Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

heute die merkwärdigste die der Schlacht von Water-
loo war. Um 7 Uhr wird der Garten geöffnet. Aller
Orten giebt es verschiedene Darstellungen. Um 8 Uhr
beginnt die Oper. Dieser folgen anderswo Seiltän-
zer, um 10 Uhr zum Schluß die erwähnte Schlacht
von Waterloo. Dies Schauspiel ist sonderbar genug,
und die Täuschung wirklich in manchen Scenen sehr
groß. Zum Schauplatz dient ein Theil des freyen
Gartens selbst, der mit uralten Kastanienbäumen mit
Gebüsch untermengt, besetzt ist. Zwischen vier der
ersten, deren Laub so dicht ist, daß kaum der Himmel
durchschimmern kann, war eine Tribune mit Gradins
für ungefähr 1,200 Menschen errichtet, die wohl bis
40 Fuß Höhe hinanstieg. In einem furchtbaren Ge-
dränge, nicht ohne einige empfindliche Stöße zu er-
halten und auszutheilen, erreichten wir unsern Sitz.
Es war eine warme, wunderliebliche Nacht. Der
Mond schien äußerst hell und zeigte in einer Entfer-
nung von ohngefähr 50 Schritt zwischen zwei Riesen-
bäumen einen colossalen Vorhang von rothem Zeuge
mit den vereinigten Wappen Großbrittaniens bemalt.
Hinter dem Vorhang ragten viele andere Baum-
Gipfel, so weit man sehen konnte, hervor.

Nach einer minutenlangen Stille donnerte ein
Kanonenschuß durch den Wald und die militairische
Musik von 2 Garde-Regimentern ertönte zugleich in
grandioser Harmonie aus der Ferne. Der Vorhang
öffnete sich in der Mitte, rauschte von einander, und
wir erblickten wie im Tageslicht auf einem Boden
der sich sanft erhebt, unter hohen Bäumen hervor-
schimmernd, das Vorwerk Houguemont (nicht eine

heute die merkwärdigſte die der Schlacht von Water-
loo war. Um 7 Uhr wird der Garten geöffnet. Aller
Orten giebt es verſchiedene Darſtellungen. Um 8 Uhr
beginnt die Oper. Dieſer folgen anderswo Seiltän-
zer, um 10 Uhr zum Schluß die erwähnte Schlacht
von Waterloo. Dies Schauſpiel iſt ſonderbar genug,
und die Täuſchung wirklich in manchen Scenen ſehr
groß. Zum Schauplatz dient ein Theil des freyen
Gartens ſelbſt, der mit uralten Kaſtanienbäumen mit
Gebüſch untermengt, beſetzt iſt. Zwiſchen vier der
erſten, deren Laub ſo dicht iſt, daß kaum der Himmel
durchſchimmern kann, war eine Tribune mit Gradins
für ungefähr 1,200 Menſchen errichtet, die wohl bis
40 Fuß Höhe hinanſtieg. In einem furchtbaren Ge-
dränge, nicht ohne einige empfindliche Stöße zu er-
halten und auszutheilen, erreichten wir unſern Sitz.
Es war eine warme, wunderliebliche Nacht. Der
Mond ſchien äußerſt hell und zeigte in einer Entfer-
nung von ohngefähr 50 Schritt zwiſchen zwei Rieſen-
bäumen einen coloſſalen Vorhang von rothem Zeuge
mit den vereinigten Wappen Großbrittaniens bemalt.
Hinter dem Vorhang ragten viele andere Baum-
Gipfel, ſo weit man ſehen konnte, hervor.

