Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

3) Territorialjustitzwesen.
des Teutschen Adels ein Recht, das bisher nur
einen Theil ihrer gutsherrlichen Gewalt ausgemacht
hatte, in eine förmliche Gerichtbarkeit verwandelt,
die nunmehr ihren Gütern anklebt, und unter dem
Namen einer Erbgerichtbarkeit (Patrimonial-
Jurisdiction) von dem, was man sonst Gericht-
barkeit nennt, die man sich nur als einen Theil
der höchsten Gewalt oder als ein von derselben auf-
getragenes Recht vorstellt, zu unterscheiden pfleget.

Für alle diese Gerichtsanstalten in der Reichs-VI.
stände Ländern war noch eine wichtige Verord-
nung, da gleich in der ersten Cammergerichtsord-
nung ausgemacht wurde, daß alle und jede Unter-
thanen bey ihren ordentlichen Gerichten gelaßen
werden sollten. Bis dahin war es eigentlich Rech-
tens gewesen, daß, wenn auch ein Reichsstand
über seine Unterthanen den Gerichtszwang hatte,
solcher doch nicht mit Ausschließung der kaiserlichen
Gerichtbarkeit zu verstehen war. Einem jeden Klä-
ger hielt man es vielmehr frey gestellt, ob er sei-
nen Gegner, wenn derselbe eines Reichsstandes
Unterthan war, bey dessen landesherrlichen Ge-
richten, oder beym Kaiser und dessen Gerichte be-
langen wollte. Dawider hatten zwar verschiedene
Reichsstände sich schon nach und nach durch kai-
serliche so genannte Evocationsprivilegien (pri-
vilegia de non euocando
) zu helfen gesucht;
und den Churfürsten insgesammt hatte schon die
goldene Bulle ein allgemeines Befreyungsrecht (ius
de non euocando
) dawider zugestanden. Außer-
dem war es aber doch bisher die Regel gewesen,
bis erst jetzt durch vorgedachte Stelle der Cammer-

ge-
X 5

3) Territorialjuſtitzweſen.
des Teutſchen Adels ein Recht, das bisher nur
einen Theil ihrer gutsherrlichen Gewalt ausgemacht
hatte, in eine foͤrmliche Gerichtbarkeit verwandelt,
die nunmehr ihren Guͤtern anklebt, und unter dem
Namen einer Erbgerichtbarkeit (Patrimonial-
Jurisdiction) von dem, was man ſonſt Gericht-
barkeit nennt, die man ſich nur als einen Theil
der hoͤchſten Gewalt oder als ein von derſelben auf-
getragenes Recht vorſtellt, zu unterſcheiden pfleget.

Fuͤr alle dieſe Gerichtsanſtalten in der Reichs-VI.
ſtaͤnde Laͤndern war noch eine wichtige Verord-
nung, da gleich in der erſten Cammergerichtsord-
nung ausgemacht wurde, daß alle und jede Unter-
thanen bey ihren ordentlichen Gerichten gelaßen
werden ſollten. Bis dahin war es eigentlich Rech-
tens geweſen, daß, wenn auch ein Reichsſtand
uͤber ſeine Unterthanen den Gerichtszwang hatte,
ſolcher doch nicht mit Ausſchließung der kaiſerlichen
Gerichtbarkeit zu verſtehen war. Einem jeden Klaͤ-
ger hielt man es vielmehr frey geſtellt, ob er ſei-
nen Gegner, wenn derſelbe eines Reichsſtandes
Unterthan war, bey deſſen landesherrlichen Ge-
richten, oder beym Kaiſer und deſſen Gerichte be-
langen wollte. Dawider hatten zwar verſchiedene
Reichsſtaͤnde ſich ſchon nach und nach durch kai-
ſerliche ſo genannte Evocationsprivilegien (pri-
vilegia de non euocando
) zu helfen geſucht;
und den Churfuͤrſten insgeſammt hatte ſchon die
goldene Bulle ein allgemeines Befreyungsrecht (ius
de non euocando
) dawider zugeſtanden. Außer-
dem war es aber doch bisher die Regel geweſen,
bis erſt jetzt durch vorgedachte Stelle der Cammer-

