bunden mit leichtem Sinn und einer wahren Freude an der Socialität; in England dagegen aus einer brutalen Vasallenherrschaft, dem spätern Handels- glück, angeborner übler Laune des Volkes und einer von jeher ziemlich versteinerten Selbstliebe.
Man bildet sich gewöhnlich im Auslande eine mehr oder weniger republikanische Ansicht von der engli- schen Gesellschaft. In dem öffentlichen Leben der Nation ist dieses Prinzip allerdings sehr bemerkbar, und wird es immer mehr; eben so in der Art ihrer Häuslichkeit, wo zugleich auch der Egoismus seltsam vorherrscht. Erwachsene Kinder und Eltern werden sich schnell fremd, und was wir Häuslichkeit nen- nen, ist daher hier bloß auf Mann und Frau und kleine Kinder anwendbar, so lange diese in der un- mittelbaren Abhängigkeit vom Vater leben. Sobald sie größer werden, tritt sogleich republikanische Kälte und Trennung zwischen ihnen und den Eltern ein. Ein englischer Dichter behauptet sogar: die Liebe der Großväter zu ihren Enkeln entstehe blos daher, weil sie in ihren erwachsenen Söhnen nichts anders als begierige und feindliche Erben sähen, in ihren En- keln aber wiederum die künftigen Feinde ihrer Feinde liebten. Ein solcher Gedanke selbst konnte nur in einem englischen Gehirne entstehen!
In den gesellschaftlichen Verhältnissen dagegen ist von oben bis auf die untersten Stufen herab auch nicht eine Spur republikanischer Elemente anzutreffen. Hier ist Alles im höchsten Grade mehr als aristokra-
bunden mit leichtem Sinn und einer wahren Freude an der Socialität; in England dagegen aus einer brutalen Vaſallenherrſchaft, dem ſpätern Handels- glück, angeborner übler Laune des Volkes und einer von jeher ziemlich verſteinerten Selbſtliebe.
Man bildet ſich gewöhnlich im Auslande eine mehr oder weniger republikaniſche Anſicht von der engli- ſchen Geſellſchaft. In dem öffentlichen Leben der Nation iſt dieſes Prinzip allerdings ſehr bemerkbar, und wird es immer mehr; eben ſo in der Art ihrer Häuslichkeit, wo zugleich auch der Egoismus ſeltſam vorherrſcht. Erwachſene Kinder und Eltern werden ſich ſchnell fremd, und was wir Häuslichkeit nen- nen, iſt daher hier bloß auf Mann und Frau und kleine Kinder anwendbar, ſo lange dieſe in der un- mittelbaren Abhängigkeit vom Vater leben. Sobald ſie größer werden, tritt ſogleich republikaniſche Kälte und Trennung zwiſchen ihnen und den Eltern ein. Ein engliſcher Dichter behauptet ſogar: die Liebe der Großväter zu ihren Enkeln entſtehe blos daher, weil ſie in ihren erwachſenen Söhnen nichts anders als begierige und feindliche Erben ſähen, in ihren En- keln aber wiederum die künftigen Feinde ihrer Feinde liebten. Ein ſolcher Gedanke ſelbſt konnte nur in einem engliſchen Gehirne entſtehen!
In den geſellſchaftlichen Verhältniſſen dagegen iſt von oben bis auf die unterſten Stufen herab auch nicht eine Spur republikaniſcher Elemente anzutreffen. Hier iſt Alles im höchſten Grade mehr als ariſtokra-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0413"n="393"/>
bunden mit leichtem Sinn und einer wahren Freude<lb/>
an der Socialität; in England dagegen aus einer<lb/>
brutalen Vaſallenherrſchaft, dem ſpätern Handels-<lb/>
glück, angeborner übler Laune des Volkes und einer<lb/>
von jeher ziemlich verſteinerten Selbſtliebe.</p><lb/><p>Man bildet ſich gewöhnlich im Auslande eine mehr<lb/>
oder weniger republikaniſche Anſicht von der engli-<lb/>ſchen Geſellſchaft. In dem öffentlichen Leben der<lb/>
Nation iſt dieſes Prinzip allerdings ſehr bemerkbar,<lb/>
und wird es immer mehr; eben ſo in der Art ihrer<lb/>
Häuslichkeit, wo zugleich auch der Egoismus ſeltſam<lb/>
vorherrſcht. Erwachſene Kinder und Eltern werden<lb/>ſich ſchnell fremd, und was <hirendition="#g">wir</hi> Häuslichkeit nen-<lb/>
nen, iſt daher hier bloß auf Mann und Frau und<lb/>
kleine Kinder anwendbar, ſo lange dieſe in der un-<lb/>
mittelbaren Abhängigkeit vom Vater leben. Sobald<lb/>ſie größer werden, tritt ſogleich republikaniſche Kälte<lb/>
und Trennung zwiſchen ihnen und den Eltern ein.<lb/>
Ein engliſcher Dichter behauptet ſogar: die Liebe der<lb/>
Großväter zu ihren Enkeln entſtehe blos daher, weil<lb/>ſie in ihren erwachſenen Söhnen nichts anders als<lb/>
begierige und feindliche Erben ſähen, in ihren En-<lb/>
keln aber wiederum die künftigen Feinde ihrer Feinde<lb/>
liebten. Ein ſolcher <hirendition="#g">Gedanke</hi>ſelbſt konnte nur in<lb/>
einem engliſchen Gehirne entſtehen!</p><lb/><p>In den geſellſchaftlichen Verhältniſſen dagegen iſt<lb/>
von oben bis auf die unterſten Stufen herab auch<lb/>
nicht eine Spur republikaniſcher Elemente anzutreffen.<lb/>
Hier iſt Alles im höchſten Grade mehr als ariſtokra-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[393/0413]
bunden mit leichtem Sinn und einer wahren Freude
an der Socialität; in England dagegen aus einer
brutalen Vaſallenherrſchaft, dem ſpätern Handels-
glück, angeborner übler Laune des Volkes und einer
von jeher ziemlich verſteinerten Selbſtliebe.
Man bildet ſich gewöhnlich im Auslande eine mehr
oder weniger republikaniſche Anſicht von der engli-
ſchen Geſellſchaft. In dem öffentlichen Leben der
Nation iſt dieſes Prinzip allerdings ſehr bemerkbar,
und wird es immer mehr; eben ſo in der Art ihrer
Häuslichkeit, wo zugleich auch der Egoismus ſeltſam
vorherrſcht. Erwachſene Kinder und Eltern werden
ſich ſchnell fremd, und was wir Häuslichkeit nen-
nen, iſt daher hier bloß auf Mann und Frau und
kleine Kinder anwendbar, ſo lange dieſe in der un-
mittelbaren Abhängigkeit vom Vater leben. Sobald
ſie größer werden, tritt ſogleich republikaniſche Kälte
und Trennung zwiſchen ihnen und den Eltern ein.
Ein engliſcher Dichter behauptet ſogar: die Liebe der
Großväter zu ihren Enkeln entſtehe blos daher, weil
ſie in ihren erwachſenen Söhnen nichts anders als
begierige und feindliche Erben ſähen, in ihren En-
keln aber wiederum die künftigen Feinde ihrer Feinde
liebten. Ein ſolcher Gedanke ſelbſt konnte nur in
einem engliſchen Gehirne entſtehen!
In den geſellſchaftlichen Verhältniſſen dagegen iſt
von oben bis auf die unterſten Stufen herab auch
nicht eine Spur republikaniſcher Elemente anzutreffen.
Hier iſt Alles im höchſten Grade mehr als ariſtokra-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/413>, abgerufen am 04.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.