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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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III. Mittl. Zeiten b) 1235-1493.
Vortheile entgehen, die ein zu Rom anwesender
Pabst als Regent der Stadt und des ganzen Kir-
chenstaats genießen konnte, aber in der auf die
Länge anhaltenden Abwesenheit nicht im Stande
war, gegen alle Gattungen von Usurpatoren und
bösen Zahlern zu retten. Diesen Abgang zu er-
setzen waren die Päbste zu Avignon glücklich gnug,
mehrere neue Quellen für ihre Einnahmen ergie-
big zu machen. Vorausgesetzt, was sich auf die
jetzt über allen Widerspruch erhobenen und für alle
critische Untersuchungen gesicherten Isidorischen
Grundsätze, in Fortführung der schon von Gregor
dem VII., Innocenz dem III. und Bonifaz dem
VIII. darauf errichteten Gebäude, noch weiter dar-
auf bauen ließ, war es freylich ein leichtes, der
einmal zum Gehorsam unter der Kirche und ihrem
Oberhaupte gewohnten Welt neue Vorschriften zu
geben, und das schon tragende Joch nur noch mit
einigen neuen Lasten zu beschweren.


II.

War es doch schon seit der Waldenser Zeiten
in Gang gekommen, daß zur Vorsorge, damit
nicht Ketzer als reudige Schafe in den Schafstall
der Kirche eindringen möchten, das Oberhaupt der
Kirche es übernommen hatte, erledigte Bisthümer
und Erzbisthümer mit zuverläßigen Männern zu
besetzen; was war es jetzt anders, als ein aus
eben der Quelle herfließender preiswürdiger Eifer,
wenn Johann der XXII. jetzt (1317.) verordnete:
daß niemand zwey Pfründen mehr beysammen ha-
ben, sondern, wo dergleichen Mißbrauch eingeris-
sen, ein jeder Besitzer mehrerer Pfründen dieselben
bis auf eine resigniren sollte, da dann für die
Wiederbesetzung der solchergestalt erledigten geist-

lichen

III. Mittl. Zeiten b) 1235-1493.
Vortheile entgehen, die ein zu Rom anweſender
Pabſt als Regent der Stadt und des ganzen Kir-
chenſtaats genießen konnte, aber in der auf die
Laͤnge anhaltenden Abweſenheit nicht im Stande
war, gegen alle Gattungen von Uſurpatoren und
boͤſen Zahlern zu retten. Dieſen Abgang zu er-
ſetzen waren die Paͤbſte zu Avignon gluͤcklich gnug,
mehrere neue Quellen fuͤr ihre Einnahmen ergie-
big zu machen. Vorausgeſetzt, was ſich auf die
jetzt uͤber allen Widerſpruch erhobenen und fuͤr alle
critiſche Unterſuchungen geſicherten Iſidoriſchen
Grundſaͤtze, in Fortfuͤhrung der ſchon von Gregor
dem VII., Innocenz dem III. und Bonifaz dem
VIII. darauf errichteten Gebaͤude, noch weiter dar-
auf bauen ließ, war es freylich ein leichtes, der
einmal zum Gehorſam unter der Kirche und ihrem
Oberhaupte gewohnten Welt neue Vorſchriften zu
geben, und das ſchon tragende Joch nur noch mit
einigen neuen Laſten zu beſchweren.


II.

War es doch ſchon ſeit der Waldenſer Zeiten
in Gang gekommen, daß zur Vorſorge, damit
nicht Ketzer als reudige Schafe in den Schafſtall
der Kirche eindringen moͤchten, das Oberhaupt der
Kirche es uͤbernommen hatte, erledigte Biſthuͤmer
und Erzbiſthuͤmer mit zuverlaͤßigen Maͤnnern zu
beſetzen; was war es jetzt anders, als ein aus
eben der Quelle herfließender preiswuͤrdiger Eifer,
wenn Johann der XXII. jetzt (1317.) verordnete:
daß niemand zwey Pfruͤnden mehr beyſammen ha-
ben, ſondern, wo dergleichen Mißbrauch eingeriſ-
ſen, ein jeder Beſitzer mehrerer Pfruͤnden dieſelben
bis auf eine reſigniren ſollte, da dann fuͤr die
Wiederbeſetzung der ſolchergeſtalt erledigten geiſt-

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[280/0314] III. Mittl. Zeiten b) 1235-1493. Vortheile entgehen, die ein zu Rom anweſender Pabſt als Regent der Stadt und des ganzen Kir- chenſtaats genießen konnte, aber in der auf die Laͤnge anhaltenden Abweſenheit nicht im Stande war, gegen alle Gattungen von Uſurpatoren und boͤſen Zahlern zu retten. Dieſen Abgang zu er- ſetzen waren die Paͤbſte zu Avignon gluͤcklich gnug, mehrere neue Quellen fuͤr ihre Einnahmen ergie- big zu machen. Vorausgeſetzt, was ſich auf die jetzt uͤber allen Widerſpruch erhobenen und fuͤr alle critiſche Unterſuchungen geſicherten Iſidoriſchen Grundſaͤtze, in Fortfuͤhrung der ſchon von Gregor dem VII., Innocenz dem III. und Bonifaz dem VIII. darauf errichteten Gebaͤude, noch weiter dar- auf bauen ließ, war es freylich ein leichtes, der einmal zum Gehorſam unter der Kirche und ihrem Oberhaupte gewohnten Welt neue Vorſchriften zu geben, und das ſchon tragende Joch nur noch mit einigen neuen Laſten zu beſchweren. War es doch ſchon ſeit der Waldenſer Zeiten in Gang gekommen, daß zur Vorſorge, damit nicht Ketzer als reudige Schafe in den Schafſtall der Kirche eindringen moͤchten, das Oberhaupt der Kirche es uͤbernommen hatte, erledigte Biſthuͤmer und Erzbiſthuͤmer mit zuverlaͤßigen Maͤnnern zu beſetzen; was war es jetzt anders, als ein aus eben der Quelle herfließender preiswuͤrdiger Eifer, wenn Johann der XXII. jetzt (1317.) verordnete: daß niemand zwey Pfruͤnden mehr beyſammen ha- ben, ſondern, wo dergleichen Mißbrauch eingeriſ- ſen, ein jeder Beſitzer mehrerer Pfruͤnden dieſelben bis auf eine reſigniren ſollte, da dann fuͤr die Wiederbeſetzung der ſolchergeſtalt erledigten geiſt- lichen

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/314>, abgerufen am 22.11.2024.