dazu bedurfte es an den meisten Orten nicht so- viele und so reiche Klöster, als würklich vorhanden waren. Das übrige konnte selbst der wahren Ab- sicht der Urheber solcher Stiftungen gemäßer ange- wandt werden, wenn man sich angelegen seyn ließ, Kirchen und Schulen in Städten und Dörfern desto besser zu besetzen. Von dem bisherigen Kloster- leben sah man ohnedem je länger je mehr ein, daß man demselben in Ansehung der damit angeblich verbundenen Heiligkeit des Lebens und Verdienst- lichkeit in Absicht auf die ewige Seligkeit einen ganz ungegründeten Werth beygelegt hatte.
XIII.
Was die Klostergelübde, insonderheit in An- sehung des ehelosen Standes, und deren Unauf- löslichkeit auf Zeitlebens anbetraf, da besann man sich endlich ebenfalls, daß solche Gelübde unmög- lich Gott gefällig und also rechtsbeständig seyn könnten, nicht nur weil sie großentheils mehr aus Zwang und Bestimmung der Eltern oder Ver- wandten, als aus eigner Wahl und Ueberlegung geschahen, sondern auch darum, weil ein jedes solches Gelübde in der That ein Vorgriff in die Wege der Vorsehung war, von deren Leitung bil- lig jeder Mensch erst in der Folge seines Lebens Veranlaßung gnug erwarten kann, ob er heirathen oder ob er im ehelosen Stande bleiben soll; ohne zu gedenken, was bey Personen, die nur durch solche Gelübde von Heirathen zurückgehalten wer- den, für Unmuth, Verzweiflung, und wer weiß was für entgegengesetzte Abwege daraus erwachsen können, und was auf der andern Seite durch so- viele der Bevölkerung entzogene und aus aller so- wohl dem Staate als der Kirche nützlichen Thätig-
keit
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
dazu bedurfte es an den meiſten Orten nicht ſo- viele und ſo reiche Kloͤſter, als wuͤrklich vorhanden waren. Das uͤbrige konnte ſelbſt der wahren Ab- ſicht der Urheber ſolcher Stiftungen gemaͤßer ange- wandt werden, wenn man ſich angelegen ſeyn ließ, Kirchen und Schulen in Staͤdten und Doͤrfern deſto beſſer zu beſetzen. Von dem bisherigen Kloſter- leben ſah man ohnedem je laͤnger je mehr ein, daß man demſelben in Anſehung der damit angeblich verbundenen Heiligkeit des Lebens und Verdienſt- lichkeit in Abſicht auf die ewige Seligkeit einen ganz ungegruͤndeten Werth beygelegt hatte.
XIII.
Was die Kloſtergeluͤbde, inſonderheit in An- ſehung des eheloſen Standes, und deren Unauf- loͤslichkeit auf Zeitlebens anbetraf, da beſann man ſich endlich ebenfalls, daß ſolche Geluͤbde unmoͤg- lich Gott gefaͤllig und alſo rechtsbeſtaͤndig ſeyn koͤnnten, nicht nur weil ſie großentheils mehr aus Zwang und Beſtimmung der Eltern oder Ver- wandten, als aus eigner Wahl und Ueberlegung geſchahen, ſondern auch darum, weil ein jedes ſolches Geluͤbde in der That ein Vorgriff in die Wege der Vorſehung war, von deren Leitung bil- lig jeder Menſch erſt in der Folge ſeines Lebens Veranlaßung gnug erwarten kann, ob er heirathen oder ob er im eheloſen Stande bleiben ſoll; ohne zu gedenken, was bey Perſonen, die nur durch ſolche Geluͤbde von Heirathen zuruͤckgehalten wer- den, fuͤr Unmuth, Verzweiflung, und wer weiß was fuͤr entgegengeſetzte Abwege daraus erwachſen koͤnnen, und was auf der andern Seite durch ſo- viele der Bevoͤlkerung entzogene und aus aller ſo- wohl dem Staate als der Kirche nuͤtzlichen Thaͤtig-
keit
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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
dazu bedurfte es an den meiſten Orten nicht ſo-
viele und ſo reiche Kloͤſter, als wuͤrklich vorhanden
waren. Das uͤbrige konnte ſelbſt der wahren Ab-
ſicht der Urheber ſolcher Stiftungen gemaͤßer ange-
wandt werden, wenn man ſich angelegen ſeyn ließ,
Kirchen und Schulen in Staͤdten und Doͤrfern deſto
beſſer zu beſetzen. Von dem bisherigen Kloſter-
leben ſah man ohnedem je laͤnger je mehr ein, daß
man demſelben in Anſehung der damit angeblich
verbundenen Heiligkeit des Lebens und Verdienſt-
lichkeit in Abſicht auf die ewige Seligkeit einen
ganz ungegruͤndeten Werth beygelegt hatte.
Was die Kloſtergeluͤbde, inſonderheit in An-
ſehung des eheloſen Standes, und deren Unauf-
loͤslichkeit auf Zeitlebens anbetraf, da beſann man
ſich endlich ebenfalls, daß ſolche Geluͤbde unmoͤg-
lich Gott gefaͤllig und alſo rechtsbeſtaͤndig ſeyn
koͤnnten, nicht nur weil ſie großentheils mehr aus
Zwang und Beſtimmung der Eltern oder Ver-
wandten, als aus eigner Wahl und Ueberlegung
geſchahen, ſondern auch darum, weil ein jedes
ſolches Geluͤbde in der That ein Vorgriff in die
Wege der Vorſehung war, von deren Leitung bil-
lig jeder Menſch erſt in der Folge ſeines Lebens
Veranlaßung gnug erwarten kann, ob er heirathen
oder ob er im eheloſen Stande bleiben ſoll; ohne
zu gedenken, was bey Perſonen, die nur durch
ſolche Geluͤbde von Heirathen zuruͤckgehalten wer-
den, fuͤr Unmuth, Verzweiflung, und wer weiß
was fuͤr entgegengeſetzte Abwege daraus erwachſen
koͤnnen, und was auf der andern Seite durch ſo-
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/414>, abgerufen am 22.07.2024.
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