zeiten noch faſt gaͤnz-
lich entfernen. Eine freye nur kriegeriſch geſinnte
Nation, wie die war, woruͤber die Fraͤnkiſchen
Koͤnige herrſchten, durfte freylich wohl nicht ſehr
despotiſch behandelt werden. Die Staatsklugheit
konnte es von ſelbſten an die Hand geben, die Vor-
nehmſten der Nation bey wichtigen Vorfaͤllen zu
Rathe zu ziehen. Aber als ein Recht darf man es
noch nicht annehmen, daß dem Koͤnige die Einwil-
ligung der Staͤnde nothwendig geweſen waͤre, und
daß er ohne dieſe Einwilligung nicht das Recht ge-
habt haͤtte, Dinge, die zu ſeiner Regierung gehoͤr-
ten, nach ſeinem Gutfinden zu beſtimmen.


XXIII.

Eine der wichtigſten Fragen der urſpruͤnglichen
Fraͤnkiſchen Staatsverfaſſung mußte nothwendig die
Thronfolge betreffen. Die Beſchaffenheit eines
mit dem Degen in der Fauſt errichteten Thrones
ließ es ſchon ganz natuͤrlich erwarten, daß der erſte
Eroberer, da es ihm nicht an Soͤhnen fehlte, ſeinen
Thron auf dieſe vererben wuͤrde. Der Erfolg lehr-
te, daß ſo gar mehrere Bruͤder unter einander das
Reich theilten. Weder von Untheilbarkeit eines
Staates, noch von der damit gemeiniglich verbunde-
nen Thronfolge nach dem Rechte der Erſtgebuhrt
ſchien man noch einige Begriffe zu haben. Nur zu-
faͤllig unbeerbten Todesfaͤllen war es zuzuſchreiben,
daß die mehrmalen getheilte Monarchie von Zeit zu
Zeit doch wieder vereiniget wurde.




V.
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[38/0072] I. Alte Zeiten bis 888. eine Art von Reichsverſammlung zu halten. Allein ſolche Vorſtellungen, wie wir ſie uns jetzt von un- ſerm Teutſchen Reichstage machen, und wie wir uns jetzt die eingeſchraͤnkte kaiſerliche Regierung in ihrem Verhaͤltniſſe gegen unſere Reichsſtaͤnde den- ken, muß man von ſelbigen Zeiten noch faſt gaͤnz- lich entfernen. Eine freye nur kriegeriſch geſinnte Nation, wie die war, woruͤber die Fraͤnkiſchen Koͤnige herrſchten, durfte freylich wohl nicht ſehr despotiſch behandelt werden. Die Staatsklugheit konnte es von ſelbſten an die Hand geben, die Vor- nehmſten der Nation bey wichtigen Vorfaͤllen zu Rathe zu ziehen. Aber als ein Recht darf man es noch nicht annehmen, daß dem Koͤnige die Einwil- ligung der Staͤnde nothwendig geweſen waͤre, und daß er ohne dieſe Einwilligung nicht das Recht ge- habt haͤtte, Dinge, die zu ſeiner Regierung gehoͤr- ten, nach ſeinem Gutfinden zu beſtimmen. Eine der wichtigſten Fragen der urſpruͤnglichen Fraͤnkiſchen Staatsverfaſſung mußte nothwendig die Thronfolge betreffen. Die Beſchaffenheit eines mit dem Degen in der Fauſt errichteten Thrones ließ es ſchon ganz natuͤrlich erwarten, daß der erſte Eroberer, da es ihm nicht an Soͤhnen fehlte, ſeinen Thron auf dieſe vererben wuͤrde. Der Erfolg lehr- te, daß ſo gar mehrere Bruͤder unter einander das Reich theilten. Weder von Untheilbarkeit eines Staates, noch von der damit gemeiniglich verbunde- nen Thronfolge nach dem Rechte der Erſtgebuhrt ſchien man noch einige Begriffe zu haben. Nur zu- faͤllig unbeerbten Todesfaͤllen war es zuzuſchreiben, daß die mehrmalen getheilte Monarchie von Zeit zu Zeit doch wieder vereiniget wurde. V.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/72>, abgerufen am 21.11.2024.