Nach einer minutenlangen Stille donnerte ein
Kanonenſchuß durch den Wald und die militairiſche
Muſik von 2 Garde-Regimentern ertönte zugleich in
grandioſer Harmonie aus der Ferne. Der Vorhang
öffnete ſich in der Mitte, rauſchte von einander, und
wir erblickten wie im Tageslicht auf einem Boden
der ſich ſanft erhebt, unter hohen Bäumen hervor-
ſchimmernd, das Vorwerk Houguemont (nicht eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0093" n="77"/>
heute die merkwärdig&#x017F;te die der Schlacht von Water-<lb/>
loo war. Um 7 Uhr wird der Garten geöffnet. Aller<lb/>
Orten giebt es ver&#x017F;chiedene Dar&#x017F;tellungen. Um 8 Uhr<lb/>
beginnt die Oper. Die&#x017F;er folgen anderswo Seiltän-<lb/>
zer, um 10 Uhr zum Schluß die erwähnte Schlacht<lb/>
von Waterloo. Dies Schau&#x017F;piel i&#x017F;t &#x017F;onderbar genug,<lb/>
und die Täu&#x017F;chung wirklich in manchen Scenen &#x017F;ehr<lb/>
groß. Zum Schauplatz dient ein Theil des freyen<lb/>
Gartens &#x017F;elb&#x017F;t, der mit uralten Ka&#x017F;tanienbäumen mit<lb/>
Gebü&#x017F;ch untermengt, be&#x017F;etzt i&#x017F;t. Zwi&#x017F;chen vier der<lb/>
er&#x017F;ten, deren Laub &#x017F;o dicht i&#x017F;t, daß kaum der Himmel<lb/>
durch&#x017F;chimmern kann, war eine Tribune mit Gradins<lb/>
für ungefähr 1,200 Men&#x017F;chen errichtet, die wohl bis<lb/>
40 Fuß Höhe hinan&#x017F;tieg. In einem furchtbaren Ge-<lb/>
dränge, nicht ohne einige empfindliche Stöße zu er-<lb/>
halten und auszutheilen, erreichten wir un&#x017F;ern Sitz.<lb/>
Es war eine warme, wunderliebliche Nacht. Der<lb/>
Mond &#x017F;chien äußer&#x017F;t hell und zeigte in einer Entfer-<lb/>
nung von ohngefähr 50 Schritt zwi&#x017F;chen zwei Rie&#x017F;en-<lb/>
bäumen einen colo&#x017F;&#x017F;alen Vorhang von rothem Zeuge<lb/>
mit den vereinigten Wappen Großbrittaniens bemalt.<lb/>
Hinter dem Vorhang ragten viele andere Baum-<lb/>
Gipfel, &#x017F;o weit man &#x017F;ehen konnte, hervor.</p><lb/>
          <p>Nach einer minutenlangen Stille donnerte ein<lb/>
Kanonen&#x017F;chuß durch den Wald und die militairi&#x017F;che<lb/>
Mu&#x017F;ik von 2 Garde-Regimentern ertönte zugleich in<lb/>
grandio&#x017F;er Harmonie aus der Ferne. Der Vorhang<lb/>
öffnete &#x017F;ich in der Mitte, rau&#x017F;chte von einander, und<lb/>
wir erblickten wie im Tageslicht auf einem Boden<lb/>
der &#x017F;ich &#x017F;anft erhebt, unter hohen Bäumen hervor-<lb/>
&#x017F;chimmernd, das Vorwerk Houguemont (nicht eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0093] heute die merkwärdigſte die der Schlacht von Water- loo war. Um 7 Uhr wird der Garten geöffnet. Aller Orten giebt es verſchiedene Darſtellungen. Um 8 Uhr beginnt die Oper. Dieſer folgen anderswo Seiltän- zer, um 10 Uhr zum Schluß die erwähnte Schlacht von Waterloo. Dies Schauſpiel iſt ſonderbar genug, und die Täuſchung wirklich in manchen Scenen ſehr groß. Zum Schauplatz dient ein Theil des freyen Gartens ſelbſt, der mit uralten Kaſtanienbäumen mit Gebüſch untermengt, beſetzt iſt. Zwiſchen vier der erſten, deren Laub ſo dicht iſt, daß kaum der Himmel durchſchimmern kann, war eine Tribune mit Gradins für ungefähr 1,200 Menſchen errichtet, die wohl bis 40 Fuß Höhe hinanſtieg. In einem furchtbaren Ge- dränge, nicht ohne einige empfindliche Stöße zu er- halten und auszutheilen, erreichten wir unſern Sitz. Es war eine warme, wunderliebliche Nacht. Der Mond ſchien äußerſt hell und zeigte in einer Entfer- nung von ohngefähr 50 Schritt zwiſchen zwei Rieſen- bäumen einen coloſſalen Vorhang von rothem Zeuge mit den vereinigten Wappen Großbrittaniens bemalt. Hinter dem Vorhang ragten viele andere Baum- Gipfel, ſo weit man ſehen konnte, hervor. Nach einer minutenlangen Stille donnerte ein Kanonenſchuß durch den Wald und die militairiſche Muſik von 2 Garde-Regimentern ertönte zugleich in grandioſer Harmonie aus der Ferne. Der Vorhang öffnete ſich in der Mitte, rauſchte von einander, und wir erblickten wie im Tageslicht auf einem Boden der ſich ſanft erhebt, unter hohen Bäumen hervor- ſchimmernd, das Vorwerk Houguemont (nicht eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/93
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/93>, abgerufen am 18.12.2024.