Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.3) Christl. Religion bis ins V. Jahrh. beschlossen, so sollte nur der an der Hoffnung zurSeligkeit eines Christen Antheil haben, der diese Entscheidung annähme. So wurden also Schlüsse einer Kirchenversammlung den Aussprüchen der Bibel an die Seite gesetzt, und für Eingebungen des heiligen Geistes erkläret. Wer nicht damit verstanden war, oder sich nicht dazu bekennen wollte; wurde von der Kirche als ein Ketzer aus- geschlossen. Oder, wenn nun mehrere Gemeinden oder ihre Repräsentanten verschiedene Entscheidun- gen annahmen, so ward nunmehr die Frage auf- geworfen, welches die rechtgläubige Kirche sey? So gab es natürlicher Weise Trennungen unter den Christen, deren eine Parthey die andere ver- dammte und -- verfolgte, wenn sie konnte. So lief die vortrefflichste Religion bald Gefahr, immer mehr verunstaltet zu werden. Und in dieser schon weit von ihrer ersten Lauterkeit entfernten Gestalt kam sie zuerst in unsere Gegenden! IV. B 4
3) Chriſtl. Religion bis ins V. Jahrh. beſchloſſen, ſo ſollte nur der an der Hoffnung zurSeligkeit eines Chriſten Antheil haben, der dieſe Entſcheidung annaͤhme. So wurden alſo Schluͤſſe einer Kirchenverſammlung den Ausſpruͤchen der Bibel an die Seite geſetzt, und fuͤr Eingebungen des heiligen Geiſtes erklaͤret. Wer nicht damit verſtanden war, oder ſich nicht dazu bekennen wollte; wurde von der Kirche als ein Ketzer aus- geſchloſſen. Oder, wenn nun mehrere Gemeinden oder ihre Repraͤſentanten verſchiedene Entſcheidun- gen annahmen, ſo ward nunmehr die Frage auf- geworfen, welches die rechtglaͤubige Kirche ſey? So gab es natuͤrlicher Weiſe Trennungen unter den Chriſten, deren eine Parthey die andere ver- dammte und — verfolgte, wenn ſie konnte. So lief die vortrefflichſte Religion bald Gefahr, immer mehr verunſtaltet zu werden. Und in dieſer ſchon weit von ihrer erſten Lauterkeit entfernten Geſtalt kam ſie zuerſt in unſere Gegenden! IV. B 4
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3) Chriſtl. Religion bis ins V. Jahrh.
beſchloſſen, ſo ſollte nur der an der Hoffnung zur
Seligkeit eines Chriſten Antheil haben, der dieſe
Entſcheidung annaͤhme. So wurden alſo Schluͤſſe
einer Kirchenverſammlung den Ausſpruͤchen der
Bibel an die Seite geſetzt, und fuͤr Eingebungen
des heiligen Geiſtes erklaͤret. Wer nicht damit
verſtanden war, oder ſich nicht dazu bekennen
wollte; wurde von der Kirche als ein Ketzer aus-
geſchloſſen. Oder, wenn nun mehrere Gemeinden
oder ihre Repraͤſentanten verſchiedene Entſcheidun-
gen annahmen, ſo ward nunmehr die Frage auf-
geworfen, welches die rechtglaͤubige Kirche ſey?
So gab es natuͤrlicher Weiſe Trennungen unter
den Chriſten, deren eine Parthey die andere ver-
dammte und — verfolgte, wenn ſie konnte. So
lief die vortrefflichſte Religion bald Gefahr, immer
mehr verunſtaltet zu werden. Und in dieſer ſchon
weit von ihrer erſten Lauterkeit entfernten Geſtalt
kam ſie zuerſt in unſere Gegenden!
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Zitationshilfe: | Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/57>, abgerufen am 22.07.2024. |