Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

4) Reichstage bis zur A. C. 1526-1530.
Römischcatholischen Kirche abzugehen, und war-
um sie in dieser kirchlichen Gemeinschaft nicht blei-
ben könnten.

Nach dieser Absicht wurden nun von Melanch-VIII.
thon mit Zuziehung Luthers und anderer Theologen
21. Artikel des Glaubens und der Lehre, beynahe
vom ganzen Umfange der Christlichen Religion ent-
werfen, und 7. Artikel, "von welchen Zwiespalt
ist, da die Mißbräuche erzehlt werden, die geän-
dert sind," als "von beider Gestalt des Sacra-
ments, vom Ehestande der Priester, von der Messe,
von der Beichte, vom Unterschiede der Speise, von
Klostergelübden, und von der Bischöfe Gewalt."
Alles so zweckmäßig kurz, bestimmt, deutlich, und
in möglichster Beschränkung auf den unmittelbaren
Inhalt der Bibel, daß man sich nicht ohne Ursa-
che schmeichlen konnte, dieses Glaubensbekenntniß
selbst werde vielen Eindruck machen, und manche
widrige Begriffe, die man sich bisher von Prote-
stanten gemacht hatte, entfernen und berichtigen.

Merkwürdig war insonderheit der Schluß desIX.
letzten Artikels, der zugleich von der Schreibart,
die im Ganzen herrscht, zu einiger Probe dienen
kann. "Unsere Kirchen begehren nicht, (heißt es
da) "daß die Bischöfe mit Nachtheil ihrer Ehre
"und Würde wiederum Friede und Einigkeit ma-
"chen, (wiewohl solches den Bischöfen in der Noth
"auch zu thun gebühret;) Allein bitten sie darum,
"daß die Bischöfe etliche unbillige Beschwerungen
"nachlassen, die doch vorzeiten auch in der Kirche
"nicht gewesen, und angenommen sind wider den
"Gebrauch der christlichen gemeinen Kirche, welche

"viel-
B b 4

4) Reichstage bis zur A. C. 1526-1530.
Roͤmiſchcatholiſchen Kirche abzugehen, und war-
um ſie in dieſer kirchlichen Gemeinſchaft nicht blei-
ben koͤnnten.

Nach dieſer Abſicht wurden nun von Melanch-VIII.
thon mit Zuziehung Luthers und anderer Theologen
21. Artikel des Glaubens und der Lehre, beynahe
vom ganzen Umfange der Chriſtlichen Religion ent-
werfen, und 7. Artikel, ”von welchen Zwieſpalt
iſt, da die Mißbraͤuche erzehlt werden, die geaͤn-
dert ſind,” als ”von beider Geſtalt des Sacra-
ments, vom Eheſtande der Prieſter, von der Meſſe,
von der Beichte, vom Unterſchiede der Speiſe, von
Kloſtergeluͤbden, und von der Biſchoͤfe Gewalt.”
Alles ſo zweckmaͤßig kurz, beſtimmt, deutlich, und
in moͤglichſter Beſchraͤnkung auf den unmittelbaren
Inhalt der Bibel, daß man ſich nicht ohne Urſa-
che ſchmeichlen konnte, dieſes Glaubensbekenntniß
ſelbſt werde vielen Eindruck machen, und manche
widrige Begriffe, die man ſich bisher von Prote-
ſtanten gemacht hatte, entfernen und berichtigen.

Merkwuͤrdig war inſonderheit der Schluß desIX.
letzten Artikels, der zugleich von der Schreibart,
die im Ganzen herrſcht, zu einiger Probe dienen
kann. ”Unſere Kirchen begehren nicht, (heißt es
da) ”daß die Biſchoͤfe mit Nachtheil ihrer Ehre
„und Wuͤrde wiederum Friede und Einigkeit ma-
„chen, (wiewohl ſolches den Biſchoͤfen in der Noth
„auch zu thun gebuͤhret;) Allein bitten ſie darum,
„daß die Biſchoͤfe etliche unbillige Beſchwerungen
„nachlaſſen, die doch vorzeiten auch in der Kirche
„nicht geweſen, und angenommen ſind wider den
„Gebrauch der chriſtlichen gemeinen Kirche, welche

