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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Vereinigung resignirt, und sich dadurch des hohen
Unrechts schuldig gemacht zu haben, dem Könige seine
constitutionelle Prärogative: ganz nach freier Willkühr
seine Minister zu erneuern, schmälern zu wollen. Zu-
vörderst müsse er daher verlangen, daß sie, um ihre
Ehre zu retten
, sich hierüber genügend rechtfer-
tigten. Hier sah ich den großen Wellington in einer
fatalen Klemme. Er ist kein Redner, und mußte nun
bongre malgre sich wie ein Angeklagter vor seinen
Richtern vertheidigen. Er war sehr agitirt, und die-
ser Senat seines Landes, obgleich aus lauter Leuten
bestehend, die einzeln ihm vielleicht nichts sind,
schien wirklich imposanter in seiner Masse für ihn,
als weiland Napoleon und alle seine Hunderttau-
sende. Daß so etwas aber nicht möglich wird, ist
die große Folge weiser Institutionen! Es war bei
alle dem rührend, den Heros des Jahrhunderts in
einer so untergeordneten Lage zu sehen. Er stotterte
viel, unterbrach und verwickelte sich, kam aber doch
am Ende, mit Hülfe seiner Parthei -- die bei jedem
Stein des Anstoßes (grade wie bei der Gesandtenrede
am Lord Mayor's-Tage) durch Beifall und Lärm
eine Pause herbeiführte, in der er sich wieder zurecht
finden konnte -- endlich so ziemlich damit zu Stande:
zu beweisen, daß keine Conspiracy obgewaltet
habe. Er sagte zuweilen starke Sachen, vielleicht
mehr als er wollte, denn er war seines Stoffes nicht
Meister, unter andern folgende Worte, die mir sehr
auffielen: "Ich bin Soldat und kein Redner. Mir
gehen alle Talente ab, in dieser hohen Versammlung

Vereinigung reſignirt, und ſich dadurch des hohen
Unrechts ſchuldig gemacht zu haben, dem Könige ſeine
conſtitutionelle Prärogative: ganz nach freier Willkühr
ſeine Miniſter zu erneuern, ſchmälern zu wollen. Zu-
vörderſt müſſe er daher verlangen, daß ſie, um ihre
Ehre zu retten
, ſich hierüber genügend rechtfer-
tigten. Hier ſah ich den großen Wellington in einer
fatalen Klemme. Er iſt kein Redner, und mußte nun
bongré malgré ſich wie ein Angeklagter vor ſeinen
Richtern vertheidigen. Er war ſehr agitirt, und die-
ſer Senat ſeines Landes, obgleich aus lauter Leuten
beſtehend, die einzeln ihm vielleicht nichts ſind,
ſchien wirklich impoſanter in ſeiner Maſſe für ihn,
als weiland Napoleon und alle ſeine Hunderttau-
ſende. Daß ſo etwas aber nicht möglich wird, iſt
die große Folge weiſer Inſtitutionen! Es war bei
alle dem rührend, den Heros des Jahrhunderts in
einer ſo untergeordneten Lage zu ſehen. Er ſtotterte
viel, unterbrach und verwickelte ſich, kam aber doch
am Ende, mit Hülfe ſeiner Parthei — die bei jedem
Stein des Anſtoßes (grade wie bei der Geſandtenrede
am Lord Mayor’s-Tage) durch Beifall und Lärm
eine Pauſe herbeiführte, in der er ſich wieder zurecht
finden konnte — endlich ſo ziemlich damit zu Stande:
zu beweiſen, daß keine Conſpiracy obgewaltet
habe. Er ſagte zuweilen ſtarke Sachen, vielleicht
mehr als er wollte, denn er war ſeines Stoffes nicht
Meiſter, unter andern folgende Worte, die mir ſehr
auffielen: „Ich bin Soldat und kein Redner. Mir
gehen alle Talente ab, in dieſer hohen Verſammlung

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[22/0038] Vereinigung reſignirt, und ſich dadurch des hohen Unrechts ſchuldig gemacht zu haben, dem Könige ſeine conſtitutionelle Prärogative: ganz nach freier Willkühr ſeine Miniſter zu erneuern, ſchmälern zu wollen. Zu- vörderſt müſſe er daher verlangen, daß ſie, um ihre Ehre zu retten, ſich hierüber genügend rechtfer- tigten. Hier ſah ich den großen Wellington in einer fatalen Klemme. Er iſt kein Redner, und mußte nun bongré malgré ſich wie ein Angeklagter vor ſeinen Richtern vertheidigen. Er war ſehr agitirt, und die- ſer Senat ſeines Landes, obgleich aus lauter Leuten beſtehend, die einzeln ihm vielleicht nichts ſind, ſchien wirklich impoſanter in ſeiner Maſſe für ihn, als weiland Napoleon und alle ſeine Hunderttau- ſende. Daß ſo etwas aber nicht möglich wird, iſt die große Folge weiſer Inſtitutionen! Es war bei alle dem rührend, den Heros des Jahrhunderts in einer ſo untergeordneten Lage zu ſehen. Er ſtotterte viel, unterbrach und verwickelte ſich, kam aber doch am Ende, mit Hülfe ſeiner Parthei — die bei jedem Stein des Anſtoßes (grade wie bei der Geſandtenrede am Lord Mayor’s-Tage) durch Beifall und Lärm eine Pauſe herbeiführte, in der er ſich wieder zurecht finden konnte — endlich ſo ziemlich damit zu Stande: zu beweiſen, daß keine Conſpiracy obgewaltet habe. Er ſagte zuweilen ſtarke Sachen, vielleicht mehr als er wollte, denn er war ſeines Stoffes nicht Meiſter, unter andern folgende Worte, die mir ſehr auffielen: „Ich bin Soldat und kein Redner. Mir gehen alle Talente ab, in dieſer hohen Verſammlung

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/38>, abgerufen am 26.04.2024.