ge-
X 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0363" n="329"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">3) Territorialju&#x017F;titzwe&#x017F;en.</hi></fw><lb/>
des Teut&#x017F;chen Adels ein Recht, das bisher nur<lb/>
einen Theil ihrer gutsherrlichen Gewalt ausgemacht<lb/>
hatte, in eine fo&#x0364;rmliche Gerichtbarkeit verwandelt,<lb/>
die nunmehr ihren Gu&#x0364;tern anklebt, und unter dem<lb/>
Namen einer <hi rendition="#fr">Erbgerichtbarkeit</hi> (Patrimonial-<lb/>
Jurisdiction) von dem, was man &#x017F;on&#x017F;t Gericht-<lb/>
barkeit nennt, die man &#x017F;ich nur als einen Theil<lb/>
der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gewalt oder als ein von der&#x017F;elben auf-<lb/>
getragenes Recht vor&#x017F;tellt, zu unter&#x017F;cheiden pfleget.</p><lb/>
          <p>Fu&#x0364;r alle die&#x017F;e Gerichtsan&#x017F;talten in der Reichs-<note place="right"><hi rendition="#aq">VI.</hi></note><lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde La&#x0364;ndern war noch eine wichtige Verord-<lb/>
nung, da gleich in der er&#x017F;ten Cammergerichtsord-<lb/>
nung ausgemacht wurde, daß alle und jede Unter-<lb/>
thanen bey ihren ordentlichen Gerichten gelaßen<lb/>
werden &#x017F;ollten. Bis dahin war es eigentlich Rech-<lb/>
tens gewe&#x017F;en, daß, wenn auch ein Reichs&#x017F;tand<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;eine Unterthanen den Gerichtszwang hatte,<lb/>
&#x017F;olcher doch nicht mit Aus&#x017F;chließung der kai&#x017F;erlichen<lb/>
Gerichtbarkeit zu ver&#x017F;tehen war. Einem jeden Kla&#x0364;-<lb/>
ger hielt man es vielmehr frey ge&#x017F;tellt, ob er &#x017F;ei-<lb/>
nen Gegner, wenn der&#x017F;elbe eines Reichs&#x017F;tandes<lb/>
Unterthan war, bey de&#x017F;&#x017F;en landesherrlichen Ge-<lb/>
richten, oder beym Kai&#x017F;er und de&#x017F;&#x017F;en Gerichte be-<lb/>
langen wollte. Dawider hatten zwar ver&#x017F;chiedene<lb/>
Reichs&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;ich &#x017F;chon nach und nach durch kai-<lb/>
&#x017F;erliche &#x017F;o genannte <hi rendition="#fr">Evocationsprivilegien</hi> (<hi rendition="#aq">pri-<lb/>
vilegia de non euocando</hi>) zu helfen ge&#x017F;ucht;<lb/>
und den Churfu&#x0364;r&#x017F;ten insge&#x017F;ammt hatte &#x017F;chon die<lb/>
goldene Bulle ein allgemeines Befreyungsrecht (<hi rendition="#aq">ius<lb/>
de non euocando</hi>) dawider zuge&#x017F;tanden. Außer-<lb/>
dem war es aber doch bisher die Regel gewe&#x017F;en,<lb/>
bis er&#x017F;t jetzt durch vorgedachte Stelle der Cammer-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 5</fw><fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0363] 3) Territorialjuſtitzweſen. des Teutſchen Adels ein Recht, das bisher nur einen Theil ihrer gutsherrlichen Gewalt ausgemacht hatte, in eine foͤrmliche Gerichtbarkeit verwandelt, die nunmehr ihren Guͤtern anklebt, und unter dem Namen einer Erbgerichtbarkeit (Patrimonial- Jurisdiction) von dem, was man ſonſt Gericht- barkeit nennt, die man ſich nur als einen Theil der hoͤchſten Gewalt oder als ein von derſelben auf- getragenes Recht vorſtellt, zu unterſcheiden pfleget. Fuͤr alle dieſe Gerichtsanſtalten in der Reichs- ſtaͤnde Laͤndern war noch eine wichtige Verord- nung, da gleich in der erſten Cammergerichtsord- nung ausgemacht wurde, daß alle und jede Unter- thanen bey ihren ordentlichen Gerichten gelaßen werden ſollten. Bis dahin war es eigentlich Rech- tens geweſen, daß, wenn auch ein Reichsſtand uͤber ſeine Unterthanen den Gerichtszwang hatte, ſolcher doch nicht mit Ausſchließung der kaiſerlichen Gerichtbarkeit zu verſtehen war. Einem jeden Klaͤ- ger hielt man es vielmehr frey geſtellt, ob er ſei- nen Gegner, wenn derſelbe eines Reichsſtandes Unterthan war, bey deſſen landesherrlichen Ge- richten, oder beym Kaiſer und deſſen Gerichte be- langen wollte. Dawider hatten zwar verſchiedene Reichsſtaͤnde ſich ſchon nach und nach durch kai- ſerliche ſo genannte Evocationsprivilegien (pri- vilegia de non euocando) zu helfen geſucht; und den Churfuͤrſten insgeſammt hatte ſchon die goldene Bulle ein allgemeines Befreyungsrecht (ius de non euocando) dawider zugeſtanden. Außer- dem war es aber doch bisher die Regel geweſen, bis erſt jetzt durch vorgedachte Stelle der Cammer- ge- VI. X 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/363
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/363>, abgerufen am 18.05.2024.