sung. In Dänemark wurde manches anders als in Schweden eingerichtet, in England wieder an- ders. Noch verschiedener war ferner die Einrich- tung in der Schweiz und in den Niederlanden. Und so gieng auch in Teutschland jedes Fürsten- thum, jede Grafschaft, jede Reichsstadt ihren eige- nen Weg.
X.
Gewisse Artikel wurden zwar zu Schmal- kalden unter den Teutschen evangelischen Ständen vereinbaret. Aber man war weit entfernt, jedem besonderen Staate in den genäueren Einrichtun- gen, die eines jeden eigne Umstände erfordern möch- ten, vorzugreifen. Hierin behielt also jedes Land und jede Reichsstadt die völlige Freyheit, ihre besondere Bestimmungen zu machen. Und wozu wäre es nöthig gewesen, durchaus eine ganz gleich- förmige Kirchenverfassung zu treffen, da Christus und die Apostel selbst keine bestimmte Vorschriften darüber gegeben hatten, sondern jede Gemeinde, oder jede vereinigte Gemeinden eines Landes ihrer natürlichen Freyheit überließen? Hatte doch die Erfahrung von mehreren Jahrhunderten her geleh- ret, wie mißlich es sey, die Einheit der Kirche da- hin auszudehnen, daß auch die äußere Einrichtung derselben nach einerley willkührlich bestimmten Vor- schriften irgend einer menschlichen Gewalt sich rich- ten müßte; es möchte nun diese Gewalt in den Händen eines einzigen Oberhaupts seyn, oder von einer versammelten Anzahl Mehrerer ausgeübet wer- den! Gnug, wenn nur Obrigkeit und Untertha- nen in jedem Staate über das, was zur Gleichför- migkeit des öffentlichen Gottesdienstes nöthig war, sich vereinigten, und übrigens nur die Bibel zur
Richt-
V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
ſung. In Daͤnemark wurde manches anders als in Schweden eingerichtet, in England wieder an- ders. Noch verſchiedener war ferner die Einrich- tung in der Schweiz und in den Niederlanden. Und ſo gieng auch in Teutſchland jedes Fuͤrſten- thum, jede Grafſchaft, jede Reichsſtadt ihren eige- nen Weg.
X.
Gewiſſe Artikel wurden zwar zu Schmal- kalden unter den Teutſchen evangeliſchen Staͤnden vereinbaret. Aber man war weit entfernt, jedem beſonderen Staate in den genaͤueren Einrichtun- gen, die eines jeden eigne Umſtaͤnde erfordern moͤch- ten, vorzugreifen. Hierin behielt alſo jedes Land und jede Reichsſtadt die voͤllige Freyheit, ihre beſondere Beſtimmungen zu machen. Und wozu waͤre es noͤthig geweſen, durchaus eine ganz gleich- foͤrmige Kirchenverfaſſung zu treffen, da Chriſtus und die Apoſtel ſelbſt keine beſtimmte Vorſchriften daruͤber gegeben hatten, ſondern jede Gemeinde, oder jede vereinigte Gemeinden eines Landes ihrer natuͤrlichen Freyheit uͤberließen? Hatte doch die Erfahrung von mehreren Jahrhunderten her geleh- ret, wie mißlich es ſey, die Einheit der Kirche da- hin auszudehnen, daß auch die aͤußere Einrichtung derſelben nach einerley willkuͤhrlich beſtimmten Vor- ſchriften irgend einer menſchlichen Gewalt ſich rich- ten muͤßte; es moͤchte nun dieſe Gewalt in den Haͤnden eines einzigen Oberhaupts ſeyn, oder von einer verſammelten Anzahl Mehrerer ausgeuͤbet wer- den! Gnug, wenn nur Obrigkeit und Untertha- nen in jedem Staate uͤber das, was zur Gleichfoͤr- migkeit des oͤffentlichen Gottesdienſtes noͤthig war, ſich vereinigten, und uͤbrigens nur die Bibel zur
Richt-
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V. Neuere Zeit. Carl V. 1519-1558.
ſung. In Daͤnemark wurde manches anders als
in Schweden eingerichtet, in England wieder an-
ders. Noch verſchiedener war ferner die Einrich-
tung in der Schweiz und in den Niederlanden.
Und ſo gieng auch in Teutſchland jedes Fuͤrſten-
thum, jede Grafſchaft, jede Reichsſtadt ihren eige-
nen Weg.
Gewiſſe Artikel wurden zwar zu Schmal-
kalden unter den Teutſchen evangeliſchen Staͤnden
vereinbaret. Aber man war weit entfernt, jedem
beſonderen Staate in den genaͤueren Einrichtun-
gen, die eines jeden eigne Umſtaͤnde erfordern moͤch-
ten, vorzugreifen. Hierin behielt alſo jedes Land
und jede Reichsſtadt die voͤllige Freyheit, ihre
beſondere Beſtimmungen zu machen. Und wozu
waͤre es noͤthig geweſen, durchaus eine ganz gleich-
foͤrmige Kirchenverfaſſung zu treffen, da Chriſtus
und die Apoſtel ſelbſt keine beſtimmte Vorſchriften
daruͤber gegeben hatten, ſondern jede Gemeinde,
oder jede vereinigte Gemeinden eines Landes ihrer
natuͤrlichen Freyheit uͤberließen? Hatte doch die
Erfahrung von mehreren Jahrhunderten her geleh-
ret, wie mißlich es ſey, die Einheit der Kirche da-
hin auszudehnen, daß auch die aͤußere Einrichtung
derſelben nach einerley willkuͤhrlich beſtimmten Vor-
ſchriften irgend einer menſchlichen Gewalt ſich rich-
ten muͤßte; es moͤchte nun dieſe Gewalt in den
Haͤnden eines einzigen Oberhaupts ſeyn, oder von
einer verſammelten Anzahl Mehrerer ausgeuͤbet wer-
den! Gnug, wenn nur Obrigkeit und Untertha-
nen in jedem Staate uͤber das, was zur Gleichfoͤr-
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ſich vereinigten, und uͤbrigens nur die Bibel zur
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/412>, abgerufen am 22.11.2024.
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