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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
nach geendigter Gefahr wegen der Ungarn doch
die Anzahl neuer Städte immer häufiger wurde.


VI.

Zwar was die städtische Lebensart und die un-
ter andern davon abhangende besondere Gattung
in der Verschiedenheit der Stände anbetrifft,
würde man sich sehr irren, wenn man das, was
die jetzige Verfassung der Städte mit sich bringt,
gleich von ihrem ersten Ursprunge an herleiten
wollte. Von den ersten Bewohnern einer jeden
Stadt wußte ein jeder, wes Standes er war, frey
oder nicht frey. In den ersten Generationen hat
auch wahrscheinlich niemand leicht anders als in
seinem Stande geheirathet. Da wäre dann der
bloße Aufenthalt in einer Stadt noch kein hinläng-
licher Grund gewesen, daraus einen eignen Stand
zu machen; wie daher noch jetzt in mancher alten
Stadt adeliche Geschlechter sind, die sich von un-
denklichen alten Zeiten her in ihrem Stande erhal-
ten haben.


VII.

Erst in der Folge mehrerer Generationen kam
es dahin, daß Einwohner in Städten, deren Vor-
fahren freye Leute gewesen waren, keinen sonder-
lichen Anstoß mehr darin fanden, sich in Heira-
then mit Personen einzulaßen, bey denen man in
Rücksicht auf ihr Vermögen oder andere persön-
liche Eigenschaften allenfalls gerne vergaß, daß
ihre Voreltern vielleicht ehedem ursprünglich leib-
eigen gewesen, und zuerst als Gesinde in die Stadt
gekommen waren.


VIII.

So verlohr sich auch nach und nach die Ab-
neigung gegen Kaufmannschaft und Gewerbe der

In-

II. Mittlere Zeiten a) 888-1235.
nach geendigter Gefahr wegen der Ungarn doch
die Anzahl neuer Staͤdte immer haͤufiger wurde.


VI.

Zwar was die ſtaͤdtiſche Lebensart und die un-
ter andern davon abhangende beſondere Gattung
in der Verſchiedenheit der Staͤnde anbetrifft,
wuͤrde man ſich ſehr irren, wenn man das, was
die jetzige Verfaſſung der Staͤdte mit ſich bringt,
gleich von ihrem erſten Urſprunge an herleiten
wollte. Von den erſten Bewohnern einer jeden
Stadt wußte ein jeder, wes Standes er war, frey
oder nicht frey. In den erſten Generationen hat
auch wahrſcheinlich niemand leicht anders als in
ſeinem Stande geheirathet. Da waͤre dann der
bloße Aufenthalt in einer Stadt noch kein hinlaͤng-
licher Grund geweſen, daraus einen eignen Stand
zu machen; wie daher noch jetzt in mancher alten
Stadt adeliche Geſchlechter ſind, die ſich von un-
denklichen alten Zeiten her in ihrem Stande erhal-
ten haben.


VII.

Erſt in der Folge mehrerer Generationen kam
es dahin, daß Einwohner in Staͤdten, deren Vor-
fahren freye Leute geweſen waren, keinen ſonder-
lichen Anſtoß mehr darin fanden, ſich in Heira-
then mit Perſonen einzulaßen, bey denen man in
Ruͤckſicht auf ihr Vermoͤgen oder andere perſoͤn-
liche Eigenſchaften allenfalls gerne vergaß, daß
ihre Voreltern vielleicht ehedem urſpruͤnglich leib-
eigen geweſen, und zuerſt als Geſinde in die Stadt
gekommen waren.


VIII.

So verlohr ſich auch nach und nach die Ab-
neigung gegen Kaufmannſchaft und Gewerbe der

In-
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[108/0142] II. Mittlere Zeiten a) 888-1235. nach geendigter Gefahr wegen der Ungarn doch die Anzahl neuer Staͤdte immer haͤufiger wurde. Zwar was die ſtaͤdtiſche Lebensart und die un- ter andern davon abhangende beſondere Gattung in der Verſchiedenheit der Staͤnde anbetrifft, wuͤrde man ſich ſehr irren, wenn man das, was die jetzige Verfaſſung der Staͤdte mit ſich bringt, gleich von ihrem erſten Urſprunge an herleiten wollte. Von den erſten Bewohnern einer jeden Stadt wußte ein jeder, wes Standes er war, frey oder nicht frey. In den erſten Generationen hat auch wahrſcheinlich niemand leicht anders als in ſeinem Stande geheirathet. Da waͤre dann der bloße Aufenthalt in einer Stadt noch kein hinlaͤng- licher Grund geweſen, daraus einen eignen Stand zu machen; wie daher noch jetzt in mancher alten Stadt adeliche Geſchlechter ſind, die ſich von un- denklichen alten Zeiten her in ihrem Stande erhal- ten haben. Erſt in der Folge mehrerer Generationen kam es dahin, daß Einwohner in Staͤdten, deren Vor- fahren freye Leute geweſen waren, keinen ſonder- lichen Anſtoß mehr darin fanden, ſich in Heira- then mit Perſonen einzulaßen, bey denen man in Ruͤckſicht auf ihr Vermoͤgen oder andere perſoͤn- liche Eigenſchaften allenfalls gerne vergaß, daß ihre Voreltern vielleicht ehedem urſpruͤnglich leib- eigen geweſen, und zuerſt als Geſinde in die Stadt gekommen waren. So verlohr ſich auch nach und nach die Ab- neigung gegen Kaufmannſchaft und Gewerbe der In-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/142>, abgerufen am 22.11.2024.