Fenstern in dem Dir schon bekannten heimlichen Stüb- chen über dem Fluß, und erst um 11 Uhr in der Nacht nahm uns der Wagen wieder auf zur Heimfahrt.
Wahr ist es, der Himmel schuf dieses Wesen aus ganz besonderem Stoff! Welche Mannichfaltigkeit und welche Grazie in jeder wechselnden Nüance! Scheu oder zutraulich, bös oder gut gestimmt, bou- dirend, hingebend, gleichgültig, sanft, spottend, ge- messen oder wild -- immer ergreift sie, wie Schiller sagt, die Seele mit Himmelsgewalt! Und welche Selbstbeherrschung bei der höchsten Milde, welch fe- stes kleines Köpfchen, wenn sie will, wie viel Her- zensgüte, und dabei doch wie viel kecke Schlauheit!
Sie ist geschaffen, den Männern zu gefallen, und auch alle Weiber lieben sie. Gewiß eine glückliche, eine eigenthümliche Natur.
Aber, gute Julie, es ist Zeit, daß ich ende, nicht wahr? Du möchtest zuletzt gar denken, ich sey när- risch oder verliebt, oder beides zugleich. En verite, pour cette fois ci je n'en repondrai pas.
Den 8ten Mai.
Seit einer Woche klingen mir die Ohren von drei bis vier Concerten jeden Abend, oder jede Nacht, wie man es hier richtiger nennt, die plötzlich zur wahren Rage geworden sind, von den Höchsten und Erlesensten bis zu allen Nobodys herab. Die Da-
Fenſtern in dem Dir ſchon bekannten heimlichen Stüb- chen über dem Fluß, und erſt um 11 Uhr in der Nacht nahm uns der Wagen wieder auf zur Heimfahrt.
Wahr iſt es, der Himmel ſchuf dieſes Weſen aus ganz beſonderem Stoff! Welche Mannichfaltigkeit und welche Grazie in jeder wechſelnden Nüance! Scheu oder zutraulich, bös oder gut geſtimmt, bou- dirend, hingebend, gleichgültig, ſanft, ſpottend, ge- meſſen oder wild — immer ergreift ſie, wie Schiller ſagt, die Seele mit Himmelsgewalt! Und welche Selbſtbeherrſchung bei der höchſten Milde, welch fe- ſtes kleines Köpfchen, wenn ſie will, wie viel Her- zensgüte, und dabei doch wie viel kecke Schlauheit!
Sie iſt geſchaffen, den Männern zu gefallen, und auch alle Weiber lieben ſie. Gewiß eine glückliche, eine eigenthümliche Natur.
Aber, gute Julie, es iſt Zeit, daß ich ende, nicht wahr? Du möchteſt zuletzt gar denken, ich ſey när- riſch oder verliebt, oder beides zugleich. En vérité, pour cette fois ci je n’en repondrai pas.
Den 8ten Mai.
Seit einer Woche klingen mir die Ohren von drei bis vier Concerten jeden Abend, oder jede Nacht, wie man es hier richtiger nennt, die plötzlich zur wahren Rage geworden ſind, von den Höchſten und Erleſenſten bis zu allen Nobodys herab. Die Da-
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Fenſtern in dem Dir ſchon bekannten heimlichen Stüb-
chen über dem Fluß, und erſt um 11 Uhr in der
Nacht nahm uns der Wagen wieder auf zur Heimfahrt.
Wahr iſt es, der Himmel ſchuf dieſes Weſen aus
ganz beſonderem Stoff! Welche Mannichfaltigkeit
und welche Grazie in jeder wechſelnden Nüance!
Scheu oder zutraulich, bös oder gut geſtimmt, bou-
dirend, hingebend, gleichgültig, ſanft, ſpottend, ge-
meſſen oder wild — immer ergreift ſie, wie Schiller
ſagt, die Seele mit Himmelsgewalt! Und welche
Selbſtbeherrſchung bei der höchſten Milde, welch fe-
ſtes kleines Köpfchen, wenn ſie will, wie viel Her-
zensgüte, und dabei doch wie viel kecke Schlauheit!
Sie iſt geſchaffen, den Männern zu gefallen, und
auch alle Weiber lieben ſie. Gewiß eine glückliche,
eine eigenthümliche Natur.
Aber, gute Julie, es iſt Zeit, daß ich ende, nicht
wahr? Du möchteſt zuletzt gar denken, ich ſey när-
riſch oder verliebt, oder beides zugleich. En vérité,
pour cette fois ci je n’en repondrai pas.
Den 8ten Mai.
Seit einer Woche klingen mir die Ohren von drei
bis vier Concerten jeden Abend, oder jede Nacht,
wie man es hier richtiger nennt, die plötzlich zur
wahren Rage geworden ſind, von den Höchſten und
Erleſenſten bis zu allen Nobodys herab. Die Da-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/382>, abgerufen am 27.11.2024.
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