„viel-
B b 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0425" n="391"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">4) Reichstage bis zur A. C. 1526-1530.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Ro&#x0364;mi&#x017F;chcatholi&#x017F;chen</hi> Kirche abzugehen, und war-<lb/>
um &#x017F;ie in die&#x017F;er kirchlichen Gemein&#x017F;chaft nicht blei-<lb/>
ben ko&#x0364;nnten.</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;er Ab&#x017F;icht wurden nun von Melanch-<note place="right"><hi rendition="#aq">VIII.</hi></note><lb/>
thon mit Zuziehung Luthers und anderer Theologen<lb/>
21. Artikel des Glaubens und der Lehre, beynahe<lb/>
vom ganzen Umfange der Chri&#x017F;tlichen Religion ent-<lb/>
werfen, und 7. Artikel, &#x201D;von welchen Zwie&#x017F;palt<lb/>
i&#x017F;t, da die Mißbra&#x0364;uche erzehlt werden, die gea&#x0364;n-<lb/>
dert &#x017F;ind,&#x201D; als &#x201D;von beider Ge&#x017F;talt des Sacra-<lb/>
ments, vom Ehe&#x017F;tande der Prie&#x017F;ter, von der Me&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
von der Beichte, vom Unter&#x017F;chiede der Spei&#x017F;e, von<lb/>
Klo&#x017F;tergelu&#x0364;bden, und von der Bi&#x017F;cho&#x0364;fe Gewalt.&#x201D;<lb/>
Alles &#x017F;o zweckma&#x0364;ßig kurz, be&#x017F;timmt, deutlich, und<lb/>
in mo&#x0364;glich&#x017F;ter Be&#x017F;chra&#x0364;nkung auf den unmittelbaren<lb/>
Inhalt der Bibel, daß man &#x017F;ich nicht ohne Ur&#x017F;a-<lb/>
che &#x017F;chmeichlen konnte, die&#x017F;es Glaubensbekenntniß<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t werde vielen Eindruck machen, und manche<lb/>
widrige Begriffe, die man &#x017F;ich bisher von Prote-<lb/>
&#x017F;tanten gemacht hatte, entfernen und berichtigen.</p><lb/>
          <p>Merkwu&#x0364;rdig war in&#x017F;onderheit der Schluß des<note place="right"><hi rendition="#aq">IX.</hi></note><lb/>
letzten Artikels, der zugleich von der Schreibart,<lb/>
die im Ganzen herr&#x017F;cht, zu einiger Probe dienen<lb/>
kann. &#x201D;Un&#x017F;ere Kirchen begehren nicht, (heißt es<lb/>
da) &#x201D;daß die Bi&#x017F;cho&#x0364;fe mit Nachtheil ihrer Ehre<lb/>
&#x201E;und Wu&#x0364;rde wiederum Friede und Einigkeit ma-<lb/>
&#x201E;chen, (wiewohl &#x017F;olches den Bi&#x017F;cho&#x0364;fen in der Noth<lb/>
&#x201E;auch zu thun gebu&#x0364;hret;) Allein bitten &#x017F;ie darum,<lb/>
&#x201E;daß die Bi&#x017F;cho&#x0364;fe etliche unbillige Be&#x017F;chwerungen<lb/>
&#x201E;nachla&#x017F;&#x017F;en, die doch vorzeiten auch in der Kirche<lb/>
&#x201E;nicht gewe&#x017F;en, und angenommen &#x017F;ind wider den<lb/>
&#x201E;Gebrauch der chri&#x017F;tlichen gemeinen Kirche, welche<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x201E;viel-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[391/0425] 4) Reichstage bis zur A. C. 1526-1530. Roͤmiſchcatholiſchen Kirche abzugehen, und war- um ſie in dieſer kirchlichen Gemeinſchaft nicht blei- ben koͤnnten. Nach dieſer Abſicht wurden nun von Melanch- thon mit Zuziehung Luthers und anderer Theologen 21. Artikel des Glaubens und der Lehre, beynahe vom ganzen Umfange der Chriſtlichen Religion ent- werfen, und 7. Artikel, ”von welchen Zwieſpalt iſt, da die Mißbraͤuche erzehlt werden, die geaͤn- dert ſind,” als ”von beider Geſtalt des Sacra- ments, vom Eheſtande der Prieſter, von der Meſſe, von der Beichte, vom Unterſchiede der Speiſe, von Kloſtergeluͤbden, und von der Biſchoͤfe Gewalt.” Alles ſo zweckmaͤßig kurz, beſtimmt, deutlich, und in moͤglichſter Beſchraͤnkung auf den unmittelbaren Inhalt der Bibel, daß man ſich nicht ohne Urſa- che ſchmeichlen konnte, dieſes Glaubensbekenntniß ſelbſt werde vielen Eindruck machen, und manche widrige Begriffe, die man ſich bisher von Prote- ſtanten gemacht hatte, entfernen und berichtigen. VIII. Merkwuͤrdig war inſonderheit der Schluß des letzten Artikels, der zugleich von der Schreibart, die im Ganzen herrſcht, zu einiger Probe dienen kann. ”Unſere Kirchen begehren nicht, (heißt es da) ”daß die Biſchoͤfe mit Nachtheil ihrer Ehre „und Wuͤrde wiederum Friede und Einigkeit ma- „chen, (wiewohl ſolches den Biſchoͤfen in der Noth „auch zu thun gebuͤhret;) Allein bitten ſie darum, „daß die Biſchoͤfe etliche unbillige Beſchwerungen „nachlaſſen, die doch vorzeiten auch in der Kirche „nicht geweſen, und angenommen ſind wider den „Gebrauch der chriſtlichen gemeinen Kirche, welche „viel- IX. B b 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/425
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/425>, abgerufen am 19.05.2024.