feuers theilweise sichtbar wurden, während mehrere Sterbende und Todte den Vordergrund einnahmen. Als der Rauch sich verzog, stand Houguemont noch in Flammen, die Engländer als Sieger, die Franzosen als Gefangene umher, und von weitem sah man Napoleon zu Pferde, und hinter ihm seinen vierspän- nigen Wagen über die Scene fliehen. Wellington aber als Sieger wurde unter dem fernen Kanonen- donner mit Hurrah-Geschrei begrüßt. Die lächerliche Seite der Vorstellung war Napoleon, welcher der Eitelkeit der Engländer zu Liebe, mehreremal flüch- tend und verfolgt über die Scene jagen und dem Plebs in gutem und schlechtem Anzug zum Jubel die- nen mußte. Das ist das Loos des Großen auf der Erde! der Welteroberer, vor dem einst die Erde zit- terte, dem das Blut von Millionen bereitwillig floß, und auf dessen Wink die Könige lauschten -- ist jetzt ein Kinderspiel, die Mährchen seiner Zeit verschwun- den wie ein Traum, der Jupiter dahin, und Scapin, wie es scheint allein noch übrig. Obgleich nach Mit- ternacht, war es doch noch Zeit genug, mich aus der seltsamen Licht- und Mondscheinsscene auf einen glän- zenden Ball bei Lady L ... zu begeben, mit vielen Diamanten, schönen Weibern, kostbaren Erfrischun- gen, schwelgerischem Soupe, und colossalem Ennui. Schon um 5 Uhr früh ging ich daher zu Bett.
Den 12ten.
Oft hatte ich von einem gewissen Herrn Deville in der City gehört, einem Schüler Galls, passionir-
feuers theilweiſe ſichtbar wurden, während mehrere Sterbende und Todte den Vordergrund einnahmen. Als der Rauch ſich verzog, ſtand Houguemont noch in Flammen, die Engländer als Sieger, die Franzoſen als Gefangene umher, und von weitem ſah man Napoleon zu Pferde, und hinter ihm ſeinen vierſpän- nigen Wagen über die Scene fliehen. Wellington aber als Sieger wurde unter dem fernen Kanonen- donner mit Hurrah-Geſchrei begrüßt. Die lächerliche Seite der Vorſtellung war Napoleon, welcher der Eitelkeit der Engländer zu Liebe, mehreremal flüch- tend und verfolgt über die Scene jagen und dem Plebs in gutem und ſchlechtem Anzug zum Jubel die- nen mußte. Das iſt das Loos des Großen auf der Erde! der Welteroberer, vor dem einſt die Erde zit- terte, dem das Blut von Millionen bereitwillig floß, und auf deſſen Wink die Könige lauſchten — iſt jetzt ein Kinderſpiel, die Mährchen ſeiner Zeit verſchwun- den wie ein Traum, der Jupiter dahin, und Scapin, wie es ſcheint allein noch übrig. Obgleich nach Mit- ternacht, war es doch noch Zeit genug, mich aus der ſeltſamen Licht- und Mondſcheinsſcene auf einen glän- zenden Ball bei Lady L … zu begeben, mit vielen Diamanten, ſchönen Weibern, koſtbaren Erfriſchun- gen, ſchwelgeriſchem Soupé, und coloſſalem Ennui. Schon um 5 Uhr früh ging ich daher zu Bett.
Den 12ten.
Oft hatte ich von einem gewiſſen Herrn Deville in der City gehört, einem Schüler Galls, paſſionir-
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feuers theilweiſe ſichtbar wurden, während mehrere
Sterbende und Todte den Vordergrund einnahmen.
Als der Rauch ſich verzog, ſtand Houguemont noch in
Flammen, die Engländer als Sieger, die Franzoſen
als Gefangene umher, und von weitem ſah man
Napoleon zu Pferde, und hinter ihm ſeinen vierſpän-
nigen Wagen über die Scene fliehen. Wellington
aber als Sieger wurde unter dem fernen Kanonen-
donner mit Hurrah-Geſchrei begrüßt. Die lächerliche
Seite der Vorſtellung war Napoleon, welcher der
Eitelkeit der Engländer zu Liebe, mehreremal flüch-
tend und verfolgt über die Scene jagen und dem
Plebs in gutem und ſchlechtem Anzug zum Jubel die-
nen mußte. Das iſt das Loos des Großen auf der
Erde! der Welteroberer, vor dem einſt die Erde zit-
terte, dem das Blut von Millionen bereitwillig floß,
und auf deſſen Wink die Könige lauſchten — iſt jetzt
ein Kinderſpiel, die Mährchen ſeiner Zeit verſchwun-
den wie ein Traum, der Jupiter dahin, und Scapin,
wie es ſcheint allein noch übrig. Obgleich nach Mit-
ternacht, war es doch noch Zeit genug, mich aus der
ſeltſamen Licht- und Mondſcheinsſcene auf einen glän-
zenden Ball bei Lady L … zu begeben, mit vielen
Diamanten, ſchönen Weibern, koſtbaren Erfriſchun-
gen, ſchwelgeriſchem Soupé, und coloſſalem Ennui.
Schon um 5 Uhr früh ging ich daher zu Bett.
Den 12ten.
Oft hatte ich von einem gewiſſen Herrn Deville
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/95>, abgerufen am 24.11.2024.
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